Teilen:
24.09.2025 14:11
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Fettsäuren begünstigen Wachstum krebsfördernder Bakterien – Wie chronischer Zellstress das Darm-Mikrobiom verändert
Dass die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms eine große Rolle für unsere Gesundheit spielt, ist mittlerweile klar bewiesen – die genauen Zusammenhänge sind bisher aber noch nicht voll verstanden. Forschende der Technischen Universität München (TUM) sind dem einen Schritt nähergekommen: Sie haben einen Zell-Mechanismus identifiziert, der ein tumorförderliches Mikrobiom begünstigt. Eine Analyse von Daten von Patientinnen und Patienten zeigt, dass die Befunde auch auf den Menschen zutreffen.
Ausgangspunkt der beobachteten Mikrobiom-Veränderungen ist ein Protein, das eigentlich eine Schutzfunktion hat: ATF6 (Activating Transcription Factor 6). Solange in den Zellen alles normal läuft, bleibt es inaktiv. Sammeln sich zu viele fehlerhafte Eiweiße an, wird es aktiv und stößt Prozesse an, die der Zelle helfen, diese Eiweiße zu reparieren oder abzubauen. Die Zelle ist also kurzfristig gestresst, kehrt dann aber wieder in den Ruhezustand zurück.
Bei manchen Erkrankungen bleibt das Schutzprotein jedoch dauerhaft aktiv. Das Darm-Mikrobiom verändert sich daraufhin zu einem, das Krebs auslösen kann. Dies hat ein Team um Dirk Haller, Professor für Ernährung und Immunologie, und Dr. Olivia Coleman, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Dirk Haller, bereits in früheren Studien gezeigt. Nun konnten die Forschenden aufzeigen, wie es zu dieser Veränderung des Mikrobioms kommt. Ihre Ergebnisse sind in Nature Metabolism erschienen.
Langkettige Fettsäuren als Lieblingsnahrung bestimmter Bakterien
Eine zentrale Rolle nimmt der Fettstoffwechsel in den Darmzellen ein. Normalerweise versorgt dieser die Zellen mit Energie und liefert wichtige Bausteine und Signalstoffe. Bei chronischer Aktivierung des Schutz-Proteins ATF6 verändert er sich jedoch und es entstehen vermehrt langkettige Fettsäuren. Genau diese dienen dann bestimmten Bakterien als Nahrung, vor allem Desulfovibrio fairfieldensis. Sie vermehren sich und verdrängen andere Mikroben – die Zusammensetzung des Mikrobioms verändert sich somit. Frühere Studien konnten zeigen, dass diese Bakterien sich in zu großer Menge negativ auf den Darm auswirken, denn sie stoßen Schwefelwasserstoff aus – ein Gas, das Darmzellen schädigt, wenn zu viel davon vorhanden ist.
Diesen Prozess, der bei einer gestörten Zellfunktion beginnt, über einen veränderten Fettstoffwechsel führt und schließlich in eine Anpassung des Mikrobioms zugunsten bestimmter Bakterien mündet, konnte das Team in verschiedenen Versuchen in Darm-Organoiden und Mäusen nachweisen. So zeigte sich unter anderem, dass Mäuse, die ohne Mikrobiom gezüchtet wurden, auch bei dauerhafter ATF6-Aktivierung keinen Krebs entwickelten, Mäuse mit Mikrobiom jedoch schon. Wurde bei den Mäusen mit Mikrobiom der Fettstoffwechsel medikamentös blockiert, der Prozess also unterbrochen, blieben auch die Tiere mit Mikrobiom krebsfrei, da es nicht zur Überproduktion der langkettigen Fettsäuren kam.
Auch im Menschen nachgewiesen
In einem weiteren Schritt prüfte das Team, ob die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind. Die Forschenden werteten Daten von mehr als 1.000 Krebspatientinnen und -patienten aus. Bis zu 38 Prozent der Betroffenen über 50 Jahren wiesen in den untersuchten Kohorten eine chronische ATF6-Aktivierung auf. Zudem fanden die Forschenden auch zahlreiche eben jener langkettigen Fettsäuren, die sie auch in Mäusen mit dauerhaft aktiviertem ATF6 nachgewiesen haben.
Lassen sich aus diesen Ergebnissen schon Maßnahmen ableiten – etwa mikrobiotische Präparate, die das Wachstum von Bakterien wie Desulfovibrio fairfieldensis eindämmen? Dirk Haller sagt: „Eine Therapie können wir auf dieser Basis noch nicht empfehlen. Wir forschen momentan unter anderem zu der Frage, welchen Einfluss die Ernährung auf diese Prozesse hat und ob die chronische ATF6-Aktivierung auch bei anderen Krebsarten eine Rolle spielt. Auf diesen Ergebnissen aufbauend, können wir in Zukunft hoffentlich mit klinischen Tests und Methoden wirksame Therapien entwickeln.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dirk Haller
Technische Universität München
Lehrstuhl für Ernährung und Immunologie
Telefon: +49 (8161) 71 – 2026
dirk.haller@tum.de
Dr. Olivia Coleman
Technische Universität München
Lehrstuhl für Ernährung und Immunologie
Telefon: 08161-71 2374
olivia.coleman@tum.de
Originalpublikation:
Coleman, O.I., Sorbie, A., Riva, A. et al.: ATF6 activation alters colonic lipid metabolism causing tumour-associated microbial adaptation. Nat Metab (2025). https://doi.org/10.1038/s42255-025-01350-6
Weitere Informationen:
https://mediatum.ub.tum.de/1798898 Weitere Bilder
Bilder
Prof. Dirk Haller und Dr. Olivia Coleman
Quelle: Astrid Eckert
Copyright: Astrid Eckert / TUM
Darmprobe auf Objektträger
Quelle: Astrid Eckert
Copyright: Astrid Eckert / TUM
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
