Cytotec (Misoprostol) zur Geburtseinleitung – Evidenz aus der Cochrane Library

Cytotec (Misoprostol) zur Geburtseinleitung – Evidenz aus der Cochrane Library


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13.02.2020 16:22

Cytotec (Misoprostol) zur Geburtseinleitung – Evidenz aus der Cochrane Library

Eine gemeinsame Recherche von Bayrischem Rundfunk („Report aus München“) und Süddeutscher Zeitung zeichnet aktuell (siehe Anhang) ein sehr kritisches Bild von dem auch in Deutschland häufig zur Auslösung von Wehen genutzten Wirkstoff Misoprostol (Handelsname Cytotec). Zu Wirksamkeit und häufigeren Risiken der oralen Einnahme für eine Geburtseinleitung existiert durchaus Evidenz aus klinischen Studien. Ein Cochrane Review aus dem Jahr 2014 fand 75 relevante Studien mit insgesamt fast 14.000 Teilnehmerinnen. Er kommt zu dem Schluss, dass das Profil von Wirkung und Risiken von Misoprostol mit dem anderer gängiger Wirkstoffe vergleichbar ist.

Misoprostol (Handelsname Cytotec) ist als Mittel gegen Geschwüre von Magen und Zwölffinger-darm zugelassen. Sein Einsatz zur Einleitung einer Geburt ist ein sogenannter „Off-Label Use“. Das bedeutet, dass ein Arzneimittel für eine Indikation eingesetzt wird, für die es von den Zulassungs-behörden keine Genehmigung hat. Dafür gelten zwar gewisse Einschränkungen wie eine gesonderte Aufklärung der Patienten. Off-Label-Use ist per se aber im Rahmen der ärztlichen Behandlungsfreiheit möglich und beispielsweise im Bereich der Kinderheilkunde weit verbreitet, wo dezidierte pädiatrische Zulassungsstudien aus ethischen und finanziellen Gründen eher selten sind.
Eine Geburt mit Hilfe von Medikamenten künstlich einzuleiten ist stets mit Risiken verbunden. Dazu zählt eine auch in den Medienbeiträgen dargestellte Überstimulation der Wehentätigkeit, die das Leben von Mutter und Kind gefährden und in ebenfalls riskanten Not-Kaiserschnitten enden kann. Ärzte und Schwangere müssen diese Risiken gegen die Risiken eines weiteren Abwartens abwägen. Für den Fall, dass eine Einleitung nötig erscheint, gilt es jene Einleitungsmethode zu wählen, die das beste Profil aus erwünschter Wirkung (hier z.B. eine erfolgreiche natürliche Geburt) und Risiken hat. Dabei spielen auch die Präferenzen der Schwangeren eine Rolle – sie bevorzugen oft die orale Einnahme von Misoprostol gegenüber Vaginalgelen oder einem Wehentropf.
Wissenschaftliche Evidenz aus klinischen Studien für diese Entscheidung zu liefern, ist das Ziel des Cochrane Reviews „Oral misoprostol for induction of labour“ (https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD001338.pub3/full/de). Die systematische Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2014 (ergänzt 2018) berücksichtigt 75 randomisierte kontrollierte Studien mit unterschiedlicher Qualität, an denen fast 14.000 Frauen teilnahmen. Diese Studien stellten unterschiedliche Vergleiche an, z.B. Misoprostol gegenüber Placebo oder den gängigen alternativen Wirkstoffen wie Oxytocin und Dinoproston, das wie Misoprostol zur Gruppe der Prostaglandine gehört.
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Misoprostol für die Auslösung von Wehen in etwa gleich wirksam ist wie die beiden gängigen Alternativen und dass sein Einsatz mit geringfügig weniger Kaiserschnittgeburten einherging. Zudem spricht die Evidenz für eine vergleichsweise niedrige Dosierung von 20 bis 25 Mikrogramm des am besten zuvor in Wasser gelösten Wirkstoffs.
Zu der Frage von extrem seltenen, gravierenden Nebenwirkungen von Misoprostol kann der Re-view nur wenig beitragen. Das liegt daran, dass diese selbst unter den 14.000 Studienteilnehmerinnen zu selten auftraten, um valide Aussagen zu Häufigkeiten ableiten zu können. Die Autoren rechnen hoch, dass hierfür eine doppelt bis zehnmal so große Studienpopulation nötig wäre.
Die Beiträge von ARD und SZ bringen noch eine Reihe wichtiger Punkte auf, etwa die nach Ein-schätzung mancher Fachleute weit verbreitete Überdosierung des Wirkstoffs oder die vermeintlich oft nicht ausreichende Aufklärung der Schwangeren über Nutzen und Risiken. Der in den Beiträgen entstehende Eindruck, dass es zum Einsatz von Misoprostol kaum brauchbare Studiendaten gebe, ist aus unserer Sicht aber so nicht richtig, auch wenn eine noch breitere Datenbasis sicher wünschenswert wäre. Im Sinne einer evidenzbasierten Gesundheitsversorgung würde sich Cochrane Deutschland wünschen, dass in der Berichterstattung zukünftig mehr auf die tatsächliche Evidenzlage eingegangen wird.


Originalpublikation:

Cochrane Review „Oral misoprostol for induction of labour“
https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD001338.pub3/full/de

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Weitere Informationen:

https://www.gesundheitsinformation.de/off-label-use-worauf-muss-man-achten.2215…. Mehr Informationen zu „Off-Label-Use“
https://www.tagesschau.de/investigativ/br-recherche/geburtseinleitung-medikament…
https://www.sueddeutsche.de/news?search=cytotec&sort=date&all%5B%5D=dep&… Berichterstattung von ARD und SZ


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW