Neuer Therapieansatz beim Prostatakarzinom: Gezielte Auslösung des programmierten Zelltods



Teilen: 

22.06.2020 12:00

Neuer Therapieansatz beim Prostatakarzinom: Gezielte Auslösung des programmierten Zelltods

Konventionelle Therapien wie Androgenentzug, Chemotherapie oder Strahlentherapie sollen Stress in Prostatakrebszellen auslösen, der den programmierten Zelltod (Apoptose) in Gang setzt. Die Krebszellen produzieren jedoch viele sogenannte anti-apoptotische Proteine, die wesentliche Elemente des Apoptosewegs blockieren. Dadurch kann es zum Therapieversagen und zur Tumorprogression kommen. In einem von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Forschungsprojekt haben Wissenschaftler um Philipp Wolf vom Universitätsklinikum Freiburg nun einen neuen Therapieansatz entwickelt, der zur gezielten Reduktion anti-apoptotischer Proteine und zur Auslösung des Zelltodes in Prostatakrebszellen führt.

Ein fein regulierter Signalweg kann in Zellen den programmierten Zelltod (Apoptose) auslösen. Dieser intrinsische Apoptoseweg kann aktiviert werden, um überflüssige oder beschädigte Zellen im Körper abzubauen. Konventionelle Krebstherapien, wie Chemotherapie oder Strahlentherapie, zielen daher darauf ab, Stress in Tumorzellen auszulösen, der wiederum zur Aktivierung des intrinsischen Apoptosewegs führt. Viele Tumorzellen produzieren jedoch sogenannte anti-apoptotische Proteine, die wesentliche Elemente dieses Signalwegs blockieren. Dadurch können die Tumorzellen therapieresistent werden, was zum Fortschreiten der Tumorerkrankung führen kann.

Auch beim Prostatakarzinom kommt es durch Hochregulierung anti-apoptotischer Proteine zu Therapieresistenzen. In der Vergangenheit wurden deshalb verschiedene Inhibitoren (sogenannte BH3-Mimetika) getestet, die anti-apoptotische Proteine binden und diese dadurch inaktivieren können. Diese Inhibitoren zeigten in klinischen Studien bisher jedoch kaum Wirkung, da sie nicht alle Arten von anti-apoptotischen Proteinen blockierten oder unspezifisch an andere Proteine banden, was zu unerwünschten Nebenwirkungen führte. Deshalb verfolgte die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. rer. nat. Philipp Wolf von der Klinik für Urologie des Universitätsklinikum Freiburg nun in einem von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Forschungsprojekt das Ziel, einen neuen Therapieansatz zu entwickeln, der zur vollständigen Inhibition anti-apoptotischer Proteine führen und spezifisch auf Prostatakrebszellen wirken sollte.

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Im ersten Schritt entwickelte die Arbeitsgruppe ein sogenanntes Immuntoxin, d. h. ein künstlich hergestelltes Protein, welches aus zwei Abschnitten (Domänen) besteht: Die erste Domäne ist ein Antikörperfragment, welches spezifisch an das Prostataspezifische Membranantigen (PSMA) auf der Oberfläche von Prostatakrebszellen bindet. Bei der zweiten Domäne handelt es sich um ein Toxin aus dem Bakterium Pseudomonas aeruginosa, welches enzymatische Wirkung hat und zur Hemmung der zellulären Proteinbiosynthese führt.

Das Immuntoxin bindet über die Antikörperdomäne an PSMA und wird in die Tumorzelle aufgenommen. In der Tumorzelle wird das Toxin von der Antikörperdomäne abgespalten und wandert als zelleigenes Protein getarnt zu den sogenannten Ribosomen. Dies sind submikroskopisch kleine Körnchen, die für den Eiweißaufbau in der Zelle wichtig sind. Dort führt das Toxin innerhalb weniger Stunden zu einer Hemmung der Proteinbiosynthese. Zellen ohne PSMA-Expression werden durch das Immuntoxin nicht beeinträchtigt, was die hohe Spezifität des Immuntoxins unterstreicht.

Nach Behandlung mit dem anti-PSMA-Immuntoxin kam die Produktion anti-apoptotischer Proteine mit kurzer Halbwertszeit in den Tumorzellen binnen 48 Stunden komplett zum Erliegen. Deshalb kombinierte das Forscherteam das Immuntoxin mit niedrigen Dosen des BH3-Mimetikum ABT-737, welches anti-apoptotische Proteine mit langer Halbwertszeit blockiert. Während sowohl das Immuntoxin als auch ABT-737 alleine jeweils keine Wirkung zeigten, konnte durch Kombination beider Substanzen der intrinsische Apoptoseweg in Tumorzelllinien aktiviert werden, die unterschiedliche Stadien des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms repräsentieren. Nach 48 Stunden konnte die Anzahl lebender Tumorzellen um bis zu 80 Prozent reduziert werden. Durch die Kombinationstherapie gelang es Philipp Wolf und seiner Arbeitsgruppe zudem, das Wachstum von Prostatatumoren im Mausmodell deutlich zu verlangsamen, was in einer nahezu doppelten Überlebenszeit der Tiere resultierte. Die Forschungsergebnisse der Freiburger Wissenschaftler wurden am 22.06.2020 in der Fachzeitschrift Cancers (Masilamani AP et al. Cancers 12(6):1648, 2020) veröffentlicht.

Die Kombination aus anti-PSMA-Immuntoxin und BH3-Mimetikum ABT-737 stellt den ersten Therapieansatz beim Prostatakarzinom dar, der tumorspezifisch auf Ebene der anti-apoptotischen Proteine wirkt. Für die Arbeiten zum Projekt wurde Philipp Wolf mit dem 2. Preis des Clinical Science Award der Deutschen Gesellschaft für Immun- und Targeted Therapie (DGFIT) 2018 ausgezeichnet. Ziel ist es, den Ansatz in den nächsten Jahren präklinisch und klinisch weiterzuentwickeln, sodass künftig Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom von ihm profitieren können.

Kontakt:
Henrike Boden
Wilhelm Sander-Stiftung
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit & Stiftungskommunikation
Tel.: +49 (0) 89 544187-0
Fax: +49 (0) 89 544187-20
E-Mail: boden@sanst.de

Wilhelm Sander-Stiftung: Partner innovativer Krebsforschung
Die Wilhelm Sander-Stiftung hat dieses Forschungsprojekt mit rund 156.000 Euro unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt rund 245 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz ausbezahlt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. rer. nat. Philipp Wolf
Zentrale Klinische Forschung (ZKF)
Klinik für Urologie
Universitätsklinikum Freiburg
Breisacher Str. 66
79106 Freiburg
Tel.: +49 (0) 761 270-28921
Fax: +49 (0) 761 270-28922
E-Mail: philipp.wolf@uniklinik-freiburg.de
https://www.uniklinik-freiburg.de/urologie/forschung/experimentelle-urologie.htm…


Originalpublikation:

Masilamani AP, Dettmer-Monaco V, Monaco G, Cathomen T, Kuckuck I, Schultze-Seemann S, Huber N, Wolf P. An Anti-PSMA Immunotoxin Reduces Mcl-1 and Bcl2A1 and Specifically Induces in Combination with the BAD-Like BH3 Mimetic ABT-737 Apoptosis in Prostate Cancer Cells. Cancers. 2020; 12(6):1648.
https://www.mdpi.com/2072-6694/12/6/1648


Weitere Informationen:

https://wilhelm-sander-stiftung.de/


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW