Österreichische Forscher testen Corona-Medikamente an SARS-CoV-2-Virusproben



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29.06.2020 11:15

Österreichische Forscher testen Corona-Medikamente an SARS-CoV-2-Virusproben

Im BSL-3 Labor an der Medizinischen Universität Graz, dem Labor mit der höchsten Sicherheitsausstattung Österreichs, werden aktuell mögliche Medikamente auf ihre Wirkung gegen SARS-CoV-2-Erreger in Zellkulturexperimenten getestet. In dem interdisziplinären Forschungsprojekt setzen sich das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib), die Medizinische Universität Graz und das Grazer Biotech-Unternehmen Innophore zum Ziel, eine vorklinische Wirkstoff-Datenbank aufzubauen. Antivirale Medikamente sollen somit wesentlich schneller zu einer klinischen Anwendung geführt werden. Weiters werden Medikamente zur Therapie bereits infizierter COVID-19-PatientInnen entwickelt.

Global geht die Entwicklung von Impfstoffen gegen das Coronavirus mit noch nie gesehener Geschwindigkeit voran. Dennoch dauert es oft Jahre, bis eine geeignete Impfung vorliegt. Daher konzentriert sich ein Forschungsprojekt des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib), der Medizinischen Universität Graz und des Grazer Biotech-Unternehmens Innophore zusätzlich auf das Auffinden, Evaluieren und vorklinische Testen einer bestimmten Klasse an Wirkstoffen, die schnellere Verfügbarkeit mit hoher Wirkung verbindet. Die Rede ist von antiviralen Medikamenten, wie sie etwa gegen HIV, MERS oder SARS entwickelt wurden. Sie hemmen Enzyme, die Viren zur Vermehrung benötigen, in ihrer Aktivität und verhindern das Eindringen von Viren in z.B. Lungenzellen. Damit können sie einerseits die Infektion von Zellen verhindern, und andererseits die Vermehrung von Viren in infizierten Zellen unterdrücken. Beide Strategien sind wichtige Säulen für die Therapie von COVID-19-Patienten.

Schneller und näher am Patienten durch bereits am Markt befindliche Medikamente

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Da viele dieser Medikamente bereits am Markt zugelassen sind, lassen sie sich relativ rasch zu Coronamedikamenten umfunktionieren. „Dieses Repurposing hat den Vorteil, dass chemische Substanzen schneller identifizierbar und aufgrund ihrer bereits erfolgten Zulassung für andere Erkrankungen sehr schnell für COVID-19 Patienten anwendbar sind“, erklärt Innophore-CEO und acib-Senior Researcher Christian Gruber, der weiter ausführt: „Im ersten Schritt konzentrieren wir uns darauf, Wirksubstanzen gegen das Coronavirus ausfindig zu machen. Daher screenen wir in einem weiteren Projekt durch den Einsatz von Computermodellierungen und -simulationen über zwei Milliarden einzelne Wirkstoffe gegen COVID-19.“
Im acib-Kooperationsprojekt wird die computergestützte Suche zudem mit Hochdurchsatzscreenings im Labor ergänzt. Robotersysteme testen einerseits die in den Computermodellen vorgeschlagenen Medikamente und andererseits neue Verbindungen aus Bibliotheken hunderttausender chemischer Verbindungen direkt im Labor auf ihre Wirkung. Sie zeigen in Echt, ob die Computermodelle stimmen. Durch den Rückfluss der real gemessenen Daten in die Simulationen kann die Vorhersagegenauigkeit der Computermodelle verbessert werden. „Wir freuen uns, dass wir bereits eine Reihe an potenziellen Wirkstoffkandidaten identifizieren konnten”, verrät Gruber. Aktuell werden diese Ausgangssubstanzen im BSL-3 Hochsicherheitslabor an der Med Uni Graz optimiert und unterschiedlichen in-vitro-Tests unterzogen, um ihre Eignung für spätere klinische Studien abzuklären.

Sichere Umgebung für hochinfektiöse Viren

Um Substanzen auf ihre Wirkung zu testen, müssen sie mit dafür eigens vermehrten, lebenden Erregern wie dem hochinfektiösen SARS-CoV-2 Virus in Zellkulturen zusammengebracht werden. Um den Schutz von Personen und Umwelt zu gewährleisten, ist daher eine Laborinfrastruktur gefordert, wie sie am Med Uni Campus Graz zur Verfügung steht. „Das BSL-3 Labor weist den in Österreich derzeit höchsten verfügbaren Sicherheitsstandard für Labore auf. Schleusensysteme mit unterschiedlichen Dekontaminationsverfahren, abgeschlossener Luftkreislauf mit Filtersystemen und eine hochwertige persönliche Schutzausrüstung für MitarbeiterInnen ermöglichen das sichere Arbeiten mit Mikroorganismen, welche zu schweren Erkrankungen und Epidemien führen können, wie es aktuell beim Erreger SARS-CoV-2 der Fall ist“, sagt Kurt Zatloukal vom Diagnostik- und Forschungsinstitut für Pathologie der Medizinischen Universität Graz. Die in-vitro Tests antiviraler Medikamente folgen dabei drei Phasen: „Diese Erstphase der Covid-19 Experimente wurde bereits erfolgreich abgeschlossen. Dabei führen wir Zytotoxizitätstests durch, um sicherzustellen, dass die Verbindungen keine generelle Schädigung der Zellen verursachen und bestimmen in einem weiteren Schritt, in welcher Konzentration die Substanz eingesetzt werden kann“, so Zatloukal und Gruber. Dazu bekamen sie u.a. von der Medizinischen Universität Wien OC-43-Isolate (einer Untergruppe von Coronaviren) sowie den von der Charité – Universitätsmedizin Berlin isolierten SARS-CoV-2 Virusstamm und Viruskulturen, die von insgesamt 17 steirischen COVID-19-Patienten angelegt wurden und unterschiedliche genetischen Varianten des Virus umfassen.
„Dabei werden mehrere am Computer identifizierte Verbringungen getestet, um die Störung der Replikation von SARS-Cov-2 zu untersuchen. Unter den getesteten Verbindungen sind sowohl Verbindungen, die als Inhibitoren für Replikationsenzyme als auch Inhibitoren, die durch Blockade essentieller viraler Transferasen wirken“, sagt Gruber. Dazu wird das Virus im Labor in Zellsysteme von aus Affen abstammenden Verozellen eingebracht und darin vermehrt. Daraufhin infizieren die Forscher die Zellen – ohne und mit Beigabe des Medikaments in unterschiedlichen Konzentrationen. „Mittels quantitativer Polymerasekettenreaktionen und verschiedener Assays analysieren wir den weiteren Infektionsvorgang und bestimmen den Titer des Virus, also dessen infektiöse Einheiten. Diese Experimente geben uns Aufschluss, ob ein Medikament die Virusvermehrung verhindern kann“, erklärt Zatloukal.

Zellkulturmodelle verringern Tierversuche

In der zweiten, kürzlich gestarteten Prozessphase testen die Forscher die Verbindungen auf ihre Wirkung gegen Covid-19. Um möglichst genau Aufnahme und Wirkung – sowie mögliche Nebenwirkungen – von Medikamenten im menschlichen Körper nachzubilden, kommen sogenannte humane Organoide zum Einsatz: „Das sind im Labor gezüchtete Zellgruppen, deren Aufbau und Fähigkeiten weitgehend denen von Organen gleicht. Diese nächste Generation neuartiger, organischer Tools erlaubt es, die Wirkung von Substanzen in Zellen – außerhalb des Körpers – sehr genau zu untersuchen“, sagt Zatloukal, der weitere Vorteile nennt: „Wir versuchen, möglichst viel Information darüber, wie sich Substanzen im menschlichen Körper verhalten können, in solchen Modellorganen in der Petrischale abzufragen. Damit werden der Einsatz von Tierversuchen verringert und die Entwicklungsdauer von SARS-CoV-2-Medikamenten verkürzt.“

Neue Medikamentengruppen entwickeln

In der letzten Phase testen die Forscher, ob die genetische Diversität verschiedener Virus-Subklassen von SARS-CoV-2 die Wirkungsweise von Medikamenten beeinflusst. Dazu werden die Virus-Isolate der steirischen COVID-19 Patienten sequenziert und gemeinsam mit Referenzstämmen aus anderen Ländern in-vitro und in-silico-Experimenten unterzogen. Dies ist erforderlich, um zu zeigen, dass eine chemische Substanz für einen breiten klinischen Einsatz geeignet sein könnte. „Unsere Forschungsarbeiten betreffen die sogenannte prä-klinische Entwicklungsphase eines Medikamentes. Je umfangreicher und überzeugender die Daten sind, umso größer ist die Chance, dass die Substanzen von der Industrie weiterentwickelt werden und letztendlich zum Einsatz am Menschen kommen. Was wir innerhalb des einjährigen, über das acib finanzierten Projekts, zeigen wollen, ist, dass unser Ansatz, antivirale Medikamente zu identifizieren und auf ihre Wirkung hin zu testen, funktioniert. Was für den kooperativen Ansatz der Zusammenarbeit gilt, könnte laut Zatloukal auch auf den Einsatz von Medikamenten zutreffen: „Womöglich wird es am Ende die Kombination mehrerer Konzepte brauchen, um COVID-19 zu bekämpfen.“

Über acib

Das 2010 gegründete Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) entwickelt neue, umweltfreundlichere und ökonomischere Prozesse für die Industrie (Biotech, Chemie, Pharma) und verwendet dafür die Methoden der Natur als Vorbild und die Werkzeuge der Natur als Hilfsmittel. Das acib, eine Non-Profit-Organisation, ist ein internationales Forschungszentrum für industrielle Biotechnologie mit weltweiten Standorten und Hauptsitz in Graz. acib versteht sich als Partnerschaft von 150+ Universitäten und Unternehmen wie BASF, DSM, Sandoz, Lonza, G.L Pharma, Boehringer Ingelheim RCV, Jungbunzlauer und Evonik. Derzeit forschen und arbeiten 200+ Beschäftigte an mehr als 175 Forschungsprojekten. Eigentümer des acib sind die Universitäten Innsbruck und Graz, die TU Graz, die Universität für Bodenkultur Wien sowie Joanneum Research. Gefördert wird das K2-Zentrum im Rahmen des COMET-Programms durch das BMVIT, BMDW sowie die Länder Steiermark, Wien, Niederösterreich und Tirol. Das COMET-Programm wird durch die FFG abgewickelt.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Mag. Dr.rer.nat. Christian Gruber
CEO Innophore GmbH, acib-Senior Scientist
Phone: +43 316 269 205
E-Mail: christian.gruber@innophore.com

Univ.-Prof. Dr.med.univ. Kurt Zatloukal
Diagnostik- und Forschungsinstitut für Pathologie, Medizinische Universität Graz
Phone: +43 316 385 71731
E-Mail: kurt.zatloukal@medunigraz.at


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch


Quelle: IDW