Symbionten als Lebensretter



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14.05.2019 12:19

Symbionten als Lebensretter

ForscherInnen entdecken neuen Faktor bei der Verbreitung von Legionellen

Wenn Menschen an einer bakteriellen Infektion erkranken, steht zunächst die Behandlung der Erkrankung im Vordergrund. Aber woher kommen diese Krankheitserreger eigentlich und wo leben sie, wenn Sie nicht im Zusammenhang mit einer Infektion in Erscheinung treten? Ein internationales Team um Matthias Horn vom Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien hat dies am Beispiel eines Erregers von Lungenerkrankungen untersucht. Die Ergebnisse ihrer Studie erscheinen aktuell in der Fachzeitschrift mBio.

Legionella pneumophila heißt der Erreger der Legionärskrankheit (Legionellose), einer atypischen Lungenentzündung, der für gesunde Menschen eher harmlos ist, bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem aber lebensbedrohlich sein kann. Die Anzahl an Erkrankungen durch Legionellen ist in den 2000er Jahren weltweit stetig gestiegen, mit zuletzt 228 registrierten Fällen und 10 Todesfällen in 2017 in Österreich. Der letzte große Ausbruch in Europa ereignete sich im September 2018 in der italienischen Stadt Brescia. Über 400 Patienten erkrankten an Lungenentzündung und wurden im Spital behandelt.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
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Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Der natürliche Lebensraum der Legionellen sind Sedimente von Seen und Flüssen, sie kommen aber auch in Wasserleitungssystemen vor. “Dort vermehren sie sich in Einzellern, die sie anschließend zerstören. Genau diese Eigenschaft erlaubt Legionellen auch die Infektion des Menschen. Zur Erkrankung kommt es in der Regel erst nachdem sich Legionellen in Einzellern vermehrt haben”, erklärt Matthias Horn vom neu gegründeten Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft, der gemeinsam mit seinem Team und WissenschafterInnen des renommierten Institut Pasteur und der University of Michigan das Leben der Legionellen in Einzellern untersucht hat.

Schutz vor Krankheitserregern
Mit der Fähigkeit in Einzellern zu überleben sind Legionellen nicht allein. Einzeller beherbergen häufig andere Bakterien, die ihnen jedoch nicht schaden, sogenannte Endosymbionten. Das ForscherInnenteam hat nun herausgefunden, dass diese Bakterien maßgeblich die Vermehrung und Verbreitung von Legionellen beeinflussen. In zahlreichen Experimenten konnten Sie nachweisen, dass Legionellen sich weniger gut in Amöben vermehren können, wenn diese Endosymbionten enthalten. Erstaunlicherweise überleben dabei die meisten Amöben mit Endosymbionten die ansonsten letale Infektion mit Legionellen. “Jene Bakterien, die sich vorher in Amöben mit Endosymbionten vermehrt hatten, waren deutlich weniger infektiös, konnten also weit weniger effizient neue Amöben attackieren”, berichtet Lena König, Erstautorin der Studie und Doktorandin am Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft.

Dem molekularen Mechanismus auf der Spur
Um besser zu verstehen, was innerhalb von Amöben passiert, die zeitgleich Endosymbionten beherbergen und von Legionellen infiziert werden, haben sich die WissenschafterInnen die Genexpression beider Bakterien genauer angesehen. “Die RNA-Sequenzierung erlaubt Rückschlüsse auf biologische Ereignisse, die sich innerhalb der Einzeller abspielen”, erklärt Cecilia Wentrup, die als Postdoktorandin maßgeblich am Projekt beteiligt war. König ergänzt: “Dabei haben wir eine Erklärung für die Reduktion der Infektiosität der Legionellen gefunden. Diese scheinen nämlich den natürlichen Endosymbionten der Amöben in der Konkurrenz um Nährstoffe zu unterliegen, die beide von den Einzellern benötigen.” Die Folge: Legionellen vermehren sich langsamer und können für die Infektion von Amöbe und Mensch notwendige Faktoren nicht produzieren. Die Krankheitserreger sind beispielsweise nicht beweglich und es fehlen ihnen wichtige Speicherstoffe.

Vom Labor in die Umwelt
Eine weitere Beobachtung ließ die ForscherInnen aufhorchen. Der Wachstumsstopp funktionierte nicht nur mit den üblicherweise verwendeten Laborstämmen, sondern auch mit frisch aus der Umwelt gewonnenen Amöben, sowie mit kürzlich isolierten Legionellen. Endosymbionten von Amöben sind also nicht nur unter Laborbedingungen, sondern vermutlich auch in der Umwelt ein wichtiger Faktor bei der Vermehrung und Verbreitung von Legionellen. Dies erscheint insbesondere deshalb interessant, da die meisten Einzeller unter natürlichen Bedingungen bakterielle Symbionten tragen. Die aktuelle Studie leistet damit einen wichtigen Beitrag zu einem besseren Verständnis der Lebensweise dieser bakteriellen Krankheitserreger in der Umwelt.

Das Projekt wurde an der Universität Wien im Rahmen des FWF-Projekts “Eukaryotic genes in vacuolar pathogens and symbionts (EUGENPATH)” und eines Marie Skłodowska-Curie Individual Fellowship-Stipendiums durchgeführt.

Publikation in mBio:
Lena König, Cecilia Wentrup, Frederik Schulz, Florian Wascher, Sarah Escola, Michele S. Swanson, Carmen Buchrieser, Matthias Horn. 2019. Symbiont-mediated defense against Legionella pneumophila in amoebae.
DOI: 10.1128/mBio.00333-19


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Univ.-Prof. Dr. Matthias Horn
Department für Mikrobielle Ökologie
Universität Wien
1090 – Wien, Althanstraße 14
+43-1-4277-543 93
matthias.horn@univie.ac.at


Originalpublikation:

https://mbio.asm.org/content/10/3/e00333-19


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW