Win-win-Situation im Zellverbund: Kooperierende Zellen leben länger



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06.01.2023 10:07

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Win-win-Situation im Zellverbund: Kooperierende Zellen leben länger

Tauschen Zellen Stoffwechselprodukte miteinander aus, beschert ihnen dies ein längeres Leben. Das konnte ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin nun erstmals in einer Studie am Beispiel von Hefezellen zeigen. Dass der Stoffaustausch einen direkten Einfluss auf die Lebensdauer von Zellen hat, könnte für die Erforschung von Alterungsprozessen und altersbedingten Erkrankungen von Menschen künftig eine wichtige Rolle spielen. Die Studie ist im aktuellen Fachmagazin Cell* erschienen.

Stoffwechsel und Altern gehören untrennbar zusammen: Stoffwechselprozesse tragen zur Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen bei, sorgen für Wachstum oder stoßen Reparaturmaßnahmen in Zellen an. Doch es werden auch Stoffe produziert, die schädlich für die Zelle sind und den Alterungsprozess vorantreiben. „Die Stoffwechselprozesse, die innerhalb von Zellen ablaufen, sind hochkomplex“, sagt Prof. Dr. Markus Ralser, Direktor des Instituts für Biochemie an der Charité und Einstein-Professor für Biochemie. „Eine zentrale Rolle spielt dabei unter anderem der Stoffaustausch zwischen Zellen einer Zellgemeinschaft, denn er beeinflusst den internen Zellstoffwechsel maßgeblich mit.“ Zellen stehen mit benachbarten Zellen – etwa in Körpergeweben – in stetigem Austausch: Sie schleusen nicht benötigte Stoffe aus ihrem Zellinneren aus und nehmen Substanzen aus ihrer Umgebung auf. In einer aktuellen Studie ging das Team um den Stoffwechselexperten Prof. Ralser der Frage nach, ob der Austausch von Stoffwechselprodukten, sogenannten Metaboliten, einen Einfluss auf die Lebensdauer von Zellen hat.

Für ihre Untersuchungen arbeiteten die Forschenden mit Hefezellen und führten Experimente zur Bestimmung der Lebensdauer durch. Hefezellen sind ein wichtiges Modell der Grundlagenforschung, ein dominierender Mikroorganismus in der Biotechnologie und auch in der Medizin wichtig, da sie Pilzinfektionen auslösen können. „Wir konnten zeigen, dass sich die Lebensspanne der Zellen um rund 25 Prozent verlängerte, wenn sie Metaboliten miteinander austauschen konnten“, sagt Dr. Clara Correia-Melo, ebenfalls vom Institut für Biochemie der Charité und Erstautorin der Studie. „Nun wollten wir natürlich wissen, welche Stoffe und Austauschprozesse hinter dieser lebensverlängernden Wirkung stehen.“ Um das herauszufinden, nutzten die Forschenden ein spezielles, durch Massenspektrometrie gestütztes Untersuchungssystem, mit dem sich der Stoffaustausch zwischen den Zellen genau nachverfolgen lässt. Sie stellten fest, dass junge Zellen, die sich noch gut und oft teilten, Aminosäuren ausschieden, und dass diese von den älteren Zellen aufgenommen wurden.

Aminosäuren sind die Bausteine, aus denen Proteine zusammengesetzt sind. Das Forschungsteam fand heraus, dass der Austausch der Aminosäure Methionin das Leben der beteiligten Zellen verlängert. Die Aminosäure kommt in allen Organismen vor und spielt für die Proteinherstellung und auch in vielen zellulären Prozessen eine wichtige Rolle. „Das Interessante ist, dass für die Lebensverlängerung der alten Zellen der Stoffwechsel der jungen Zellen verantwortlich war“, sagt Prof. Ralser. Einige junge Zellen gaben Methionin ab, das andere junge Zellen aufnahmen. Dadurch wurde deren Zellstoffwechsel so verändert, dass sie Stoffwechselprodukte ausschieden, von denen die Methionin produzierenden Zellen profitierten. Dabei handelt es sich etwa um Glycerol, das für den Aufbau von Zellmembranen benötigt wird und zellschützende Eigenschaften hat. „Geben langlebige, Methionin aufnehmende Zellen Glycerol ab, verlängern sie dadurch auch das Leben der Methionin produzierenden Zellen – eine Win-win-Situation“, erklärt Dr. Correia-Melo. „Und durch diesen kooperativen Stoffaustausch zwischen den Zellen verlängert sich die Lebensdauer der gesamten Zellgemeinschaft.“

Mit ihrer Studie konnten die Forschenden anhand von Hefezellgemeinschaften erstmalig zeigen, dass der Stoffaustausch einen direkten Einfluss auf die Lebensdauer und den Alterungsprozess von Zellen hat. Sie vermuten, dass dies auch für andere Zelltypen, etwa menschliche Körperzellen, zutrifft und wollen dies in weiterführenden Studien prüfen. „Um die Entstehung altersbedingter Erkrankungen wie etwa Diabetes, Krebs oder neurodegenerative Erkrankungen zu erforschen, müssen die komplexen Stoffwechselwege innerhalb, aber eben auch zwischen den Zellen besser verstanden werden“, sagt Prof. Ralser. „Der Stoffaustausch zwischen Zellen ist ein bislang übersehener, aber ganz offensichtlich maßgeblicher Faktor für den zellulären Alterungsprozess. Wir hoffen, dass wir mit unserer Studie dazu beitragen können, dass künftig der Austausch von Stoffwechselprodukten zwischen Zellen verstärkt in den Blick genommen wird.“ In folgenden Forschungsprojekten möchte Prof. Ralser die genauen Mechanismen der zellschützenden und lebensverlängernden Wirkung von Glycerol genauer untersuchen.

Über die Studie:
Die ersten Untersuchungen für die vorliegende Studie starteten Prof. Ralser und Dr. Correia-Melo vor sechs Jahren an der Universität Cambridge, führten sie am Francis Crick Institute in London fort und beendeten sie am Institut für Biochemie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Die Arbeit entstand in enger Kooperation mit der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Gefördert wurde das Forschungsprojekt durch den Wellcome Trust, einen ERC Synergy Grant der Europäischen Kommission, das EU-CoBioTech-Projekt Sycolim sowie im Rahmen der Förderlinie Forschungskerne für die Massenspektrometrie in der Systemmedizin (MSCoreSys) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Markus Ralser
Direktor des Instituts für Biochemie
Charité – Universitätsmedizin Berlin
t: +49 30 450 528 142
Email: markus.ralser@charite.de


Originalpublikation:

*Correia-Melo C et al. Cell-cell metabolite exchange creates a pro-survival metabolic environment that extends lifespan. Cell 2023 Jan 05. doi: 10.1016/j.cell/2022.12.007


Weitere Informationen:

https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0092867422015203
https://biochemie.charite.de/
https://www.crick.ac.uk/news/2023-01-05_young-and-old-microbes-work-together-to-…


Bilder


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW