TUD-Wissenschaftler wollen bisher schwer zerstörbare Krebszellen wehrlos machen



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04.06.2019 10:05

TUD-Wissenschaftler wollen bisher schwer zerstörbare Krebszellen wehrlos machen

Glücklicherweise sind Behandlungen zur Tumorschrumpfung heute in vielen Fällen sehr effizient. Oft jedoch können diese Behandlungen nicht alle Zellen abtöten, was eine Rückkehr des Krebses zur Folge hat. Warum aber schlägt die Therapie bei einigen Krebszellen nicht an? Um dieses Problem zu verstehen, muss man sich die molekularen Mechanismen innerhalb der Krebszellen ansehen. Diese regulieren deren Fähigkeiten, zu wachsen, zu überleben und sich zu teilen – also mehr Zellen zu produzieren.

Wissenschaftler haben viele Mechanismen innerhalb dieser Maschinerie identifiziert und Medikamente und andere Behandlungen entwickelt, die die Teilungsfähigkeit der Krebszellen blockieren oder sie sogar töten. Offensichtlich sind diese Behandlungen aber nicht in der Lage, alle Zellen innerhalb eines Tumors abzutöten. Dies muss folglich bedeuten, dass einige Krebszellen alternative Mechanismen nutzen können, auf die derzeitige Behandlungen keinen Einfluss haben.

Genau solch einen veränderten molekularen Mechanismus, der eigentlich die Regeneration verschiedener Gewebe nach Verletzungen regelt, hat ein Team um Privat-Dozent Dr. Andreas Androutsellis-Theotokis kürzlich entdeckt. In ihrem Labor in der Medizinischen Klinik III des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden wiesen die Forscher dem Mechanismus “STAT3-Ser/Hes3 Signaling Axis” eine wichtige Rolle in der Aktivierung von Stammzellen nach, die in menschlichen Geweben vorkommen und bei verschiedenen Krankheitsbildern dessen Regeneration ermöglichen. Das Team stellte fest, dass der gleiche Mechanismus von einigen Krebszellen, wahrscheinlich auch den bisher schwer fassbaren Krebsstammzellen, übernommen werden könnte, um den derzeitigen Therapien zu entgehen und den Tumor zu regenerieren.

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Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Research Fellow Dr. Steven W. Poser und Kollegen testeten diese Idee, indem sie Zellen von mehreren Patienten mit aggressivem Hirntumor verwendeten. Sie zeigten, dass diese Zellen tatsächlich von der Nutzung der bisher bekannten molekularen Mechanismen auf die Nutzung dieses neu entdeckten Mechanismus umsteigen können. Je nachdem, welchen Mechanismus die Krebszellen verwendeten, waren bestimmte Behandlungen bei ihnen wirkungsvoll oder wirkungslos.

Das Team um Androutsellis-Theotokis hat daraufhin ein internationales und interdisziplinäres Kooperationsprojekt ins Leben gerufen, um diesen neuen Zustand der Krebszellen im Hinblick darauf zu charakterisieren, welche Gene ein- und ausgeschaltet werden, welche mechanischen Eigenschaften betroffen sind (diese sind bei der Metastasierung wichtig, da sie die Bewegung und Ausbreitung der Zellen im Gewebe regulieren) und um Behandlungen zu finden, die die Zellen gezielt töten, wenn diese den neu entdeckten molekularen Mechanismus zum Einsatz bringen. Auf diese Weise war es ihnen möglich, diesen „Fluchtweg“ der Krebszellen zu blockieren. Die Ergebnisse wurden jetzt im Journal of the Federation of American Societies for Experimental Biology (FASEB J; https://www.fasebj.org/doi/10.1096/fj.201802603RR) veröffentlicht.

Die Forscher identifizierten zwischenzeitlich mehrere Behandlungen, die bei Anwendung des neu beschriebenen Mechanismus durch die Krebszellen diese gezielt töten. Tatsächlich sind mehrere Behandlungen so spezifisch, dass sie die Zellen nur bei deren Anwendung des neuen Mechanismus töten, jedoch nur minimale Auswirkungen haben, wenn die Zellen die bisher bekannten, klassischen Krebswachstumsmechanismen nutzen.

Viele der identifizierten, möglichen Behandlungen sind derzeit für den Einsatz bei verschiedenen anderen Befunden (nicht Krebs) zugelassen und könnten daher möglicherweise in der Onkologie wiederverwendet werden. Andere Behandlungen, wie das direkte Targeting des Gens Hes3 mittels RNA-Interferenzmethoden, wären neu. Um die Möglichkeit zu beschleunigen, diese neuen Therapiemöglichkeiten in die Klinik einzubringen, hat die Technische Universität Dresden mit Unterstützung der transCampus-Initiative (eine offizielle Zusammenarbeit zwischen der Technischen Universität Dresden in Deutschland und dem King’s College in London, Großbritannien) und dem TransCellerator ein Spin-off-Venture – Innate Repair – gegründet. Während der Fokus zunächst auf aggressiven Hirntumoren liegt, gibt es bereits zahlreiche Hinweise darauf, dass der gleiche Mechanismus bei vielen weiteren Krebsarten funktioniert. Die Arbeit bietet eine neue Logik und Methode, um Behandlungen zu identifizieren, die diese schwer zu tötenden Krebszellen vernichten


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

PD Dr. Andreas Androutsellis-Theotokis, PhD
Technische Universität Dresden
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Medizinische Klinik und Poliklinik III
Tel.: +49 351 458 3207
E-Mail: andreas.theotokis@uniklinkum-dresden.de


Originalpublikation:

„Controlling distinct signaling states in cultured cancer cells provides a new platform for drug discovery“, Journal of the Federation of American Societies for Experimental Biology (FASEB J; https://www.fasebj.org/doi/10.1096/fj.201802603RR)


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch


Quelle: IDW