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21.07.2025 15:06
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Entwicklungsprozess von menschlichen gewebeheilenden Immunzellen entschlüsselt
Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Immuntherapie (LIT) entschlüsseln in Kooperation mit der Universitätsmedizin Mainz und dem Deutschen Krebsforschungszentrum mit Hilfe des genetischen Fingerabdrucks von Treg-Zellen des menschlichen Immunsystems deren Entwicklungsprozess zu Treg-Zellen mit heilenden Eigenschaften im Gewebe und kommen dadurch dem therapeutischen Einsatz dieser Zellen näher.
Regulatorische T-Zellen (Treg-Zellen) sind eine spezialisierte Untergruppe von Immunzellen, die eine zentrale Rolle im menschlichen Immunsystem spielen. Diese Zellen können fehlerhafte und damit schädliche Immunreaktionen, die z.B. zu Autoimmunkrankheiten führen können, unterdrücken. Des Weiteren fördern sie aktiv die Regeneration von Gewebe nach Verletzungen und orchestrieren somit den Wundheilungsprozess. Hierzu können Treg-Zellen gewebeheilende Substanzen ausschütten und unterstützen regenerative Zellen wie Gewebe-Stammzellen. Sie kooperieren bei der Gewebeheilung somit sowohl mit Immun- als auch Nicht-Immunzellen. Durch diese vielfältigen Funktionen sind Treg-Zellen attraktive Kandidaten für eine therapeutische Nutzung, etwa zur Förderung der Gewebefunktion nach akuten oder chronischen Entzündungen.
Um Wundheilungsprozesse im Körper zu unterstützen, müssen sich die Treg-Zellen in sogenannte Gewebe-Treg-Zellen weiterentwickeln. Dieser Entwicklungsprozess ist noch kaum verstanden und ein besseres Verständnis ist notwendig, um Treg-Zellen in der Therapie von Erkrankungen einsetzen zu können. Wissenschaftler der Abteilung für Immunologie des LIT haben nun in Kooperation mit Wissenschaftlern der Universitätsmedizin Mainz und des Deutschen Krebsforschungszentrums den Entwicklungsprozess der Treg-Zellen zu Gewebe-Treg-Zellen beim Menschen im Detail analysiert und dabei besonders sogenannte epigenetische Veränderungen der DNA entschlüsselt. „Epigenetik bezieht sich auf Veränderungen in der Funktionsweise unserer Gene, die keine Veränderung der eigentlichen DNA-Sequenz selbst beinhalten. Stattdessen geht es bei der Epigenetik um „Schalter“, mit denen Gene ein- oder ausgeschaltet werden, also ob sie aktiv sind und die Funktion einer Zelle beeinflussen oder nicht“, erklärt Prof. Charles Imbusch, einer der Autoren der Studie. Diese epigenetischen Veränderungen werden durch chemische Markierungen an der DNA der Zelle verursacht, zum Beispiel die DNA-Methylierung. Bei diesem Prozess wird ein kleines Molekül, die Methylgruppe, an bestimmte Stellen der DNA (sogenannte CpG-Stellen) angelagert. „Wenn ein Gen an der CpG-Stelle in der Nähe eines „Ein“-Schalters nicht mit einer Methylgruppe markiert wird, kann das Gen aktiviert werden“, beschreibt Tamara Kaufmann, eine Autorin der Studie. „Wichtig war uns auch, nicht nur die DNA-Methylierung an den etwa 28 Millionen CpG-Stellen zu untersuchen, sondern unsere Erkenntnisse auch in Beziehung zu weiteren Schalter-Prozessen in Treg-Zellen zu setzen. So konnten wir umfassende Erkenntnisse dazu liefern, wie sich die spezielle Funktion der Gewebe-Treg-Zellen entwickelt.“ erklärt Dr. Niklas Beumer, einer der Erstautoren der Studie. „Die DNA-Methylierungs-Stellen sind der „genetische Fingerabdruck“ der menschlichen Gewebe-Treg-Zellen und sie ermöglichen uns, ihre spezifischen Eigenschaften zu identifizieren“, sagt Prof. Delacher, einer der Leiter der Studie. Hierbei wurden entscheidende neue Erkenntnisse gewonnen. „Mit diesem DNA-Methylierungs-Fingerabdruck der Gewebe-Treg-Zellen konnten wir im Blut „wandernde“ Gewebe-Treg-Zellen identifizieren. Außerdem fanden wir viele Veränderungen in sogenannten „springenden Genen“, beschreibt Prof. Feuerer, einer der Leiter der Studie. Springende Gene, auch transponierbare Elemente genannt, sind DNA-Stücke, die von einem Ort in der DNA zum anderen wandern können bzw. einmal konnten. Lange Zeit nahm man an, dass diese ’springenden Gene‘ funktionslos sind. Neuere Studien belegen jedoch, dass sie eine bedeutende Rolle bei der Steuerung der Genaktivität übernehmen, obwohl die allermeisten heute nicht mehr beweglich sind.
Diese Forschungsergebnisse zeigen neue Wege und Möglichkeiten auf, wie Gewebe-Treg-Zellen in der Therapie verschiedener Erkrankungen eingesetzt werden könnten, etwa zur Förderung der Gewebefunktion nach schwerwiegenden Entzündungen oder zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Markus Feuerer
Leiter Abteilung für Immunologie
LIT – Leibniz-Institut für Immuntherapie
c/o Universitätsklinikum Regensburg
Franz-Josef-Strauß-Allee 11
93053 Regensburg
Tel.: +49 941 944 38121
E-Mail: markus.feuerer@lit.eu
Professor für Immunologie
Leiter Lehrstuhl für Immunologie
Universität Regensburg
Originalpublikation:
Beumer N, Imbusch CD, Kaufmann T, Schmidleithner L, Gütter K, Stüve P, Marchel H, Weichenhan D, Bähr M, Ruhland B, Marini F, Sanderink L, Ritter U, Simon M, Braband KL, Voss MM, Helbich SS, Mihoc DM, Hotz-Wagenblatt A, Nassabi H, Eigenberger A, Prantl L, Gebhard C, Rehli M, Strieder N, Singh K, Schmidl C, Plass C, Huehn J, Hehlgans T, Polansky JK, Brors B, Delacher M, Feuerer M. DNA hypomethylation traits define human regulatory T cells in cutaneous tissue and identify their blood recirculating counterparts. Nature Immunology. 2025 2025/07/16.
doi:10.1038/s41590-025-02210-x.
https://www.nature.com/articles/s41590-025-02210-x
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
