Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Risikoscore aus den USA ist deutschen Risikorechnern überlegen



Teilen: 

12.02.2019 17:39

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Risikoscore aus den USA ist deutschen Risikorechnern überlegen

Für die USA entwickelter Risikoscore sagt das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse auch für die deutsche Bevölkerung am besten vorher

Ein in den USA entwickelter Risikoscore, mit dessen Hilfe das individuelle Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen eingeschätzt werden kann, ist auch für deutsche Patienten besser geeignet als die in Deutschland geläufigen und von den Fachgesellschaften empfohlenen Risikorechner – so das Ergebnis einer aktuellen Studie, die an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg durchgeführt wurde.

Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, wie Herzinfarkt und Schlaganfall, zählen nach wie vor zu den häufigsten Erkrankungen in Deutschland und sind Todesursache Nummer eins. Der Einfluss zahlreicher Risikofaktoren für Herz- und Gefäßerkrankungen ist gut untersucht und in zahlreichen Studien dokumentiert. Das Gesamtrisiko für vaskuläre Ereignisse setzt sich aus dem Wirken vieler verschiedener Risikofaktoren zusammen und lässt sich entsprechend abschätzen, wenn einzelne Parameter bekannt sind.

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

In der Vergangenheit wurden verschiedene Scoring-Systeme entwickelt, mit deren Hilfe das individuelle Risiko, innerhalb der nächsten 10 Jahre einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erleiden und gegebenenfalls daran zu versterben, berechnet werden kann. Die Risikorechner dienen der Primärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen: Sie ermöglichen dem praktisch tätigen Arzt, Risikopatienten zu identifizieren und deren Behandlung entsprechend anzupassen und motivieren Betroffene eines erhöhten Risikos dazu, dieses positiv zu beeinflussen indem sie ihren Lebensstil verbessern, etwa indem sie körperlich aktiv werden, sich gesund ernähren oder auch lernen mit Stressfaktoren besser umzugehen.

In den USA wurde vor einigen Jahren ein neuer Risikoscore für die dortige Bevölkerung entwickelt, der ASCVD (atherosclerotic cardiovascular disease) Risikoscore, zu dessen Berechnung knapp 25.000 Personen aus verschiedenen US amerikanischen Kohorten mit einem langjährigen Follow-up von mindestens 10 Jahren herangezogen wurden.

In Deutschland werden verschiedene Risikoscores verwendet, darunter vor allem ARRIBA, PROCAM und der ESC-Heart Score. ARRIBA basiert auf dem Framingham-Algorithmus und wird – obwohl wissenschaftlich nicht evaluiert – von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin empfohlen und vor allem von Hausärzten im Rahmen der Check-up Untersuchung genutzt. PROCAM ist ein in Deutschland entwickelter Score. Der ESC-Heart-Score wird von den kardiologischen Fachgesellschaften in Deutschland (Deutsche Gesellschaft für Kardiologie) und Europa (European Society of Cardiology) empfohlen.

Wissenschaftler des Mannheimer Instituts für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin (MIPH) und der V. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) haben den ASCVD Risikoscore und neun in Deutschland am häufigsten verwendete Risikorechner verglichen. Sie ermittelten jeweils das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall sowie die Sterblichkeit durch diese Erkrankungen in zehn Jahren, bezogen auf eine deutsche Population in der Primärversorgung.

In ihrer aktuell veröffentlichten Arbeit zeigen sie, dass der ursprünglich für die Bevölkerung der USA entwickelte Risikoscore ASCVD den in Deutschland verwendeten Risikorechnern überlegen ist: Er ist überraschenderweise auch für deutsche Patienten ausgezeichnet kalibriert, über eine große Altersspanne valide und berechnet als Endpunkte sowohl den nicht-tödlichen Herzinfarkt und Schlaganfall als auch diese Ereignisse mit Todesfolge. Die Ergebnisse der Studie empfehlen, den amerikanischen ASCVD Score auch in Deutschland zu verwenden.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

PD Dr. med. Tanja Grammer
Universitätsmedizin Mannheim
Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg
Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin (MIPH)
Ludolf-Krehl-Straße 7-11
D-68167 Mannheim
Tel. +49 621 383-71819
E-Mail: tanja.grammer@medma.uni-heidelberg.de


Originalpublikation:

Cardiovascular risk algorithms in primary care: Results from the DETECT study
Tanja B. Grammer, Alexander Dressel, Ingrid Gergei, Marcus E. Kleber, Ulrich Laufs, Hubert Scharnagl, Uwe Nixdorff, Jens Klotsche, Lars Pieper, David Pittrow, Sigmund Silber, Hans-Ulrich Wittchen & Winfried März
Scientific Reports 9, Article number: 1101 (2019)
31 January 2019


Anhang

attachment icon Pressemitteilung

Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW