Nutzung der Darmkrebsfrüherkennung in Deutschland bleibt weit hinter den Möglichkeiten zurück



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22.08.2025 10:06

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Nutzung der Darmkrebsfrüherkennung in Deutschland bleibt weit hinter den Möglichkeiten zurück

Nur ein kleiner Bruchteil der anspruchsberechtigten Bevölkerung nutzt das Darmkrebs-Früherkennungsangebot, zeigt eine neue Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und der BARMER Krankenversicherung. Organisierte Programme könnten die Teilnahmeraten deutlich steigern.

Eine aktuelle Analyse von Versichertendaten der BARMER Krankenkasse offenbart erhebliche Defizite bei der Inanspruchnahme der stuhlbasierten Darmkrebsfrüherkennung in Deutschland. Im Zeitraum 2010 bis 2022 nutzten lediglich 22,9 Prozent der Männer und 55,5 Prozent der Frauen im Alter von 50 bis 54 Jahren mindestens einmal das Angebot eines Stuhltests auf unsichtbares („okkultes“) Blut. Nur ein verschwindend kleiner Anteil – 0,1 Prozent der Männer und 1,8 Prozent der Frauen – nahm das jährliche Testangebot vollständig wahr.

Die Studie basiert auf den anonymisierten Daten von über 945.000 Versicherten der BARMER Krankenkasse der Jahrgänge 1960 bis 1968 und zeigt, dass trotz eines jährlichen Anspruchs auf den Test in der untersuchten Altersgruppe die Nutzung des Angebots äußerst gering war. Insbesondere Männer nutzten das Vorsorgeangebot nur selten. Bis zum Alter von 55 Jahren hatten 77,1 Prozent der Männer und 44,5 Prozent der Frauen keinen einzigen Test durchgeführt.

„Unsere Ergebnisse zeigen deutlich: Die bisherige, nicht organisierte und auf individueller Eigeninitiative beruhende Darmkrebsfrüherkennung erreicht große Teile der berechtigten Bevölkerung nicht“, sagt Studienleiter Hermann Brenner vom DKFZ. „Gerade im Hinblick auf die nachgewiesene Wirksamkeit und Kosteneffizienz von Stuhltests zur Senkung von Darmkrebsinzidenz und -sterblichkeit besteht dringender Handlungsbedarf.“

Die Untersuchung zeigt auch, dass selbst der Übergang von älteren enzymatischen Stuhltests zu moderneren immunologischen Tests sowie die Einführung eines Einladungsschreibens im Alter von 50 Jahren im Jahr 2019 bislang keine substanziellen Verbesserungen bewirkt haben. Im Vergleich dazu erreichen Länder mit gut organisierten Programmen – wie die Niederlande oder England – Teilnahmequoten von über 70 Prozent.

Die Autoren der Studie betonen, dass ein systematischer Ausbau der Früherkennung, etwa durch den Postversand von Testkits und zielgerichtete Erinnerungsschreiben, ein entscheidender Hebel sein könnte. Ein früheres Modellprojekt der DKFZ-Arbeitsgruppe mit der AOK Baden-Württemberg hat bereits belegt, dass ein solches Vorgehen die Teilnahme auch in Deutschland mindestens verdreifachen kann. Die BARMER hat diesen viel versprechenden Ansatz aufgegriffen und bietet ihren Versicherten zwischenzeitlich an, die Testkits nach Hause zu schicken. Dieses Verfahren soll in den nächsten Jahren noch weiter verbessert und von den Epidemiologen des DKFZ wissenschaftlich begleitet werden.

„Jedes Jahr versterben in Deutschland über 24.000 Menschen an Darmkrebs. Doch die Krankheit lässt sich verhüten, wenn die Krebsvorstufen entdeckt und entfernt werden, und die Heilungschance steigt, wenn der Krebs früh diagnostiziert wird. Es ist daher höchste Zeit, dass wir mit evidenzbasierten Maßnahmen mehr Menschen dazu bringen, die Chance der Vorsorge und Früherkennung zu nutzen“, resümiert Christian Graf, BARMER Krankenkasse.

Leon Klimeck, Thomas Heisser, Beata Hennig, Christian Graf, Michael Hoffmeister, Hermann Brenner: Stuhltests zum Darmkrebsscreening in der Routineversorgung: Eine Längsschnittanalyse aus Deutschland.
Deutsches Ärzteblatt 2025, DOI: 10.3238/arztebl.m2025.0102

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)

Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Ansprechpartner für die Presse:

Dr. Sibylle Kohlstädt
Pressesprecherin
Strategische Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Krebsforschungszentrum
Im Neuenheimer Feld 280
69120 Heidelberg
T: +49 6221 42 2843
E-Mail: S.Kohlstaedt@dkfz.de
E-Mail: presse@dkfz.de
www.dkfz.de


Originalpublikation:

Leon Klimeck, Thomas Heisser, Beata Hennig, Christian Graf, Michael Hoffmeister, Hermann Brenner: Stuhltests zum Darmkrebsscreening in der Routineversorgung: Eine Längsschnittanalyse aus Deutschland.
Deutsches Ärzteblatt 2025, DOI: 10.3238/arztebl.m2025.0102


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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW