Aussichtsreiche Zielstruktur für die Behandlung biliärer Leberschädigung



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30.01.2020 18:09

Aussichtsreiche Zielstruktur für die Behandlung biliärer Leberschädigung

Transforming Growth Factor β2 im Visier einer Forschergruppe an der II. Medizinischen Klinik der UMM

Cholestatische Lebererkrankungen sind chronische Autoimmunerkrankungen der Leber. Zu diesen zählen die primär sklerosierende Cholangitis (PSC) ebenso wie die primär biliäre Cholangitis (PBC), bei der das eigene Immunsystem zunächst die Gallengänge der Leber angreift und durch entzündliche Prozesse zerstört. Im weiteren Verlauf der Erkrankung greift die Entzündung schließlich auf das gesamte Lebergewebe über. Wird die Krankheit nicht erkannt und behandelt, führt sie im Endstadium zur Leberzirrhose und bis hin zum Leberzellkarzinom, einer der häufigsten bösartigen Krebserkrankungen weltweit.

Bislang gibt es keine kurative Behandlung für Patienten mit diesen zwar seltenen, aber sehr destruktiven chronischen Lebererkrankungen. Das Forscherteam um PD Dr. Nadja Meindl-Beinker und Professor Dr. Steven Dooley, zusammen mit Dr. Anne Dropmann, an der II. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim (UMM), hat nun in TGF-β2 eine aussichtsreiche therapeutische Zielstruktur für die Behandlung biliärer Leberschädigung entdeckt. Die Arbeit ist in der aktuellen Ausgabe der hochrangigen gastroenterologischen Fachzeitschrift GUT veröffentlicht.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Die Transforming Growth Factor β (TGF-β) Zytokinfamilie dient der Signalübertragung zwischen Zellen und reguliert kontextspezifisch die Expression von hunderten von Zielgenen, die unter anderem Zelltod, Zellwachstum und Zellteilung steuern. Drei Isoformen von TGF-β sind bekannt, die eine Vielzahl von verschiedenen Funktionen im Organismus erfüllen.

Von der bekanntesten Isoform TGF-β1 weiß man, dass es als Hauptakteur an der Entstehung und Entwicklung von chronischen Lebererkrankungen beteiligt ist, indem es den Prozess der Fibrogenese begünstigt. Bei Tumorerkrankungen wirkt TGF-β1 zunächst suppressiv, in späteren Stadien begünstigt es jedoch das Tumorwachstum. Die Expression und Funktion von TGF-β2 in Lebererkrankungen war hingegen bislang weitgehend unerforscht.

In der aktuellen Arbeit konnten die Wissenschaftler nun nachweisen, dass auch TGF-β2 in fibrotischen Lebererkrankungen eine entscheidende Rolle spielt. Untersuchungen in Mausmodellen für Lebererkrankungen zeigen, dass beide Isoformen (TGF-β1 und TGF-β2) in verschiedenen Leberzelltypen exprimiert werden und ihre Expression im Verlauf der chronischen Lebererkrankung in den meisten Fällen zunimmt. Die Datenlage weist darauf hin, dass TGF-β2 in Mausmodellen mit biliärer Leberschädigung sogar eine noch prominentere Rolle einnimmt als TGF-β1.

Darüber hinaus zeigen die Wissenschaftler, dass die Hemmung von TGF-β2 in einem Mausmodell für cholestatische Lebererkrankungen (MDR2-KO-Mäuse) mit antisense Oligonukleotiden zu einer reduzierten Ablagerung von Kollagen und einer signifikanten Reduktion der Fibrogenese führt, ohne dass eine nachteilige Auswirkung auf die gesunde Leber nachweisbar wäre.

Interessanterweise wird durch Hemmung von TGF-β2 auch die Einwanderung von verschiedenen Immunzellen in die Leber der kranken Mäuse modifiziert (Eosinophile, CD45-positive Zellen, CD8-positive Zellen, Tregs und CD4-positive Zellen). Diese Veränderungen der Entzündungsreaktionen in der Leber tragen vermutlich auch zur Verbesserung der Lebererkrankung bei. Auch in Patienten mit primär sklerosierender Cholangitis und primär biliärer Cholangitis sind die Werte von TGF-β2 erhöht und korrelieren mit der Art und der Menge der in der Leber nachweisbaren Immunzellen.

Zusammengenommen identifizieren die Daten der Mannheimer Forschergruppe den Transforming Growth Factor β2 als aussichtsreiche therapeutische Zielstruktur für die Behandlung biliärer Leberschädigungen. „Unsere weitere Forschung wird sich darauf ausrichten, die Wirksamkeit einer TGF-β2-Reduktion zur Behandlung von Patienten mit cholestatischer Leberschädigung wie PSC und PBC in klinischen Studien zu untersuchen“, so Meindl-Beinker. „Gleichzeitig werden wir auch die spezifischen Wirkmechanismen dieser Behandlung auf Fibrogenese und Immunreaktionen noch detaillierter erforschen.“


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

PD Dr. Nadja Meindl-Beinker
II. Medizinische Klinik
Universitätsmedizin Mannheim
Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg
Theodor-Kutzer-Ufer 1-3
D-68167 Mannheim
Tel. +49 621 383-4010
E-Mail: Nadja.Meindl-Beinker@medma.uni-heidelberg.de


Originalpublikation:

TGF-β2 silencing to target biliary derived liver diseases
Anne Dropmann, et al.
GUT, 2020
Published Online First: 28 January 2020
https://doi.org/10.1136/gutjnl-2019-319091


Anhang

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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW