Wie sich proteinreiche Tröpfchen bilden



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10.02.2023 09:39

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Wie sich proteinreiche Tröpfchen bilden

Mit Terahertz-Spektroskopie lässt sich die spontane Bildung proteinreicher Tröpfchen erklären, die möglicherweise zu neurodegenerativen Erkrankungen führen.

Mithilfe einer neuen Methode, der Terahertz-Kalometrie, ist es einem Forschungsteam des Bochumer Exzellenzclusters Ruhr Explores Solvation RESOLV gelungen, die spontane Phasentrennung in eine proteinreiche und eine proteinarme Phase in einer Lösung neu zu beleuchten. Man vermutet, dass die proteinreichen Tröpfchen die Bildung von neurotoxischen Proteinaggregaten begünstigen – ein Ausgangspunkt für neurodegenerative Krankheiten. Die Forschenden um Prof. Dr. Martina Havenith, Inhaberin des Lehrstuhls für Physikalische Chemie II der Ruhr-Universität Bochum, berichten im Journal of Physical Chemistry Letters vom 6. Februar 2023.

Molekulares Niveau und Zeitauflösung im Pikosekundenbereich

Die Studie fußt auf den Arbeiten im Projekt Terahertz-Kalorimetrie, das vom Europäischen Forschungsrat mit einem Advanced Grant gefördert wurde. „Die visionäre Idee in dem Projekt war es, zwei mächtige Techniken der Physikalischen Chemie – die Laserspektroskopie und die Kalorimetrie – miteinander zu verheiraten“, erklärt Grantee Martina Havenith.

Die Kalorimetrie misst die für chemische und biochemische Reaktionen grundlegenden Größen wie die Wärmekapazität, die Enthalpie und die Entropie. Aus der Kenntnis dieser stoffspezifischen Größen kann vorhergesagt werden, ob zum Beispiel eine Reaktion ohne Zufuhr von Energie spontan stattfinden wird, oder ob Gleichgewichtsbedingungen herrschen. Kalorimetrische Messungen finden in einem makroskopischen Behältnis statt. Dabei werden die Wärmemengen vermessen, die für chemische oder biochemische Reaktionen erforderlich sind. „Die Begrenzung dieser Methode liegt in ihrer limitierten Zeitauflösung und der erforderlichen Probenmenge“, so Martina Havenith.

In ihrem ERC-Projekt ging es darum, diese Limitierungen zu umgehen. Dazu bedurfte es eines neuen Ansatzes, um kalorimetrische Größen für kleinste Proben mit einer Zeitauflösung von Pikosekunden, das heißt einem Millionstel von einer Millionstel Sekunde, auf molekularem Niveau messen zu können. „Zeit- und Ortsauflösungen in diesem Bereich können wir allerdings prinzipiell nicht mit dem traditionellen Konzept der Wärmemessungen erreichen“, erklärt die Forscherin. „Hierzu bedurfte es eines revolutionär anderen Ansatzes, der intrinsisch einen anderen Zugang bietet.“

Wasser spielt eine entscheidende Rolle

Ihre Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass durch Messungen der Absorption im sogenannten Terahertz-Bereich spektroskopische Fingerabdrücke gemessen werden können, die linear mit kalorimetrischen Größen korreliert sind. Damit können die Forschenden diese fundamentalen kalorimetrischen Grundgrößen mittels spektroskopischer und ultraschneller laserspektroskopischer Methoden auch bei komplexen Systemen während eines Prozesses oder einer Reaktion in Echtzeit verfolgen.

In der aktuellen Arbeit wenden sie diese Methode – inspiriert durch die Zusammenarbeit mit den Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Konstanze Winklhofer und Prof. Dr. Jörg Tatzelt an der Ruhr-Universität erstmals auf ein hochaktuelles Thema der biomedizinischen Forschung an: Sie untersuchten die liquid-liquid phase separation, die spontane Phasentrennung in eine proteinreiche und eine proteinarme flüssige Phase.

„Mittels der Terahertz-Kalorimetrie kann man die Entstehung dieser proteinangereicherten Tröpfchen auf molekularer Ebene neu aufrollen. Nicht nur die Proteine selbst, sondern vor allen Dingen das Wasser spielt dabei eine entscheidende Rolle“, berichtet Martina Havenith. „Die Änderungen im Wasser können wir jetzt live mit der Terahertz-Kamera im Entstehungsprozess verfolgen und dabei basierend auf den abgeleiteten kalorimetrischen Größen genaue Vorhersagen über die Bildung und ihre Abhängigkeit von äußeren Parametern wie der Temperatur treffen.“

Förderung

Die Arbeiten wurden unterstützt durch den European Research Council Advanced Grant 695437 THz-Calorimetry, die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Exzellenzclusters RESOLV EXC2033-390677874, das Mercator Research Center, die Europäische Union (FP-RESOMUS – MSCA 801459) sowie das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Martina Havenith
Physikalische Chemie II
Fakultät für Chemie und Biochemie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 28249
E-Mail: pc2office@rub.de


Originalpublikation:

Simone Pezzotti, Benedikt König, Sashary Ramos, Gerhard Schwaab, Martina Havenith: Liquid-liquid phase separation? Ask the water!, in: JPC Letter, 2023, DOI: 10.1021/acs.jpclett.2c02697, https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.jpclett.2c02697

Simone Pezzotti, Federico Sebastiani, Eliane P. van Dam, Sashary Ramos, Valeria Conti Nibali, Gerhard Schwaab, Martina Havenith: Spectroscopic fingerprints of cavity formation and solute insertion as a measure of hydration entropic loss and enthalpic gain, in: Angewandte Chemie International Edition, 2022, DOI: 10.1002/anie.202203893, https://doi.org/10.1002/anie.202203893


Bilder

Martina Havenith-Newen hat neue Einblicke gewonnen, indem sie zwei Methoden miteinander kombiniert hat.

Martina Havenith-Newen hat neue Einblicke gewonnen, indem sie zwei Methoden miteinander kombiniert

© RUB, Marquard


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW