Weniger (Antibiotika) ist mehr



Teilen: 

13.05.2020 11:07

Weniger (Antibiotika) ist mehr

Trotz aller Warnungen: Immer noch werden flächendeckend zu viele Antibiotika eingesetzt. Dass es auch anders geht, zeigt eine neue Studie des ARCIM Institute (Filderklinik), die (weltweit) erstmalig Hinweise gibt, dass sich selbst in der stationären Versorgung von Kindern mit bakteriellen Lungenentzündungen Antibiotika reduzieren lassen.

Das Ergebnis der Studie: Deutlich weniger Kinder als sonst üblich mussten antibiotisch behandelt werden. Bei allen Kindern wurden ergänzend anthroposophische Arzneimittel sowie äußere Anwendungen – zum Beispiel Brustwickel – eingesetzt. Die Behandlungen ohne antibiotische Therapie liefen ohne Komplikationen oder Spätfolgen ab.

Für die retrospektive Studie (veröffentlicht im European Journal of Integrative Medicine) wurden die Daten von 350 Kindern, die in der anthroposophischen Filderklinik wegen Lungenentzündung stationär behandelt wurden, ausgewertet: „Wir waren selbst überrascht davon, wie hoch der Anteil der Kinder war, die allein mit integrativer Therapie ohne Antibiotika behandelt werden konnten. Bei der Subgruppenanalyse rein bakterieller Pneumonien lag der Anteil bei knapp 50 Prozent“, erklärt der Initiator und Erstautor der Studie, Dr. med. Jan Vagedes, Leitender Arzt der Abteilung für Kinderheilkunde und Leiter des Forschungsinstitutes ARCIM an der Filderklinik und ergänzt: „Trotzdem gilt: Antibiotika sind und bleiben extrem wichtige Medikamente. Das Motto sollte lauten: So viel wie nötig, so wenig wie möglich!“

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Das Ergebnis lässt aufhorchen – auch wenn wissenschaftlich noch viel zu tun bleibt: „Die Studie ist ein erster, aber ermutigender Schritt, um wissenschaftlich zu analysieren, welche Strategien sinnvoll sein können, um die Zahl der antibiotischen Therapien zu reduzieren“, so Vagedes weiter. „Eine rückblickende Untersuchung wie unsere Studie kann natürlich nur einen Teil der Fragen klären, aber sie ist ein erster Schritt für weitere Forschung und sollte uns alle ermutigen, noch selbstkritischer über unseren Umgang mit Antibiotika nachzudenken.“

Der Wissenschaftler betont aber auch: „Für diese Art der Integrativen Medizin braucht es sehr viel klinische Erfahrung und eine sehr genaue Beobachtung des Krankheitsverlaufes des einzelnen Kindes. Einzuschätzen, wann ein Antibiotikum gegeben werden muss, ist eine Kompetenz, die wir in der Anthroposophischen Medizin extrem ernst nehmen und die wir seit Jahrzehnten einfordern und stärken. Wichtig ist uns darüber hinaus, auf akademischem Niveau selbstkritisch zu sein und zu bleiben, daher sind wissenschaftliche Evaluierungen so wichtig.“

Nun soll weiter geforscht werden: „Wir wissen zum Beispiel nicht, welches der ergänzend eingesetzten Verfahren dazu geführt hat, dass wir mit weniger Antibiotika ausgekommen sind. Und natürlich brauchen wir mehr Studien, die prospektiv, randomisiert, multizentrisch, am besten doppelt verblindet sind und damit ein höheres Evidenz-Level haben“, erläutert Vagedes weiter, der momentan mit seinem Team eine prospektive Studie vorbereitet, um die nun vorliegenden Ergebnisse zu vertiefen.

PRESSEKONTAKT:

Dachverband Anthroposophische Medizin in Deutschland e.V. (DAMiD)
Natascha Hövener, Pressesprecherin
T: +49-30-28 87 70 96
F: +49-30-97 89 38 69
E-Mail: hoevener@damid.de

Der DAMiD repräsentiert die Anthroposophische Medizin in allen gesellschaftlichen Bereichen des deutschen Gesundheitswesens. Als Dachorganisation vertritt der Verband die übergeordneten Belange und Interessen seiner 16 Mitglieder. Mitgliedsorganisationen sind Berufsverbände, Klinikverband, gemeinnützige Altenhilfe, Behindertenhilfe sowie die Hersteller Anthroposophischer Arzneimittel.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. med. Jan Vagedes, Leitender Arzt der Abteilung für Kinderheilkunde und Leiter des Forschungsinstitutes ARCIM an der Filderklinik: j.vagedes@arcim-institute.de


Originalpublikation:

Vagedes J, Martin D, Müller V, Helmert E, Huber BM, Andrasik F, von Schoen-Angerer T. Restrictive antibiotic use in children hospitalized for pneumonia: A retrospective inpatient study. European Journal of Integrative Medicine 2020; Volume 34; 101068: https://doi.org/10.1016/j.eujim.2020.101068


Weitere Informationen:

https://www.damid.de/presse/pressmitteilungen/791-weniger-antibiotika-ist-mehr.h…


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW