Feintuning der Kommunikation: Wie Drogen oder Krankheiten Signale zwischen Nervenzellen beeinflussen



Teilen: 

04.11.2019 15:15

Feintuning der Kommunikation: Wie Drogen oder Krankheiten Signale zwischen Nervenzellen beeinflussen

Nervenzellen kommunizieren über Botenstoffe miteinander. Dabei gilt: Je mehr Botenstoff, desto stärker das Signal. Drogen oder Krankheiten beeinflussen diese Vorgänge und können das Signal abschwächen oder verstärken. Forscher*innen der Charité – Universitätsmedizin Berlin konnten nun gemeinsam mit Kolleg*innen um den von der Stiftung Charité geförderten Einstein BIH Visiting Fellow Thomas Südhof von der Stanford University, Nobelpreisträger für Medizin des Jahres 2013, aufklären, wie den „Modulatoren“ der Kommunikation dies gelingt. Ihre Ergebnisse haben sie in der Zeitschrift Cell veröffentlicht.

Der häufigste Botenstoff im Gehirn ist Glutamat. So genannte modulatorische Botenstoffe wie Adrenalin, Dopamin und Serotonin beeinflussen die Signalweiterleitung mit Glutamat und verändern damit unsere Wahrnehmung, unsere Gefühle und unsere Handlungen. Auch alle psychoaktiven Drogen wirken über dieses modulatorische System, bei vielen psychiatrischen Erkrankungen wie Depressionen oder Suchtkrankheiten ist es gestört.

Forscher*innen um Professor Christian Rosenmund vom Institut für Neurophysiologie der Charité und dem Excellenzcluster NeuroCure haben nun mit amerikanischen Kolleg*innen um den Einstein BIH Visiting Fellow Thomas Südhof, Nobelpreisträger für Medizin 2013, herausgefunden, wie dieses neuromodulatorische System funktioniert. „Wir konnten zeigen, dass das Molekül Synapsin hierbei eine bedeutende Rolle spielt“, sagt Dr. Christopher Patzke, Co-Erstautor der Arbeit und PostDoc im Südhof-Labor. „Es sitzt auf der Oberfläche der synaptischen Vesikel und verändert durch die Wirkung von verschiedensten Neuromodulatoren seine Form. Das führt dazu, dass sich die Vesikel in den Synapsen entweder zusammenschließen und mehr Botenstoffe ausschütten, was das Signal verstärkt. Oder die Vesikel ziehen sich aus der Synapse zurück, schütten weniger Botenstoff aus und das Signal wird abgeschwächt.“

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Dass die Wissenschaftler*innen diese Vorgänge nun erstmals beobachten konnten, verdanken sie einer neuen Technik des Rosenmund-Labors: „Wir stimulieren isolierte Nervenzellen elektrisch und schockgefrieren sie zeitlich hochpräzise mit Flüssigstickstoff“, erklärt Co-Erstautorin Dr. Marisa Brockmann, PostDoc im Rosenmundlabor. „Im Elektronenmikroskop konnten wir anschließend die winzigen, ultraschnellen Bewegungen wie unter Zeitlupe beobachten.“

Nobelpreisträger Thomas Südhof freut sich über die erfolgreiche Zusammenarbeit. „Wir wissen, dass Mutationen im Synapsin-Gen Entwicklungsstörungen, Epilepsie und Autismus auslösen können. Durch unsere Arbeit verstehen wir jetzt besser, warum das so ist und darüber hinaus haben wir nun einen potentiellen Weg, wie eine medikamentöse Behandlung erfolgen kann.“ „Diese Arbeit ist nicht nur von fundamentaler Bedeutung, um die Funktion unseres Gehirns zu verstehen. Sie zeigt auch, wie die Synapsenfunktion bei psychiatrischen Erkrankungen gestört sein kann“, sagt Christian Rosenmund. „Die Zusammenarbeit unserer Labore hat sich hier ideal ergänzt und wir sind froh und dankbar, mit der Stiftung Charité, der Einstein Stiftung Berlin und dem Berlin Institute of Health Institutionen zu haben, die es uns erlauben, in diesem spannenden Forschungsprojekt zu kollaborieren.“

Professor Axel Radlach Pries, Vorstandsvorsitzender des BIH (Interim) und Dekan der Charité, zeigte sich erfreut über die aktuelle Publikation in der Zeitschrift Cell: „Die hervorragende Arbeit von Christian Rosenmund und Thomas Südhof bestätigt uns darin, dass es eine gute Idee ist, exzellente Köpfe am Berlin Institute of Health zusammen zu bringen.“

Seit 2014 fördert die Stiftung Charité mit dem Programm der „Einstein BIH Visiting Fellows“ als Teil ihrer Privaten Exzellenzinitiative Johanna Quandt den Aufenthalt von herausragenden Wissenschaftlern am Berlin Institute of Health, dem BIH. Ziel ist es, innovative Forschungsprojekte zu verfolgen, Kontakte zu herausragenden Wissenschaftler*innen und deren Heimatinstitutionen zu fördern, und damit sowohl die biomedizinische Forschung in Deutschland als auch den Wissenschaftsstandort Berlin voranzubringen.


Originalpublikation:

Patzke et al., 2019, Neuromodulator Signaling Bidirectionally Controls Vesicle Numbers in Human Synapses, Cell (2019) https://doi.org/10.1016/j.cell.2019.09.011


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW