Alles im Gleichgewicht – Wie unser Immunsystem eine gesunde Mikrobiota im Darm aufrechterhält



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26.02.2019 11:10

Alles im Gleichgewicht – Wie unser Immunsystem eine gesunde Mikrobiota im Darm aufrechterhält

Gemeinsame Pressemitteilung des Exzellenzclusters PMI an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Charité – Universitätsmedizin Berlin

Forschende des Exzellenzclusters Präzisionsmedizin für chronische Entzündungskrankheiten und der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben einen Mechanismus entschlüsselt, der die Immunreaktion gegen Mikroorganismen im Darm steuert. Die Ergebnisse der internationalen Studie können zur Entwicklung neuer Therapien bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen beitragen. Sie wurden in der Fachzeitschrift Nature Immunology veröffentlicht.

Das Immunsystem schützt davor, dass sich krankmachende Keime im Darm ausbreiten. Gleichzeitig erlaubt es die Besiedelung mit nützlichen Mikroorganismen. Die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Darm, der sogenannten Mikrobiota, hat umgekehrt aber auch einen Einfluss auf die Qualität der Immunreaktion. Einen molekularen Mechanismus, der entscheidend zu diesem Gleichgewicht beiträgt, hat eine internationale Forschungsgruppe unter Leitung von Professor Alexander Scheffold von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und dem Exzellenzcluster Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen nun im Tiermodell aufgedeckt.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Das Team um Dr. Christian Neumann (Charité), Dr. Sascha Rutz (Genentech, San Francisco), Professor Axel Kallies (Universität Melbourne und Walter and Eliza Hall Institute of Medical Research, Melbourne) und Professor Scheffold erforschte molekulare Regulatoren der Immun-Mikrobiota-Interaktion bei Mäusen. Das Team konzentrierte sich auf sogenannte regulatorische T-Zellen. Das sind Immunzellen, die verhindern, dass harmlose oder gar nützliche Mikroorganismen im Darm vom Immunsystem attackiert werden. „Wir haben ein Molekül identifiziert, c-Maf, das für die Entwicklung und Funktion von spezifischen regulatorischen T-Zellen im Darm essentiell ist“, erklärt der Kieler Immunologe Scheffold. C-Maf hindert das Immunsystem daran, die Mikrobiota anzugreifen. „Fehlt dieses Molekül, kommt es zu einer Überreaktion des Immunsystems im Darm und in der Folge zu einer deutlich veränderten Zusammensetzung der Mikrobiota“, ergänzt Erstautor Dr. Christian Neumann vom Institut für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie der Charité. Diese veränderte Zusammensetzung erwies sich als bemerkenswert stabil: Als die Forschenden die veränderte Mikrobiota auf Mäuse mit intaktem c-Maf-Regelkreis übertrugen, entwickelten diese ebenfalls eine Überreaktion des Immunsystems im Darm.

„Diese Ergebnisse zeigen, dass sowohl das Immunsystem als auch die Mikrobiota wechselseitig dazu beitragen, das Gleichgewicht im Darm herzustellen und aufrecht zu erhalten“, betont der Kieler Immunologe Scheffold. „Dies könnte erklären, wie ein mikrobielles Ungleichgewicht zu chronisch entzündlichen Darmkrankheiten beitragen kann und warum die Behandlung häufig fehlschlägt.“. Die Erkenntnisse könnten den Grundstein für die Entwicklung neuer Therapieansätze legen, die etwa bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen darauf abzielen, Immunantwort und Mikrobiota gleichermaßen zu beeinflussen und wieder in Einklang zu bringen. In Zukunft möchte das Forschungsteam daher untersuchen, wie ein etablierter pathologischer Regelkreis zwischen Darmbakterien und dem Immunsystem bei Patientinnen und Patienten gezielt destabilisiert und in den Ursprungszustand zurückgesetzt werden kann.

Originalpublikation
Christian Neumann, …. Axel Kallies, Alexander Scheffold, et al. c-Maf-dependent Treg cell control of intestinal TH17 cells and IgA establishes host–microbiota homeostasis. Nature Immunology. Published 18 February 2019. https://doi.org/10.1038/s41590-019-0316-2

Kontakt:
Prof. Dr. Alexander Scheffold
Institut für Immunologie, CAU und UKSH Campus Kiel
Tel.: 0431/500-31000
Alexander.Scheffold@uksh.de

Dr. Christian Neumann
Institut für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Tel.: 030/450-524 038
c.neumann@charite.de

Bildmaterial steht zum Download bereit:
https://precisionmedicine.de/pm/material/20190221_AlexanderScheffold_HaacksCAU.j…

Alexander Scheffold, Exzellenzcluster Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen, Professor für Immunologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Medizinische Fakultät, und Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel. Foto: Jürgen Haacks/Universität Kiel

Pressekontakt:
Kerstin Nees
Telefon: (040) 8320998, E-Mail: presse.cluster@uv.uni-kiel.de
Internet: https://precisionmedicine.de/

Der Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen/Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) wird von 2019 bis 2025 durch die Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert (ExStra). Er folgt auf den Cluster Entzündungsforschung „inflammation at Interfaces“, der bereits in zwei Förderperioden der Exzellenzinitiative (2007-2018) erfolgreich war. Beteiligt an dem neuen Verbund sind rund 300 Mitglieder in acht Trägereinrichtungen an fünf Standorten: Kiel (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Muthesius Kunsthochschule, Institut für Weltwirtschaft und Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik), Lübeck (Universität zu Lübeck, UKSH), Plön (Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie), Borstel (Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum) und Großhansdorf (Lungenclinic Grosshansdorf). Ziel ist es, den vielfältigen Forschungsansatz zu chronisch entzündlichen Erkrankungen von Barriereorganen in seiner Interdisziplinarität verstärkt in die Krankenversorgung zu übertragen und die Erfüllung bisher unbefriedigter Bedürfnisse von Erkrankten voranzutreiben. Drei Punkte sind im Zusammenhang mit einer erfolgreichen Behandlung wichtig und stehen daher im Zentrum der Forschungen von PMI: die Früherkennung von chronisch entzündlichen Krankheiten, die Vorhersage von Krankheitsverlauf und Komplikationen und die Vorhersage des individuellen Therapieansprechens.

Exzellenzcluster Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen
Wissenschaftliche Geschäftsstelle, Leitung: Dr. habil. Susanne Holstein
Postanschrift: Christian-Albrechts-Platz 4, D-24118 Kiel
Kontakt: Sonja Petermann
Telefon: (0431) 880-4850, Telefax: (0431) 880-4894
E-Mail: spetermann@uv.uni-kiel.de
Twitter: PMI @medinflame


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Alexander Scheffold
Institut für Immunologie, CAU und UKSH Campus Kiel
Tel.: 0431/500-31000
Alexander.Scheffold@uksh.de

Dr. Christian Neumann
Institut für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Tel.: 030/450-524 038
c.neumann@charite.de


Originalpublikation:

Christian Neumann, …. Axel Kallies, Alexander Scheffold, et al. c-Maf-dependent Treg cell control of intestinal TH17 cells and IgA establishes host–microbiota homeostasis. Nature Immunology. Published 18 February 2019. https://doi.org/10.1038/s41590-019-0316-2


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW