Wie denken Programmierer? Forscher analysiert Hirnaktivität beim Verstehen von Programmcode



Teilen: 

02.06.2020 13:06

Wie denken Programmierer? Forscher analysiert Hirnaktivität beim Verstehen von Programmcode

Sven Apel erforscht, was in den Köpfen von Software-Entwicklern vorgeht, wenn sie sich mit Programmcode beschäftigen. Der Informatik-Professor der Universität des Saarlandes verwendet dafür bildgebende Verfahren aus den Neurowissenschaften und untersucht, welche Hirnareale beim Lesen und Verstehen von Computerprogrammen aktiviert werden. Mit seinem Team fand er heraus, dass vor allem Hirnregionen aktiv sind, die auch bei der Verarbeitung natürlicher Sprache relevant sind. Die Ergebnisse ihrer Grundlagenforschung konnten die Wissenschaftler nun in der renommierten Fachzeitschrift „Communications of the ACM“ veröffentlichen, die von der weltgrößten Informatikervereinigung herausgegeben wird.

„Unser Ziel war es, einen völlig neuen Ansatz zu entwickeln, damit wir die kognitiven Prozesse, die beim Programmieren ablaufen, besser verstehen“, sagt Sven Apel. Als erster Wissenschaftler der Welt hat er gemeinsam mit einem Team aus Informatikern und Neurobiologen die Hirnaktivität von Programmierern sichtbar gemacht und ausgewertet, während diese komplizierte Codezeilen analysiert haben. Die Forscher verwendeten dafür funktionale Magnetresonanztomographie. Die Bilddaten zeigen deutlich, dass bei den Versuchspersonen die Areale der linken Hirnhälfte aktiviert wurden, welche vor allem mit Sprachverständnis assoziiert sind. „Zu unserer Überraschung konnten wir keine Aktivität in Richtung mathematischen oder logischen Denkens beobachten“, fasst Sven Apel die Ergebnisse zusammen. „Unsere Forschung legt nahe, dass das Sprachverständnis eine zentrale Rolle beim Programmieren spielt. Diese Vermutung äußerte der renommierte niederländische Informatiker Edsger W. Dijkstra bereits in den 1980er Jahren.“ Ihre Erkenntnisse könnten weitreichende Folgen für das Programmieren haben, beispielsweise beim Design von Programmiersprachen, in der Programmierausbildung oder bei der Beantwortung grundlegender Fragen, etwa, was komplizierten oder einfachen Programmcode ausmacht.

Informatiker Sven Apel und sein Team wendeten bei ihrer Studie die in der Neurowissenschaft bewährte Subtraktionsmethode an: Die Probanden bearbeiteten im Magnetresonanztomographen zuerst eine Aufgabe, zu deren Lösung sie einen Programmcode-Auszug verstehen mussten. Nach einer kurzen Ruhepause sollten sie einen Code-Schnipsel auf einfache Syntaxfehler überprüfen, was für Programmierer eine Routineaufgabe darstellt, also keine Verständnisfrage war. Dieser Ablauf wurde mehrfach wiederholt. Im Anschluss wurden die Bilder der Hirnaktivität während des Bearbeitens der Routineaufgabe von den Bildern des Verständnistests subtrahiert – was übrigblieb, waren die Hirnregionen, die für den Prozess des Programmverstehens von besonderer Bedeutung sind.

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Das von Sven Apel entwickelte Forschungsdesign wurde inzwischen von diversen Forschungsgruppen weltweit aufgegriffen und um zusätzliche Aspekte erweitert. Der Saarbrücker Informatiker geht davon aus, dass die Forschungsergebnisse auch in die Neurowissenschaft rückkoppeln könnten, indem neue kognitive Prozesse entdeckt werden, die sich beispielsweise vom Leseverständnis und logischem Schließen unterscheiden. Sven Apel und sein Team wollen jetzt herausfinden, worin sich das Programmverständnis bei Experten und Anfängern unterscheidet, also ob sie Programmcode auf verschiedene Weise lesen und interpretieren.

Originalpublikation:
https://cacm.acm.org/magazines/2020/6/245156-studying-programming-in-the-neuroag…

Weitere Informationen:http://www.se.cs.uni-saarland.de

Fragen beantwortet:
Prof. Dr. Sven Apel
Lehrstuhl für Software Engineering
E-Mail: apel@cs.uni-saarland.de
Tel.: 0681 302-57211

Hintergrund Saarland Informatics Campus:

800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und rund 2000 Studierende aus mehr als 80 Nationen machen den Saarland Informatics Campus (SIC) zu einem der führenden Standorte für Informatik in Deutschland und Europa. Fünf weltweit angesehene Forschungsinstitute, nämlich das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), das Max-Planck-Institut für Informatik, das Max-Planck-Institut für Softwaresysteme, das Zentrum für Bioinformatik und das Cluster für „Multimodal Computing and Interaction“ sowie die Universität des Saarlandes mit drei vernetzten Fachbereichen und 21 Studiengänge decken das gesamte Themenspektrum der Informatik ab.
Die Öffentlichkeitsarbeit am Saarland Informatics Campus wird unterstützt durch das Kompetenzzentrum Informatik Saarland, gefördert aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und Mitteln der Staatskanzlei Saarland.


Originalpublikation:

Originalpublikation:
https://cacm.acm.org/magazines/2020/6/245156-studying-programming-in-the-neuroag…


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW