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22.08.2025 10:34
Neutrino-Flugbahnen in Echtzeit detektieren
Mit dem Neutrino-Detektor IceCube am Südpol sucht ein internationales Forschungsteam seit 2009 nach dem Ursprung der kosmischen Strahlung. Neue Algorithmen der Bochumer Gruppe um Prof. Dr. Anna Franckowiak erhöhen die Chance auf Entdeckungen. Mit ihnen lassen sich in Echtzeit Energie und Richtung der von IceCube gemessenen Teilchen bestimmen, sodass Teleskope weltweit auf die Suche nach ihren Absendern gehen können. Mit den neuen Algorithmen wertet das Team auch Archivdaten noch einmal aus – und musste jüngst einige Kandidaten für die Quellen der kosmischen Strahlung verwerfen. Über die Arbeit berichtet das Wissenschaftsmagazin Rubin der Ruhr-Universität Bochum.
Die kosmische Strahlung prasselt unaufhörlich auf die Erde ein, in Form von verschiedenen Teilchen wie Elektronen, Protonen oder Neutrinos. Wo sie herkommt, ist ungewiss. Neutrinos können Raum und Materie über riesige Distanzen durchdringen, ohne zu wechselwirken. Das macht sie zu den idealen Kandidaten, um nach den Quellen der kosmischen Strahlung zu suchen, weil sie auf mehr oder weniger direktem Weg von ihrem Ursprung aus zur Erde fliegen. Dort können sie vom IceCube-Detektor aufgespürt werden.
Neutrino-Richtungen schnell und präzise bestimmen
Der Algorithmus für die Analyse der Neutrino-Flugbahn von Anna Franckowiaks Team funktioniert präzise und schnell. „Wir brauchen 30 Sekunden, um die Energie und Richtung eines Neutrinos zu berechnen, und verbreiten die Information umgehend weltweit“, erklärt die Leiterin der Arbeitsgruppe für Multi-Wellenlängen- und Multi-Messenger-Astronomie, die auch Mitglied des in Bochum koordinierten Sonderforschungsbereichs Cosmic Interacting Matter ist.
Mit einem langsameren Algorithmus verfeinert Franckowiaks Team anschließend das erste schnelle Ergebnis und gibt ein Update zur ursprünglichen Neutrino-Meldung heraus. Vier- bis fünfmal präziser klappt die Richtungsbestimmung mittlerweile im Vergleich zu früheren Verfahren.
Anhand der Daten durchforsten Teleskope auf der ganzen Welt dann die Himmelsregion, aus der das Neutrino kam, nach einem besonders energiereichen Objekt, das der Absender des Teilchens gewesen sein könnte. „Es ist möglich, dass diese Himmelsobjekte nur kurz aufleuchten, daher ist es so wichtig, dass unser System in Echtzeit funktioniert“, sagt Anna Franckowiak.
Doch keine Quellen
Ist eine potenzielle Quelle für das Neutrino gefunden, geht die Rechnerei wieder los. „Dann ermitteln wir, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass wir – wenn wir in diese Richtung des Himmels schauen – zufällig ein solches Himmelsobjekt aufleuchten sehen, das nichts mit dem Neutrino zu tun hat“, so Franckowiak. Zwischenzeitlich hatten die Forschenden sogenannte Gezeitenkatastrophen als Neutrino-Quellen in Betracht gezogen. „Sie entstehen, wenn ein Stern zu nah an ein inaktives Schwarzes Loch gerät, das zwar gerade keine Materie schluckt, den Stern aber mit seiner großen Gravitation in die Länge zieht und zerreißt“, erklärt die Physikerin.
Drei Neutrino-Ereignisse hatte IceCube im Lauf der Jahre entdeckt, die potenziell mit Gezeitenkatastrophen in Zusammenhang gebracht wurden. Aber: „Nachdem wir unseren Algorithmus für die Richtungsrekonstruktion verbessert hatten, haben wir die Ereignisse noch einmal analysiert – und die Flugbahn der Neutrinos passt nicht zu den Positionen, an denen die Gezeitenkatastrophen stattgefunden haben“, resümiert Anna Franckowiak.
Ausführlicher Artikel im Wissenschaftsmagazin Rubin
Was laut den IceCube-Messungen stattdessen die bislang heißesten Kandidaten für die Quellen der kosmischen Strahlung sind, berichtet Anna Franckowiak in einem ausführlichen Beitrag im Wissenschaftsmagazin Rubin mit dem Schwerpunkt „Licht und Leuchten“ unter https://news.rub.de/wissenschaft/astrophysik-absender-verzweifelt-gesucht. Für redaktionelle Zwecke dürfen die Texte auf der Webseite unter Angabe der Quelle „Rubin – Ruhr-Universität Bochum“ sowie Bilder aus dem Downloadbereich unter Angabe des Copyrights und Beachtung der Nutzungsbedingungen honorarfrei verwendet werden.
Rubin kann über ein Online-Formular kostenlos als Newsletter oder Printausgabe abonniert werden (https://news.rub.de/rubin).
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Anna Franckowiak
Multi-Wellenlängen und Multi-Messenger-Astronomie
Fakultät für Physik und Astronomie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 24694
E-Mail: anna.franckowiak@ruhr-uni-bochum.de
Originalpublikation:
Giacomo Sommani, Anna Franckowiak, Massimiliano Lincetto, Ralf-Jürgen Dettmar: Two 100 TeV neutrinos coincident with the Seyfert galaxy NGC 7469, in: The Astrophysical Journal, 2025, DOI: 10.3847/1538-4357/adb031, https://iopscience.iop.org/article/10.3847/1538-4357/adb031/meta
Giacomo Sommani, Tianlu Yuan (for the IceCube Collaboration): Improvements in the Reconstruction of IceCube Realtime Alerts, 39th International Cosmic Ray Conference (ICRC2025), Zürich, Schweiz 2025, Paper-Download: https://arxiv.org/abs/2507.06957
Angela Zegarelli, Anna Franckowiak, Giacomo Sommani, Nora Valtonen-Mattila, Tianlu Yuan (for the IceCube Collaboration): IceCat-2: Updated IceCube Event Catalog of Alert Tracks, 39th International Cosmic Ray Conference (ICRC2025), Zürich, Schweiz, 2025, Paper-Download: https://arxiv.org/abs/2507.06176
Bilder
Die Bochumer Forschenden Anna Franckowiak, Nora Valtonen-Mattila, Giacomo Sommani und Angela Zegarel …
Copyright: RUB, Marquard
Anna Franckowiak leitet an der Ruhr-Universität Bochum die Arbeitsgruppe Multi-Wellenlängen- und Mul …
Copyright: RUB, Marquard
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
