Risikofreude zeigt sich im Gehirn



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28.01.2021 17:00

Risikofreude zeigt sich im Gehirn

Für Risikoverhalten gibt es eine gemeinsame genetische und neurobiologische Grundlage: Die genetische Disposition für Risikofreude ist in mehreren Arealen des Gehirns abgebildet, wie eine UZH-Studie zeigt. Sie kombiniert erstmals genetische Information mit Gehirnscans von über 25’000 Personen.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Riskante Verhaltensweisen wie Rauchen, Alkohol- und Drogenkonsum, zu schnelles Autofahren oder häufig wechselnde Sexualpartner ziehen enorme gesundheitliche und ökonomische Konsequenzen nach sich. Die damit einhergehenden Auslagen belaufen sich alleine in den USA auf geschätzte 600 Milliarden Dollar jährlich. Um Massnahmen zu definieren, die diese Kosten senken könnten, braucht es ein besseres Verständnis der Grundlagen und Mechanismen von Risikobereitschaft.

Funktionale und anatomische Unterschiede

Ein internationales Forschungsteam um die UZH-Neuroökonomen Gökhan Aydogan, Todd Hare und Christian Ruff hat deshalb in einem ersten Schritt untersucht, welche genetischen Ausprägungen mit Risikoverhalten korrelieren. Auf dieser Basis haben die Wissenschaftler in einer separaten Stichprobe Voraussagen zur Risikofreude gemacht und untersucht, ob sich Gehirne von Personen mit einer genetischen Disposition für Risikobereitschaft von den Gehirnen weniger risikofreudiger Personen unterscheiden. «Wir fanden sowohl funktionale als auch anatomische Unterschiede», fasst Gökhan Aydogan die Erkenntnisse zusammen.

Verschiedene Hirnareale involviert

Spezifische Ausprägungen zeigten sich dabei in mehreren Hirnarealen: Im Hypothalamus, wo über die Ausschüttung von Hormonen (wie Orexin, Oxytocin oder Dopamin) die vegetativen Funktionen des Körpers gesteuert werden, im Hippocampus, der für das Abspeichern von Erinnerungen wesentlich ist, im Dorsolateralen Präfrontalen Cortex, der ein wichtige Rolle bei Selbstkontrolle und kognitivem Abwägen spielt, in der Amygdala, die unter anderem die emotionale Reaktion auf Gefahren steuert, sowie im Ventralen Striatum, das bei der Verarbeitung von Belohnungen aktiv wird.

Überrascht wurde das Team von den messbaren anatomischen Unterschieden, die sie im Kleinhirn entdeckten. Dieses wird in Studien zu Risikoverhalten normalerweise nicht einbezogen in der Annahme, dass es hauptsächlich in feinmotorische Funktionen involviert ist. An dieser Hypothese kamen in den letzten Jahren jedoch deutliche Zweifel auf, die durch die aktuelle Studie nun neuen Auftrieb erhalten. «Es scheint, als würde das Kleinhirn in Entscheidungsprozessen wie dem Risikoverhalten dennoch eine wichtige Rolle spielen», so Aydogan. «Im Hirn von risikobereiteren Personen fanden wir weniger graue Substanz in diesen Arealen. Wie diese graue Substanz das Verhalten beeinflusst, muss allerdings noch untersucht werden.»

Erstmals mehrere Einflussfaktoren in Kombination untersucht

Die Studie betritt in mehrerer Hinsicht Neuland: Es ist das erste Mal, dass die Grundlagen von Risikoverhalten anhand einer so grossen und repräsentativen Stichprobe von 25‘000 Personen untersucht werden. Zudem ist es die erste Studie, die mögliche Einflussfaktoren – die genetische Prädisposition sowie Unterschiede in Anatomie und Funktion von Gehirnarealen – nicht alleinstehend, sondern in Kombination untersucht. Offen bleibt derzeit noch, inwiefern die Zusammenhänge zwischen genetischer Disposition, neurobiologischen Ausprägungen und Risikoverhalten kausal sind, wie Aydogan betont: «Wie genau das Zusammenspiel von Umwelt und Genen unser Risikoverhalten beeinflusst Bedarf weiterer Forschung.»


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Gökhan Aydogan
University of Zurich
Institut für Volkwirtschaftslehre
E-Mail: goekhan.aydogan@econ.uzh.ch


Originalpublikation:

Gökhan Aydogan et al. Genetic Underpinnings of Risky Behaviour Relate to Altered Neuroanatomy. Nature Human Behavior. 28 January 2021. DOI 10.1038/s41562-020-01027-y


Weitere Informationen:

https://www.media.uzh.ch/de/medienmitteilungen/2021/Risikoverhalten.html, verfügbar nach Fallen der Sperrfrist


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Gesellschaft, Medizin, Psychologie, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch


Quelle: IDW