Verbindungen von Nervenzellen entscheidend für Erinnern und Lernen



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30.11.2020 10:51

Verbindungen von Nervenzellen entscheidend für Erinnern und Lernen

Erinnerungen sind Teil unseres Lebens, die guten wie die schlechten. Über unsere Sinne gelangt Erlebtes in unser Gehirn, wo es Netzwerke aus Nervenzellen zu einer Erinnerung kodieren. Warum sich nur bestimmte Nervenzellen dafür zusammenschließen war bisher unklar. Forscher haben nun herausgefunden, dass stabile Verbindungen von Nervenzellen eine wichtige Basis dafür sind, dass Erinnerungen erzeugt werden. Flexible Verbindungen dagegen sind für das Lernen verantwortlich.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Wieso werden nur bestimmte Nervenzellen Teil einer Erinnerung? Um diese Frage zu beantworten, untersuchten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie und des Weizmann Institute of Science einen Teil des Gehirns, der für die Erinnerung und das Lernen wichtig ist, den Hippocampus. Dafür verwendeten sie eine innovative Technik (Deep-Brain Two-Photon Mikroskopie), mit deren Hilfe sie die Struktur und Funktion von tiefliegenden Gehirnregionen ansehen konnten.

Sieben Tage lang beobachteten die Forscher die neuronalen Vernetzungen der Gehirnzellen von Mäusen. Danach sahen sie, wie einige dieser Nervenzellen während einer neuen Erfahrung als Netzwerk aktiv wurden. “Wir konnten zum ersten Mal Neuronen dabei beobachten, wie sie eine neue Erfahrung kodieren und ihre Vernetzungen nicht nur nach diesem Prozess, sondern auch schon davor untersuchen”, erklärt Alessio Attardo, Projektgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Psychiatrie.

Die Nervenzellen, die später ein Teil einer Erinnerung wurden, zeigten schon vorher eine stabilere Verbindung zueinander als diejenigen, die nicht Teil der Erinnerung wurden. In einem zweiten Schritt stellten die Wissenschaftler den Mäusen eine Lernaufgabe. Die Nager mit den stabil vernetzten Nervenzellen im Hippocampus lernten schlechter als die Mäuse, die flexible neuronale Verbindungen zeigten. Daraus folgerte das Forscherteam, dass stabile Verbindungen zwischen bestimmten Nervenzellen begünstigen, dass diese neue Erinnerungen bilden. Flexible Verbindungen zwischen Nervenzellen hingegen ermöglichen besseres Lernen.

Diese Ergebnisse wurden kürzlich im Journal PLOS Biology veröffentlicht. Sie werfen ein neues Licht auf die zellulären Mechanismen, die es Netzwerken von Nervenzellen im Gehirn ermöglichen, Erfahrungen zu kodieren und Erinnerungen zu erzeugen. „Das Verständnis dieser Mechanismen könnte dazu beitragen, bessere Strategien zur Behandlung von Lern- und Gedächtnisdefiziten im Zusammenhang mit verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen zu entwickeln“, sagt Attardo.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Alessio Attardo


Originalpublikation:

https://doi.org/10.1371/journal.pbio.3000928


Weitere Informationen:

https://www.psych.mpg.de/nervenzellen-erinnern-lernen


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW