Des Hafers Kern



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18.05.2022 17:00

Des Hafers Kern

Forschenden gelang es erstmals, das gesamte Erbgut von Hafer zu sequenzieren und umfassend zu charakterisieren. Im Vergleich zu anderen Getreidearten und zum Menschen ist das Hafer-Genom sehr komplex. Warum Hafer als gesünder gilt und weniger Allergien und Unverträglichkeiten auslöst als andere Getreide, konnten Wissenschaftler:innen von Helmholtz Munich, der Universität Lund und dem Verbund ScanOats nun erstmals auf genetischer Ebene aufklären.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

„Hafer ist ein Trendfood – und genetisch betrachtet ein kompliziertes Getreide“, sagt Manuel Spannagl von Helmholtz Munich. Gemeinsam mit Kolleg:innen aus Schweden sequenzierte und analysierte er über sechs Jahre hinweg das Hafer-Genom und identifizierte die Gesamtheit der Gene des Getreides. Die Komplexität des Hafer-Genoms ergibt sich zum einen aus seiner Größe: Hafer besitzt sechs Chromosomensätze mit insgesamt mehr als 80.000 Genen, der Mensch nur zwei Chromosomensätze mit etwa 20.000 Genen. Zum anderen ist die Anordnung der Gene deutlich „unsortierter“ als bei anderen Getreidearten mit vielen Gen-Verdopplungen und Umstrukturierungen zwischen den einzelnen Chromosomen. Im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekts konnten die Wissenschaftler:innen mittels modernster Technologie erstmals das gesamte Hafer-Genom sequenzieren und analysieren.

Den positiven Gesundheitsaspekten des Hafers auf der Spur
Mit dem Wissen über die Genomsequenz können wir besser verstehen, welche Gene für welche Eigenschaften verantwortlich sind. Im Fall von Hafer interessierte die Forschenden insbesondere, warum er im Vergleich zu Getreidesorten wie Weizen oder Roggen weniger Allergien und Unverträglichkeiten auslöst. Sie fanden heraus, dass Hafer weniger solcher Proteine besitzt, die etwa dem Gluten im Weizen entsprechen. Da diese Proteine in einem direkten Zusammenhang mit Zöliakie und Weizenunverträglichkeiten stehen, führt Hafer beim Menschen zu weniger Unverträglichkeiten. „Damit konnten wir auf genomischer Ebene bestätigen, dass Hafer in seiner reinen Form für eine glutenfreie Ernährung geeignet ist“, sagt Nadia Kamal von Helmholtz Munich. Im Vergleich zu anderen Getreiden enthält Hafer außerdem einen viel höheren Anteil an sogenannten Beta-Glucanen. Diese Ballaststoffe tragen zu einem niedrigen Cholesterinwert im Blut bei und haben einen positiven Einfluss bei Stoffwechselerkrankungen wie Typ-2-Diabetes. Dank der Sequenzierung wissen die Forschenden nun, welche Gene für die gesundheitsfördernden Beta-Glucane verantwortlich sind.

Anbau kann optimiert werden
Hafer ist nicht nur auf Grund seiner gesundheitlichen Vorteile interessant, der Anbau erfordert im Vergleich zu anderen Getreiden auch weniger Behandlungen mit Insektiziden, Fungiziden oder Düngemitteln. Dank der neuen Erkenntnisse über das Hafer-Genom kann der Anbau weiter verbessert werden. „Wir haben das Potenzial für neue und zielgerichtete Züchtungen geschaffen“, sagt Nick Sirijovski von der Universität Lund und ScanOats. „Denn wir verstehen nun besser, welche Hafersorten untereinander kompatibel sind. Jetzt können wir Eigenschaften kombinieren für ein noch günstigeres Gesundheitsprofil, höhere Erträge, bessere Resistenzen gegen Schädlinge und Trockenheit und vor allem in Vorbereitung auf den Klimawandel.“ Da Hafer gute Erträge auch auf marginalen Böden und einen insgesamt geringeren ökologischen Fußabdruck aufweist als beispielweise Weizen, sind diese Aspekte im Hinblick auf die nachhaltige Produktion nahrhafter pflanzlicher Nahrungsmittelalternativen für eine wachsende Weltbevölkerung besonders spannend.

Zu den Personen
Dr. Manuel Spannagl ist Wissenschaftler am Environmental Health Center von Helmholtz Munich und Leiter der Studie auf deutscher Seite. In seinem Team arbeitete Dr. Nadia Kamal als Erstautorin an der Studie mit. Auf schwedischer Seite forschte Dr. Nick Sirijovski von der Universität Lund und dem Verbund ScanOats maßgeblich an dem Sequenzierungsprojekt.

Über Helmholtz Munich
Helmholtz Munich ist ein biomedizinisches Spitzenforschungszentrum. Seine Mission ist, bahnbrechende Lösungen für eine gesündere Gesellschaft in einer sich schnell verändernden Welt zu entwickeln. Interdisziplinäre Forschungsteams fokussieren umweltbedingte Krankheiten, insbesondere die Therapie und die Prävention von Diabetes, Adipositas, Allergien und chronischen Lungenerkrankungen. Mittels künstlicher Intelligenz und Bioengineering transferieren die Forschenden ihre Erkenntnisse schneller zu den Patient:innen. Helmholtz Munich zählt mehr als 2.500 Mitarbeitende und hat seinen Sitz in München/Neuherberg. Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, mit mehr als 43.000 Mitarbeitenden und 18 Forschungszentren die größte Wissenschaftsorganisation in Deutschland. Mehr über Helmholtz Munich (Helmholtz Zentrum München Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)): www.helmholtz-munich.de


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Manuel Spannagl
Helmholtz Munich
Email: manuel.spannagl@helmholtz-munich.de


Originalpublikation:

Kamal et al., 2022: The mosaic oat genome gives insights into a uniquely healthy cereal crop. Nature, DOI: 10.1038/s41586-022-04732-y.
https://www.nature.com/articles/s41586-022-04732-y


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Medizin, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW