Alzheimer: Krebsmedikamente als neuer Behandlungsansatz



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19.08.2022 17:00

Alzheimer: Krebsmedikamente als neuer Behandlungsansatz

Alzheimer-Nervenzellen machen den gleichen Wechsel in ihrem Metabolismus durch wie Krebszellen – das konnten Innsbrucker Molekularbiolog*innen nun nachweisen. Diesen wichtigen Schritt für die Entwicklung möglicher Behandlungsmethoden veröffentlichten die Wissenschaftler*innen im Fachmagazin Cell Metabolism.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Die Ursachen der sporadischen Alzheimer-Krankheit geben im Vergleich zur besser erforschten, genetisch bedingten, vererbaren Form der Krankheit noch mehr Rätsel auf. Das Team um Jerome Mertens im Neural Aging Laboratory am Institut für Molekularbiologie der Uni Innsbruck verwendet sogenannte induzierten Neuronen (iNs) – Nervenzellen, die aus Hautzellen von Patient*innen gezüchtet werden und das Alter sowie alle weiteren epigenetischen Daten der Patient*innen enthalten –, um ein besseres Verständnis der Krankheit zu erhalten.

Warburg-Effekt
Basierend auf vorangegangenen Ergebnissen konnten Larissa Traxler und ihre Kolleg*innen aus dem Neural Aging Laboratory in Kooperation mit Wissenschaftler*innen des Salk Institutes und der Universität Denver in der heute veröffentlichten Arbeit bestätigen, dass Alzheimer-Nervenzellen den gleichen Wechsel in ihrem Metabolismus (Stoffwechsel) durchmachen wie Krebszellen. „Unsere bisherigen Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass Alzheimer-Neuronen Krebszellen sehr ähnlich sind – mit dem großen Unterschied, dass Krebszellen unkontrolliert wachsen und Alzheimer-Neuronen unkontrolliert absterben“, erklärt Larissa Traxler, Post-Doc am Institut für Molekularbiologie. „In der vorliegenden Arbeit haben wir uns deshalb speziell auf den Metabolismus der Alzheimer-Nervenzellen fokussiert und diesen mit dem sehr spezifischen und gut erforschten Metabolismus von Krebszellen verglichen.“ Diese Untersuchungen bestätigten die Ähnlichkeit: Der sogenannte Warburg-Effekt – ein Wechsel im Stoffwechsel von Krebszellen vom Erwachsenen- ins Embryonalstadium – tritt auch bei Alzheimer-Nervenzellen auf. „Alzheimer-Neurone machen einen sehr ähnlichen Wechsel zum embryonalen Metabolismus durch wie Krebszellen. Da in Nervenzellen allerdings, sobald sie sich zu teilen beginnen, der Zelltod eingeleitet wird, sterben diese anders als Krebszellen, die sich unkontrolliert vermehren, ab“, erläutert Traxler.

Mögliche Behandlungsmethoden
In der Krebstherapie gibt es bereits Wirkstoffe, die speziell auf diesen Warburg-Effekt abzielen. Hierfür wird insbesondere auf das Protein Pyruvat Kinase M2 (PKM2), abgezielt. PKM2 wird vermehrt in Krebszellen, aber auch in den Alzheimer-Neuronen produziert, und gilt als einer der Hauptregulatoren in dem Wechsel zum embryonalen Metabolismus. „Wir haben im Zellversuch überprüft, ob diese PKM2-Modulatoren auch bei Alzheimer-Nervenzellen wirken. Erfreulicherweise konnten wir zeigen, dass die Wirkstoffe, die den Warburg-Effekt in Krebszellen inhibieren, auch bei Alzheimer-Nervenzellen dazu führen, dass die Nervenzellen ihr Erwachsenenstadium länger beibehalten“, erklärt Larissa Traxler. In einem nächsten Schritt wollen die Molekularbiolog*innen nun daran arbeiten, diese Wirkstoffe für alternde Nervenzellen zu optimieren und sie zu modifizieren, dass sie optimal ins Gehirn gelangen und dort gegen Alzheimer wirken können.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Larissa Traxler, PhD
Neural Aging Lab
Institut für Molekularbiologie
Universität Innsbruck

Tel.: +43(0)512/ 507 51429
E-Mail: Larissa.Traxler@uibk.ac.at


Originalpublikation:

arburg-like metabolic transformation underlies neuronal
degeneration in sporadic Alzheimer’s disease, Larissa Traxler, Joseph R. Herdy, Davide Stefanoni, Sophie Eichhorner, Silvia Pelucchi, Attila Szücs, Alice Santagostino, Yongsung Kim, Ravi K. Agarwal, Johannes C.M. Schlachetzki, Christopher K. Glass, Jessica Lagerwall, Douglas Galask, Fred H. Gage, Angelo D’Alessandro, Jerome Mertens, Cell Metabolism, August 2022
DOI:  https://doi.org/10.1016/j.cmet.2022.07.014


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW