Was Nanopartikel von Grippeviren lernen können – Forschung an einer Therapie gegen Nierenversagen



Teilen: 

08.05.2019 11:30

Was Nanopartikel von Grippeviren lernen können – Forschung an einer Therapie gegen Nierenversagen

Bislang verlieren Nanoteilchen, die in der Medizin zum Transport von Arzneimitteln in Körperzellen eingesetzt werden, in komplexen Gewebestrukturen die Orientierung. Ein Regensburger Forscherteam hat sich einen Trick von Viren des Typs Influenza A abgeschaut und Nanopartikel geschaffen, die zuverlässig den gewünschten Zelltyp erreichen.

Nanoteilchen sind Partikel, die über 1.000 Mal kleiner sind als der Durchmesser eines Menschenhaares. Im medizinischen Bereich werden Nanoteilchen zum Beispiel eingesetzt, um Arzneistoffe in Tumore einzuschleusen. Doch die Hoffnungen, die die Medizin in Nanoteilchen gesetzt hat, haben sich nicht in allen Bereichen erfüllt. So waren die Partikel bislang kaum in der Lage, verschiedene Zellen eines Gewebes voneinander zu unterscheiden und gezielt eine bestimmte Zellart anzusteuern. Die menschliche Netzhaut beispielsweise besteht aus mehr als 60 unterschiedlichen Zelltypen und ist damit so komplex, dass medizinische Nanopartikel hier zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht effizient eingesetzt werden können. Zu groß wären der Wirksamkeitsverlust und zugleich auch die Gefahr von gravierenden Nebenwirkungen.

Forscherinnen und Forscher des Regensburger Lehrstuhls für Pharmazeutische Technologie ist es nun – im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projektes – gelungen, Nanopartikel zu entwickeln, die erstmals in der Lage sind, einzelne Zelltypen zu erkennen und mit diesen kontrolliert in Wechselwirkung zu treten. Die grundsätzliche Idee dahinter haben sich die Wissenschaftler von Grippeviren (Influenza A) abgeschaut und das Funktionsprinzip auf Nanoteilchen von 50 bis 80 Nanometer Größe übertragen.

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Wie die Forschungsgruppe in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America berichtet, werden die Teilchen ähnlich wie bei den Viruspartikeln zuerst von einem Enzym in der Zellmembran der Zielzelle erkannt und aktiviert. Dabei legt das Enzym durch chemische Reaktion eine Erkennungsstruktur frei, die es dem Nanopartikel erlaubt, an Rezeptoren auf der Zielzelle zu binden. Diese Bindung ist Auslöser dafür, dass die Nanoteilchen in die Zielzelle aufgenommen werden – genauso läuft der Prozess auch bei Influenza A-Viren ab. Mithilfe dieses Vorgangs hat das Regensburger Team die weltweit ersten Nanopartikel entwickelt, die es schaffen, Zellen zuverlässig voneinander zu unterscheiden.

Konkret können Regensburger Nanoteilchen die Zellen des sogenannten Mesangiums der Niere erkennen und von ihnen aufgenommen werden. Diese Zellen sind maßgeblich an der Entstehung diabetischer Nierenerkrankungen beteiligt, die unbehandelt zu vollständigem Nierenversagen führen. Professor Dr. Achim Göpferich, Inhaber des Regensburger Lehrstuhls für Pharmazeutische Technologie, erklärt: „Nach diesem Durchbruch hat unsere Arbeit jetzt zum Ziel, nanomedizinische Arzneimittel für Erkrankungen der Nieren zu entwickeln, für die es derzeit keine
Behandlungsmöglichkeiten gibt – wie zum Beispiel für die diabetische Nephropathie, also den Nierenschaden bei Diabetes.“


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Achim Göpferich
Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie
Telefon 0941 943-4843
E-Mail achim.goepferich@ur.de


Originalpublikation:

Sara Maslanka Figueroa, Anika Veser, Kathrin Abstiens, Daniel Fleischmann, Sebastian Beck, and Achim Göpferich. „Influenza A virus mimetic nanoparticles trigger selective cell uptake“
PNAS – Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 2019 DOI: https://doi.org/10.1073/pnas.1902563116


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW