Das Navi im Spermienschwanz: Proteine im Zick-Zack-Muster halten Spermien auf Kurs



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17.06.2022 11:26

Das Navi im Spermienschwanz: Proteine im Zick-Zack-Muster halten Spermien auf Kurs

Nur etwa ein Dutzend der Millionen von Spermien schaffen den langen Weg durch den Eileiter bis zur Eizelle. An diesem Auswahlprozess sind eine Reihe von Faktoren beteiligt. Zwei dieser Faktoren hat die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. med. Gunther Wennemuth aus dem Institut für Anatomie der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen nun identifizieren können. Im renommierten FASEB Journal zeigt Dr. Caroline Wiesehöfer, dass für eine erfolgreiche Fortbewegung das Zusammenspiel zwischen einem Ionenkanal im Schwanz der Spermien und einem Protein der Eizelle entscheidend ist.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Spermien bewegen sich zunächst in einer spiralförmigen Bewegung im Uhrzeigersinn zur Eizelle. In der Nähe der Eizelle verändert sich ihr Bewegungsmuster. Das Essener Forschungsteam hat beide Bewegungsarten in 4D mikroskopisch untersucht.
Auf diese Weise konnte Dr. Wiesehöfer nachweisen, dass Spermien von Mäusen, denen ein spezieller Ionenkanal (Catsper) fehlt, nicht mehr in der Lage sind, sich schraubenförmig fortzubewegen. Es war bereits bekannt, dass solche Mäuse nicht mehr fortpflanzungsfähig sind – jetzt wissen die Forschenden mehr über die Ursachen.
Zudem konnte das Forschungsteam um Prof. Wennemuth in Kooperation mit der Yale School of Medicine (New Haven, USA) nachweisen, dass ein bestimmtes Protein der Eizelle das typische Bewegungsmuster von Spermien unterbrechen kann: ZP2 (Zona Pellucida Protein 2). „Die schraubenförmige Bewegung bricht in der Nähe der Eizelle ab. Wir vermuten, dass ZP2 Teil eines wichtigen Lenkungsmechanismus ist, der dem Spermium hilft, die Eizelle zu finden, sobald es näherkommt“, erklärt Prof. Wennemuth.
Einen Großteil ihrer Untersuchungen hat Dr. Wiesehöfer mit der sogenannten digital-holographischen Mikroskopie durchgeführt. „Mit dieser Methode können mobile Zellen in allen Dimensionen im Raum beobachtet werden, also in 4D“, erklärt die Erstautorin. „Das ermöglicht uns ein tiefergehendes Verständnis des komplexen Zusammenspiels zwischen Spermien und Eizellen.“
In einer zeitgleich im renommierten Journal „Nature Communications“ erschienen Publikation zeigen Wiesehöfer und Wennemuth mit ihren Kooperationspartner:innen in Yale, dass die oben erwähnten Catsper Kanäle entlang des Spermienschwanzes miteinander in einem klaren Muster aneinandergereiht sind. „Die Catsper-Ionenkanäle verlaufen doppelreihig in einem strikten Zick-Zack Muster“; erklären Dr. Wiesehöfer und Prof. Wennemuth. „Diese sehr regelmäßige Anordnung der Kanäle ist vermutlich auch der Grund für das schraubenförmige Bewegungsmuster der Spermien.“ Für diese Untersuchungen wurde die Methode der Cryo-Elektronenmikroskopie verwendet. Diese Methode erlaubt eine Auflösung auf fast atomarem Level und liefert damit sehr genaue Bilder von Proteinen.
Die Ergebnisse beider Publikationen sind ein wichtiger Beitrag, sowohl den Vorgang der Befruchtung von Eizellen, als auch die Ursachen für Infertilität (ungewollte Kinderlosigkeit) von Paaren zu verstehen.


Originalpublikation:

Links zu den Originalpublikationen:
Wiesehöfer C, Wiesehöfer M, Dankert JT, et al. CatSper and ist CaM-like Ca2+ sensor EFCAB9 are necessary for the path chirality of sperm. FASEB J. 2022;36:e22288
Y. Zhao , H. Wang , C. Wiesehöfer et. al. 3D structure and in situ arrangements of CatSper channel in the sperm flagellum. Nat. Commun. 2022


Weitere Informationen:

https://www.uni-due.de/med/meldung.php?id=1357


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW