Zellteilung bei Moos und Tieren ähnlicher als gedacht



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05.05.2022 14:20

Zellteilung bei Moos und Tieren ähnlicher als gedacht

• Deutsch-Japanisches Forschungsteam der Universitäten Freiburg und Nagoya weist nach, was die Ebene der Zellteilung bei Pflanzen festlegt
• Mikroskopaufnahmen der Zellteilung bei genveränderten Moosen zeigen unerwartete Ähnlichkeiten zwischen Pflanzen und Tieren
• Erkenntnisse können helfen, Pflanzenwachstum besser zu verstehen

Damit aus einem Samen eine neue Pflanze wächst, müssen sich Zellen viele Male teilen. Die Tochterzellen können unterschiedliche Aufgaben übernehmen und sind nicht immer gleich groß. Wie Pflanzen die Ebene festlegen, an der Zellen während der sogenannten Mitose geteilt werden, erforschen Prof. Dr. Ralf Reski und Dr. Elena Kozgunova von der Universität Freiburg gemeinsam mit Prof. Dr. Gohta Goshima von der Universität Nagoya. Sie weisen nun in Moospflanzen der Art Physcomitrella nach, wie der Mitoseapparat in der Pflanzenzelle verankert wird: „In Mooszellen konnten wir einen unerwarteten Prozess beobachten, der die Teilungsebene in Pflanzen bestimmt. Der Ablauf ähnelt stärker der tierischen Zellteilung als bisher gedacht“, beschreibt Reski vom Exzellenzcluster CIBSS an der Universität Freiburg die Ergebnisse der Studie, die im Fachmagazin Nature Communications erschienen ist.

Wenn sich Zellen teilen, bilden die Mikrotubuli – ein dynamisches Geflecht von Proteinfilamenten – eine Mitosespindel, die die Chromosomen auseinanderzieht und in zwei Tochterzellen einordnet. Tiere unterscheiden sich dabei von Pflanzen: Die Mitosespindel bleibt – einmal gebildet – in der Pflanzenzelle immer am gleichen Ort. In Tierzellen wandert das unter dem Mikroskop sichtbare Gebilde während der Zellteilung umher. Dort, wo es stehen bleibt, teilt sich dann die Zelle. Das Besondere an Mooszellen: Ihnen fehlt im Ablauf der Mitose die Bildung eines Gürtels aus Mikrotubuli und Aktinfilamenten, beides Bestandteile des Zellskeletts. Bisher dachte man, dieses sogenannte Präprophaseband bestimme bei Pflanzen, wo die Spindel sich bildet und wo sie verankert wird. „Warum ist aber die Mitosespindel in Mooszellen unbeweglich wie in anderen Pflanzen, obwohl das Präprophaseband fehlt?“, fragte sich Kozgunova, Erstautorin der Studie und Humboldt-Bayer-Stipendiatin in Reskis Labor.

Bewegliche Spindel in Pflanzen bisher unbekannt

Zur Lösung dieses Rätsels langte das Team in die molekularbiologische Trickkiste: Sie veränderten Pflanzen des Kleinen Blasenmützenmoos Physcomitrella so, dass ihnen fünf Gene fehlten. Die Forschenden wussten, dass diese dem tierischen Gen eines Signalmoleküls ähneln, das für die Mitose wichtig ist: Das Protein TPX2 ist an der Bildung der Mitosespindel bei Tieren beteiligt.

In Moospflanzen ohne die TPX2-Gene beobachteten die Forschenden die Mitose unter dem Mikroskop. Sie stellten erstaunt fest: Bei diesen Zellen bewegte sich nun die Spindel während der Zellteilung. „Solche beweglichen Spindeln wurden noch nie bei Pflanzenzellen beobachtet!“, erklärt Kozgunova. Die veränderten Zellen teilten sich unregelmäßig, was im Laufe des Wachstums der Moospflanzen zu Missbildungen führte.

Ein Tauziehen des Zellskeletts

Indem die Forschenden nun das Aktinskelett der Zelle beeinflussten, zeigten sie, dass Aktinfilamente an der Mitosespindel zerren: „Es ist eine Art Tauziehen zwischen Mikrotubuli und Aktin, das die Mitosespindel in der Zelle ausrichtet. Das ähnelt sehr den Vorgängen in der tierischen Zelle“, berichtet Reski. Auch bei tierischen Zellen wird die Mitosespindel mit Hilfe der Aktinfilamente bewegt. Diese Erkenntnisse helfen den Forschenden herauszufinden, welche Signale das Schicksal von Zellen in der Entwicklung bestimmen. Sie hoffen, somit das Pflanzenwachstum besser verstehen und beeinflussen zu können.

Die Aufnahmen der Zellteilung entstanden im Life Imaging Centre, einer zentralen Einrichtung des Exzellenzclusters CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies an der Universität Freiburg.

Faktenübersicht:
• Originalpublikation: E. Kozgunova, M.W. Yoshida, R. Reski, G. Goshima (2022): Spindle motility skews division site determination during asymmetric cell division in Physcomitrella. Nature Communications 13, DOI: 10.1038/s41467-022-30239-1.
• Ralf Reski ist seit 1999 Professor an der Fakultät für Biologie der Universität Freiburg. Er ist Gründungsmitglied des früheren Exzellenzcluster BIOSS Centre for Biological Signalling Studies sowie der Exzellenzcluster CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies und livMatS – Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems.
• Reskis Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Pflanzenbiotechnologie, Synthetische Biologie und evolutionäre Entwicklungsbiologie.
• Ein Team um Reski erstellte die weltweit größte Laborsammlung an Moosarten für Torfwirtschaft und Wissenschaft. (Pressemitteilung)
• In Kooperation mit der Georg-August-Universität Göttingen wies Reski bei Moosen erstmals einen Schutzmechanismus gegen Kälte nach, der bislang nur in Blütenpflanzen bekannt war. (Pressemitteilung)
• Reski ist Mitglied der Geschäftsleitung von DataPLANT, einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Datenmanagement-Plattform für Pflanzenwissenschaften.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Ralf Reski
Pflanzenbiotechnologie
Fakultät für Biologie
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-6969
ralf.reski@biologie.uni-freiburg.de
www.plant-biotech.net

Mathilde Bessert-Nettelbeck
Wissenschaftskommunikation
Exzellenzcluster CIBSS
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-97662
E-Mail: mathilde.bessert-nettelbeck@cibss.uni-freiburg.de


Originalpublikation:

E. Kozgunova, M.W. Yoshida, R. Reski, G. Goshima (2022): Spindle motility skews division site determination during asymmetric cell division in Physcomitrella. Nature Communications 13, DOI: 10.1038/s41467-022-30239-1


Weitere Informationen:

https://kommunikation.uni-freiburg.de/pm/2022/zellteilung-bei-moos-und-tieren-ae…


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW