Delfine nutzen Korallen zur Selbstbehandlung von Hautproblemen



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20.05.2022 12:44

Delfine nutzen Korallen zur Selbstbehandlung von Hautproblemen

JLU-Lebenswissenschaftlerin kann Biofunktionalität der präferierten Korallen nachweisen

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Wenn ein Mensch einen Ausschlag hat, geht er vielleicht zum Arzt und nimmt eine Salbe mit, die er aufträgt. Indopazifische Große Tümmler bekommen auch Hautprobleme, aber sie besorgen sich Hilfe, indem sie sich an bestimmten Korallen und Schwämmen reiben. In der Zeitschrift „iScience“ vom 19. Mai zeigt ein internationales Forschungsteam, an dem die Lebenswissenschaftlerin Prof. Dr. Gertrud Morlock von der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) beteiligt ist, dass diese Korallen und Schwämme, an denen sich die Delphine reiben, biologisch aktive Stoffe beinhalten und hilfreiche biofunktionelle Eigenschaften haben. Das deutet darauf hin, dass die Delfine die wirbellosen Meerestiere zur Behandlung von Hautproblemen nutzen können.

Vor dreizehn Jahren beobachtete Angela Ziltener, eine Wildtierbiologin an der Universität Zürich, erstmals Delfine, die sich im nördlichen Roten Meer vor der Küste Ägyptens an Korallen rieben. Ihr und ihrem Team fiel auf, dass die Delfine wählerisch waren, an welchen Korallen sie sich rieben: „Ich hatte dieses Verhalten beim Reiben an Korallen noch nie zuvor gesehen, und es war klar, dass die Delfine genau wussten, welche Koralle sie benutzen wollten“, sagt Ziltener.

Die meisten Delfinforschungen werden von der Wasseroberfläche aus durchgeführt, aber da Ziltener Taucherin ist, konnte sie die Delfine aus der Nähe studieren. Sie brauchte einige Zeit, um das Vertrauen der Delfine zu gewinnen, was ihr auch deshalb gelang, weil die Delfine sich von den großen Blasen, die von den Tauchflaschen freigesetzt werden, nicht abschrecken lassen und sich an Taucher gewöhnt haben. „Manche Delfine, wie die Spinnerdelfine im südägyptischen Roten Meer, sind schüchterner, wenn es um Luftblasen geht“, sagt sie.

Als die Delfine es ihr erlaubten, sie regelmäßig zu besuchen, konnte das Team die Korallen und Schwämme, an denen sich die Delfine reiben, identifizieren und untersuchen. Die Forschenden fanden heraus, dass das wiederholte Reiben an den Korallen dazu führte, dass die winzigen Polypen, aus denen die Korallengemeinschaft besteht, Schleim abgaben. Um zu verstehen, welche Eigenschaften der Schleim hat, sammelte das Team diese Proben.

Als die Erstcoautorin Gertrud Morlock, analytische Chemikerin und Lebensmittelwissenschaftlerin an der JLU Gießen, und ihr Team Proben der Gorgonienkoralle Rumphella aggregata, der Lederkoralle Sarcophyton sp. und des Schwamms Ircinia sp. analysierten, fanden sie 17 biologisch aktive Substanzen mit antimikrobiellen, antioxidativen, hormonellen und toxischen Eigenschaften. Die Entdeckung dieser biologisch aktiven Verbindungen veranlasste das Team zu der Annahme, dass der Schleim der Korallen und Schwämme dazu dient, das Mikrobiom der Delfinhaut zu regulieren und Infektionen zu behandeln bzw. vorzubeugen. “Durch wiederholtes Reiben kommen die biologisch aktiven Substanzen der Korallen und Schwämme mit der Haut der Delfine in Kontakt”, sagt Morlock. “Diese Metaboliten könnten die Homöostase ihrer Haut unterstützen und für die Prophylaxe oder Zusatzbehandlung gegen mikrobielle Infektionen nützlich sein.”

Die Riffe, in denen diese Korallen zu finden sind, sind wichtige Orte für die lokalen Delfinpopulationen. „Viele Menschen wissen nicht, dass diese Korallenriffe Schlafplätze für die Delfine sind, aber auch Spielplätze“, sagt Ziltener. Zwischen den Nickerchen wachen die Delfine oft auf, um sich an den Korallen zu reiben. „Es ist fast so, als würden sie duschen und sich reinigen, bevor sie schlafen gehen oder für den Tag aufstehen“, sagt sie.

Die Forschung wurde unterstützt vom ägyptischen Umweltministerium, den Rangern der Red Sea National Parks Authority, der Sawiris Foundation, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der TU Berlin, Campus El Gouna, der Dolphin Watch Alliance, dem Orca Dive Club El Gouna sowie sowie an Aqualung, Deutschland, und Merck, Darmstadt, Deutschland.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Gertrud Morlock
Professur für Lebensmittelwissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU)
Telefon: 0641 99-39141
E-Mail: Gertrud.Morlock@uni-giessen.de


Originalpublikation:

Morlock und Ziltener et al: “Evidence that Indo-Pacific bottlenose dolphins self-medicate with invertebrates in coral reefs”. DOI:10.1016/j.isci.2022.104271


Weitere Informationen:

https://www.cell.com/iscience/fulltext/S2589-0042(22)00541-7
https://www.dropbox.com/scl/fo/oy3693p04lkx57ebswnax/h?dl=0&rlkey=dwnx1am5gz… – Bilder und Videos zum Download


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW