Diagnosekunst für die Haut – Sensor-Tattoos zur Erkennung von Veränderungen im Blut-pH und von anderen Biomarkern



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01.08.2019 10:44

Diagnosekunst für die Haut – Sensor-Tattoos zur Erkennung von Veränderungen im Blut-pH und von anderen Biomarkern

Tätowieren könnte auch diagnostisch interessant werden. Ein Wissenschaftlerteam aus Deutschland hat Tattoos entwickelt, die eigentlich krankheitsanzeigende Sensoren sind. Wie sie in der Zeitschrift Angewandte Chemie erläutern, injizierten sie anstelle von Tattoofarbe eine Lösung aus chemischen Sensoren in die Haut. Auf den tätowierten Hautbereichen war bei Veränderungen des pH-Werts oder der Konzentration von verschiedenen Gesundheitsmarkern ein Farbumschlag zu sehen.

Beim Tätowieren gelangt die Tätowierfarbe direkt in die Dermis, die Lederhaut. Nach Durchstechen der Oberhaut, der Epidermis, entlässt die Nadel die Pigmente in die Dermis, die etwa einen Millimeter dick ist und Nerven, Blutgefäße und Haarfollikel enthält. Hier bleiben die Pigmente dauerhaft, und an dieser Stelle ist die Haut gefärbt.

Tattoos nicht für kosmetische, sondern für diagnostische Zwecke zu verwenden, wäre neu. Der Forscher Ali K. Yetisen von der Technischen Universität München und seine Kollegen glauben, dass mit dieser Technik chemische Sensoren an Stellen am Körper platziert werden können, an denen sie Veränderungen von Gesundheitsmarkern direkt, ohne räumlichen oder oder zeitlichen Abstand und möglicherweise dauerhaft messen.

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Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Als Sensoren identifizierten die Forscher drei chemische Formulierungen, die auf einen Biomarker durch Farbänderung reagieren, und passten sie für ihren Zweck an. Der erste Sensor war eine Kombination aus den pH-Indikatoren Methylrot, Bromthymolblau und Phenolphthalein. Injiziert in eine Modellhaut – ein Stück Schweinehaut –, reagierte das resultierende Tattoo auf einen pH-Wert-Anstieg mit einer Farbveränderung von gelb nach blau.

Die beiden anderen Sensoren zeigten die Glucose- bzw. Albuminkonzentration an. Ein hoher Glucosespiegel kann auf Diabetes hinweisen, sinkende Albuminwerte können Leber- oder Nierenversagen bedeuten. Den Glucosesensor stellten die Autoren aus den Enzymen Glucoseoxidase und Peroxidase zusammen. Eine hohe Glucosekonzentration führte zu einer verstärkten enzymatischen Oxidation mit struktureller Veränderung eines organischen Pigments. Dessen Farbe schlug von Gelb nach Dunkelgrün um. Der Albumin-Sensor zeigte die Assoziation eines Farbstoffs mit Albumin an durch Farbveränderung von gelb nach grün an.

Mit diesen Sensoren als Tätowierfarbe verzierten die Wissenschaftler dann Schweinehaut. Sobald sie den pH-Wert oder die Glucose- oder Albuminkonzentration veränderten, beobachteten sie eine Farbänderung der tätowierten Bereiche. Aus dem sichtbaren Effekt wurden auch Zahlen: Eine App verwandelte die mit der Smartphone-Kamera aufgenommenen Farbeffekte in vergleichbare Zahlenwerte.

Nach Aussage der Autoren könnten solche Sensortattoos eine permanente Überwachung von Patienten ermöglichen, und das mit einer einfachen und kostengünstigen Technik. Mit den geeigneten farbverändernden Sensoren könnten die Forscher die Technik auf die Messung von Elektrolyten, Krankheitskeimen oder den Dehydrierungszustand von Patienten ausweiten. Ob Tattoos tatsächlich zu nützlichen diagnostischen Kunstwerken werden können, müssen jetzt noch viele weitere Studien zeigen.

Angewandte Chemie: Presseinfo 17/2019

Autor: Ali Yetisen, Technische Universit¨t München (Germany), mailto:akyetisen@gmail.com

Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany


Originalpublikation:

https://doi.org/10.1002/ange.201904416


Weitere Informationen:

http://presse.angewandte.de


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW