Neue bildverarbeitende Methoden beschleunigen Medikamentenstudien



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04.02.2021 14:15

Neue bildverarbeitende Methoden beschleunigen Medikamentenstudien

Mit einem Forschungsprojekt rund um die Krankheit Mukoviszidose bereichern Medizin und Informatik das Feld mit neuen Erkenntnissen. Die Forscherin der unibz Paola Lecca entwirft bildverarbeitende Methoden, anhand derer das Volumenwachstum von kleinsten organischen Strukturen in medizinischen Bildern berechnet werden kann. Die Physikerin an der Fakultät für Informatik liefert damit wertvolle Grundlagen, um Medikamentenstudien zu beschleunigen. Die Bioinformatik ist ein Forschungsbereich, der immer stärker in den Fokus rückt.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Bei Mukoviszidose handelt es sich eine angeborene schwere Stoffwechselerkrankung, die auf eine Mutation im CFTR-Gen zurückzuführen ist. Um für die Behandlung dieser Mutation neue Medikamente zu entwickeln, setzt ein Ärzteteam der Universität Verona auf den Einsatz von Darmorganoiden. Bei einem Organoid handelt es sich um eine vereinfachte, miniaturisierte Version eines dreidimensional in vitro hergestellten Organs, welches realistische mikroanatomische Eigenschaften aufweist. Diese Organoide werden im Labor mit verschiedenen neuen Medikamenten behandelt, wobei das Wachstum per Video unter einem Mikroskop minutiös aufgezeichnet wird. Wirkung und Effektivität der Medikamente werden durch die Formveränderung des Organoids bestimmt: organoides Wachstum ist anisotrop (also unregelmäßig), weswegen die Forscher eine Vielzahl an Videobildern für die genaue Volumenberechnung benötigen.

Für diese bioinformatische Herausforderung haben die Fakultät für Informatik an der Freien Universität Bozen und das Forschungsinstitut Bruno Kessler das Projekt CORVO initiiert, welches im Zeitraum von zwei Jahren einen mathematischen Grundsatz liefert, um das Volumen von Organoiden in medizinischen Bildern anhand der Fallstudie Mukoviszidose zu berechnen. CORVO steht dabei für Computing ORganoid’s VOlume. CORVO ist auch der Name der Software, die die Organoide in den medizinischen Bildern erkennt. Die Software wurde gemeinsam mit der Forschungsgruppe „Technologies for Vision“ der Stiftung Bruno Kessler entwickelt. Die Software analysiert zeitliche Sequenzen dreidimensionaler Bilder von physiologischen Lösungen, in die einige Organoide eingetaucht sind. Durch einen Prozess, der Segmentierung genannt wird, identifiziert CORVO in jedem Bild die Regionen, die von den Organoiden besetzt sind, und berechnet deren Volumen. Dieses von der FBK-Forscherin Michela Lecca entwickelte Verfahren läuft vollständig automatisch ab, erlaubt aber dank einer speziell für das medizinische Personal konzipierten Benutzeroberfläche, mit der Software zu interagieren, um zum Beispiel Organoide von besonderem klinischen Interesse auszuwählen.

CORVO integriert schließlich eine statistische Analyse der zeitlichen Variationen des Volumens der Organoide, die es erlaubt, die unterschiedlichen Reaktionen der Organoide auf die verschiedenen pharmakologischen Behandlungen zu unterscheiden. „Die Bioinformatik ist für uns als Fakultät strategisch sehr interessant, zeigt sie doch die Bedeutung der Informatik für die Medizin auf“, unterstreicht Dekan Prof. Claus Pahl.

„An der Fakultät für Informatik der unibz habe ich eine mathematische Methode entwickelt, die auf fortgeschrittenen statistischen Techniken basiert und die es uns erlaubt, in der medizinischen Umgebung zu identifizieren, welche Organoide sich unter Beibehaltung einer sphärischen Form und welche sich in unregelmäßigen Formen entwickeln“, erläutert Paola Lecca. „Darm-Organoide könnte man bildlich als Ballons beschreiben, die durch viele Öffnungen mit Wasser gefüllt werden können: diese CFTR-Kanäle sind bei Mukoviszidose defekt. Da der Wassereintritt maßgeblich von der Öffnung der CFTR-Kanäle abhängt, haben Organoide von gesunden Personen aufgrund der Aktivität gut funktionierender CFTR-Kanäle ein geschwollenes und rundes Aussehen; im Gegensatz dazu erscheinen Organoide von erkrankten Patienten in sich gefaltet, volumenreduziert und nicht kugelförmig. Regelmäßiges Wachstum des Organoids als Reaktion auf ein Medikament ist ein Hinweis auf die Wirksamkeit dieses Medikaments. Abnahme und Zusammenbruch des Organoids sind Indikatoren dafür, dass das Medikament nicht wirksam ist“, so die Forscherin. Diese Unterscheidung durch die Berechnung von Volumina wäre ohne die Hilfe von Software und Algorithmen, die auf soliden mathematischen Grundlagen basieren, nicht möglich.“

Die experimentellen Daten für die Studie wurden vom Labor für angewandte Forschung bei Mukoviszidose der Medizinischen Fakultät (Sektion Allgemeine Pathologie) der Universität Verona unter der Leitung von Claudio Sorio und in Zusammenarbeit mit Ärzten des Mukoviszidose-Zentrums von Verona „Azienda Ospedaliera Integrata” (Paola Melotti) erstellt.

Paola Lecca forscht im Team der Professoren Bruno Carpentieri im LACS-Labor und Diego Calvanese in der Smart Data Factory der Freien Universität Bozen. Ursprünglich aus Trient stammend, studierte Paola Lecca theoretische Physik an der Universität von Trient, wo sie später in Computerwissenschaften und Telekommunikation promovierte. Sie hat ihr Rechenmodell in diesem Jahr bereits auf dem IEEE Symposium on Computational Intelligence und der Konferenz für Bioinformatik und Computational Biology vorgestellt.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Paola Lecca


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW