Neuronale Schaltzentrale steuert Hirnzustand



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18.12.2019 19:00

Neuronale Schaltzentrale steuert Hirnzustand

Ein Schaltkreis im Gehirn fungiert als Impulsgeber

Bitte beachten Sie die Sperrfrist. Sie endet heute, 18. Dezember, um 19:00 Uhr.

Einem internationalen Team von Neurowissenschaftlern ist es gelungen, einen Mechanismus im Gehirn von Zebrafischlarven auszumachen, der zwischen zwei Motivationsstufen hin- und herschaltet. Mit modernsten bildgebenden Verfahren konnte das Team auch einen zentralen Schaltkreis serotoninproduzierender Neuronen in diesem in der Forschung häufig verwendeten Modellorganismus lokalisieren. Wie dieser Schaltvorgang im Gehirn funktioniert, war bisher eine in den Neurowissenschaften unbeantwortete Frage. Nun wurde ihre Entdeckung in Nature erstmals vorgestellt.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Laut ihrer Studie, die am Rowland Institute der Harvard University durchgeführt wurde, handelt es sich bei diesem Mechanismus um einen zentralen Datenknoten von Neuronen, die kontinuierlich ein bestimmtes Signal senden und damit die Aktivität im Gehirn dynamisch koordinieren. In einem Zustand konzentriert sich der Fisch mit langsamen Bewegungen auf die Jagd nach Beute. Im anderen Fall erkundet das Tier mit flinken Bewegungen seine Umgebung.

Die Forschergruppe bestehend aus João Marques, Meng Li, Diane Schaak, Drew Robson und Jennifer Li hat diese zwei unterschiedlichen Hirnzustände so identifiziert: Während des Beutefangs sind Fische hoch fokussierte und effiziente Jäger. Während der reinen Erkundung neigen sie zur Unruhe und sind, was Beute betrifft, unachtsam. Ihre Aufmerksamkeit als Jäger und Fokussierung auf Beutefang ändert sich jeweils schlagartig.

“Die neuronale Aktivität an diesem zentralen Knotenpunkt im Gehirn ist bemerkenswert. Zeitlich betrachtet fallen die Signalintensität und der Moment der Verhaltensänderung zusammen. Der Verlauf ist asymmetrisch, erreicht schnell einen Höhepunkt und fällt dann langsam ab”, erklärten Jennifer Li und Drew Robson, die die Hauptautoren dieser Studie sind.

Entdeckung eines elektrochemischen Uhrwerks im Gehirn

Mit einem von den Wissenschaftlern selbst entwickelten Tracking-Mikroskop ist es möglich, die Verhaltensphänomene der Zebrafische in freier Umgebung zu verfolgen. Die kleinen Fischlarven schwimmen ohne Beeinträchtigung umher, während die Wissenschaftler mit ihrem Mikroskop durch die sehr dünne und transparente Kopfhaut die Aktivität des Gehirns in Echtzeit optisch aufzeichnen und analysieren können.

Ihre technische Erfindung verhalf ihnen schließlich dazu, dieses elektrochemische Uhrwerk im Gehirn auszumachen, das die zeitliche Struktur von Motivation und Entscheidungsfindung zu beeinflussen scheint. Laut der Autoren gibt es Hinweise darauf, dass dieser Mechanismus im Laufe der Evolution entstand und erhalten blieb. Eine vereinfachte Form davon dürfte auch die Bewegung von Würmern steuern, und eine komplexere Variante könnte die kortikale Aktivität bei Säugetieren und möglicherweise beim Menschen koordinieren. Es werden weiterführende Studien notwendig sein, um vollständig zu verstehen, warum und wie sich dieser Schaltmechanismus im Laufe der Evolution entwickelte und auch erhalten blieb.

Über die Studienleiter Jennifer Li und Drew Robson

Jennifer Li und Drew Robson forschen auf Systemebene seit über einem Jahrzehnt zu Grundverständnissen neuronaler Schaltungen und wie sie moduliert werden. Seit 2014 leiteten Jen und Drew gemeinsam ein Labor (rolilab.org), zunächst als Rowland Fellows zwischen 2014 und 2019 an der Harvard University und nun als Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen.

Jennifer Li erhielt ihren B.A. in Molekularbiologie von der Princeton University, wo sie im Labor von Eric Wieschaus im Fachgebiet der Entwicklungsbiologie arbeitete. Sie promovierte an der Harvard University und forschte dort in den Labors von Alexander F. Schier und Florian Engert an Fragestellungen zu operantem Lernen und neuronaler Bildgebung.

Drew Robson erhielt seinen B.A. in Mathematik von der Princeton University und war in den Laboratorien von Olga Troyanskaya und Eric Wieschaus in den Fachbereichen Computerbiologie und Biophysik tätig. Er promovierte an der Harvard University, wo er im Labor von Alexander F. Schier und Florian Engert in den Forschungsfeldern thermosensorischen Verhaltens und neuronaler Bildgebung arbeitete.

Diese Studie wurde am Rowland Institute der Harvard University (Cambridge, Massachusetts, USA) durchgeführt. Bitte beachten Sie auch einen Bericht zu diesem Thema, der in The Harvard Gazette online erscheinen wird.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Jennifer Li, PhD
Forschungsgruppenleiterin
Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik
Telefon: +49 7071 601 1601
e-Mail: jennifer.li@tuebingen.mpg.de

Drew Robson, PhD
Forschungsgruppenleiter
Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik
Telefon: +49 7071 601 1602
e-Mail: drew.robson@tuebingen.mpg.de


Originalpublikation:

DOI: 10.1038/s41586-019-1858-z


Weitere Informationen:

http://news.harvard.edu/gazette/


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW