Zum Ursprung sexueller Gewalt



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31.05.2022 13:41

Zum Ursprung sexueller Gewalt

UR-Forscher:innen entwickeln Tiermodell zur Erforschung der „dunklen Seite“ des Verhaltens

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Laut WHO erfahren etwa 35% der Frauen während ihres Lebens physische oder sexuelle Gewalt. In Deutschland erleben jährlich 6000 bis 8000 Frauen sexuelle Gewalt oder werden sexuell genötigt. Diese Erfahrungen hinterlassen oft traumatische Spuren.
Auch im Tierreich kann es dazu kommen, dass Männchen das „Nein“ der von ihnen gewünschten Sexualpartnerinnen ignorieren. Die erzwungene Paarung ist in der Folge ein häufig beobachtetes Phänomen im Tierreich. Obwohl psycho-soziale und öko-evolutionäre Aspekte sexueller Gewalt wiederholt untersucht wurden, sind die neurobiologischen Ursachen von erzwungener Paarung bei eindeutig ablehnenden Signalen des Weibchens unbekannt. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass detaillierte Vorgänge im Gehirn nur aufgeklärt werden können, wenn ein passendes Tiermodell verfügbar ist, mit dessen Hilfe das entsprechende Verhalten beobachtet oder induziert werden kann.
Im Falle von sexueller Aggression gelang es Forscherinnen und Forschern des Lehrstuhls für Neurobiologie und Tierphysiologie der Universität Regensburg rund um Prof.in Dr. Inga Neumann nun der Nachweis, dass die Paarung mit Weibchen, die nicht paarungsbereit sind, bei Labor-Nagern ein häufiges und spontanes Verhalten ist, das nicht erlernt werden muss, jedoch individuell stark variiert.
In ihrer gerade in der international anerkannten Fachzeitschrift „Translational Psychiatry“ veröffentlichten Arbeit, stellen die Autoren um Frau Prof. Inga Neumann zudem ein Modell provozierter sexueller Aggression vor. Sie können zeigen, dass sexuelle Aggression gegenüber nicht paarungsbereiten Weibchen mit der generellen sexuellen Motivation, aber auch mit angeborenem Angst- und Aggressionsverhalten korreliert. Eine Region der Hirnrinde, die sogenannte Insula, die beim Menschen mit der Entscheidungsfindung, sozialen Verhaltenskontrolle und emotionaler Intelligenz in Verbindung gebracht wird, zeigte eine besonders hohe Aktivität der Nervenzellen während aggressiven sexuellen Verhaltens bei den männlichen Tieren. Wird diese Region gehemmt, konnte das sexuelle Aggressionsverhalten gehemmt werden. Auch das Neuropeptide Oxytocin und das Belohnungszentrum des Gehirns scheinen eine Rolle bei der Regulation von sexueller Aggression zu spielen.
Mit diesem Tiermodell erhoffen sich die Autoren detaillierte neurobiologische Einblicke in die „dunklen“ Seiten des Verhaltens von Säugetieren einschließlich des Menschen.


Originalpublikation:

Oliveira, VEM, de Jong, T., Neumann, I. (2022) Modelling sexual violence in male rats: the sexual aggression test (SxAT). Translational Psychiatry
www.nature.com/articles/s41398-022-01973-3
DOI: 10.1038/s41398-022-01973-3


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch


Quelle: IDW