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29.10.2025 19:37
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Fragiles Herz – erst recht bei langer Erkrankungsdauer plus Komorbidität und auch bei Typ-1-Diabetes
Neue Daten aus Schweden zum kardiovaskulären Risiko bei Diabetes sind Weckruf für bessere Früherkennung und Behandlung
Dass Menschen mit Diabetes für Herz-Kreislauf-Erkrankungen prädestiniert sind und kardiovaskuläre Ereignisse dafür sorgen, dass diese Patienten vorzeitig versterben, ist bekannt. Nun gibt es neue Ergebnisse einer großen, landesweiten Kohortenstudie mit bevölkerungsbasierten Daten aus Schweden, in der man das Risiko für die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität bei Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes verglichen hat. Dabei wurden Daten aus dem schwedischen Nationalen Diabetes-Register (NDR) mit Einbezug aller stationären und ambulanten Aufenthalte ausgewertet, um die Inzidenz von Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz, Schlaganfall und kardiovaskulärem Tod festzustellen.
Datenanalyse mit über 400 000 Erwachsenen
Untersucht wurden in Schweden lebende Menschen mit Diabetes, insgesamt 404 026 Erwachsene im Alter von 18 bis 84 Jahren, die im NDR und anderen nationalen Registern gemeldet waren. Die Nachbeobachtungszeit lief über einen Zeitraum von 5 Jahren. Der Anteil von Patienten mit Typ-1-Diabetes lag bei 9,5% (n=38 351, Altersdurchschnitt 44,1 Jahre). Die Anzahl der Patienten mit Typ-2-Diabetes betrug 90,5% (n=365 675 Altersdurchschnitt 66,4 Jahre). Für die Auswertung wurden Cox-Regressionsanalysen durchgeführt, die um Alter, Geschlecht und multiple kardiovaskuläre Risikofaktoren adjustiert wurden. Darüber hinaus erfolgte ein Vergleich der Typ-1-Diabetes- und Typ-2-Diabetes-Kohorten mit entsprechend geeigneten Kontrollgruppen ohne Diabetes.
Bei Typ-2-Diabetes steigt Risiko unter 50 Jahren
Die Ergebnisse zeigen, dass verglichen mit Typ-1-Diabetes das Risiko für den kombinierten Endpunkt eines kardiovaskulären Ereignisses (Hazard Ratio [HR] 1,23; 95% – Konfidenzintervall [CI] 1,07-1,41) bei Menschen mit Typ-2-Diabetes unter 50 Jahren höher, im Alter von über 60 Jahren jedoch geringer war (HR 0,87). Ein ähnliches Muster konnte für den Myokardinfarkt (HR 0,67) und die Gesamtmortalität (HR 0,89) im Alter von über 60 Jahren beobachtet werden. Insgesamt und über alle Altersgruppen war allerdings das Risiko für einen Schlaganfall bei Typ-2-Diabetes niedriger (HR 0,91) als bei Typ-1-Diabetes. Anders bei der Herzinsuffizienz: Hier konnte bei Menschen mit Typ-2-Diabetes unter 50 Jahren ein höheres Risiko (HR 1,60) nachgewiesen werden.
Mit Vorerkrankung höheres Risiko bei Typ-1-Diabetes
Das schwedische Forschungsteam stellte auch fest: Lag bereits eine kardiovaskuläre Erkrankung vor, war das Risiko für Patienten mit Typ-2-Diabetes geringer als für Betroffene mit Typ-1-Diabetes. Das galt für Herz-Kreislauf-Erkrankungen insgesamt (HR 0,76), für Myokardinfarkt (HR 0,62), kardiovaskuläre Mortalität (HR 0,68) und Gesamtmortalität (HR 0,71). Mit Bereinigung von multiplen kardiovaskulären Risikofaktoren in der Analyse, konnte bei der Kohorte Typ-2-Diabetes verglichen mit Typ-1-Diabetes in der Summe ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Mortalität nachgewiesen werden. Eine längere Diabetesdauer war in beiden Kohorten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert, allerdings bei Typ-2-Diabetes in moderaterer Ausprägung als bei Typ-1-Diabetes. Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss: Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes wirkt sich die lange Erkrankungsdauer mit glykämischer Belastung ungünstig aus, bei Menschen mit Typ-2-Diabetes sind es die häufigeren Komorbiditäten und das höhere Alter.
Ergebnisse sind Spiegelbild klinischer Wirklichkeit
„Dass Menschen mit Diabetes unabhängig vom Erkrankungstyp anfällig für kardiovaskuläre Komplikationen sind und das Risiko mit langer Krankheitsdauer, auch mit Komorbiditäten zunimmt, deckt sich mit unseren klinischen Erfahrungen aus drei Jahrzehnten Versorgung in Klinik und Praxis“, sagen Prof. Dr. med. Dr. h.c. Diethelm Tschöpe und Dr. med. Rolf Dörr von der Stiftung DHG (Diabetes I Herz I Gefäße). Genau wie es Patienten gebe, die akut oder elektiv auf dem Kathetertisch landen und erstmalig von der Diagnose Typ-2-Diabetes erfahren, seien Patienten mit Typ-1-Diabetes überrascht, wenn sie von ihrer Herzerkrankung samt erforderlicher Therapieschritte hören. „Das ist auch für die behandelnden Ärzte ein alarmierender Weckruf“, betont Tschöpe. Genau diese Patienten sollten hinsichtlich ihres kardiovaskulären Risikoprofils früher erkannt und intensiver betreut werden. Trotz Erkenntniszuwachs, technischem Fortschritt und bestmöglichen Behandlungsstandards bleibe noch zu viel tun, um Menschen mit Diabetes besser zu versorgen und Sterblichkeit zu reduzieren – dies beginne bei der Prävention, Patientenaufklärung und Zusammenarbeit von Diabetologie und Kardiologie.
Die Stiftung DHG (Diabetes I Herz I Gefäße) wurde 1999 mit dem Auftrag gegründet, zum Krankheitsverständnis beizutragen, Menschen über das Herz- und Gefäßrisiko aufzuklären und den Dialog zwischen behandelnden Ärzten über Fachgrenzen hinaus zu fördern. Vier Endokrinologen und Diabetologen, fünf Kardiologen und drei Neurologen gehören zum Vorstand. Das Team der gemeinnützigen Stiftung engagiert sich ehrenamtlich und hält an den Prinzipien Wissenschaftlichkeit, Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit fest. Ziel der Stiftung ist es auch, Forschung voranzubringen und die Versorgung zu verbessern.
Originalpublikation:
Patsoukaki V, Lind L, Lampa E, Radhi S, Eeg-Olofsson K, Eliasson B, Eriksson JW. Risk differences and underlying factors of cardiovascular events and mortality in patients with type 2 diabetes versus type 1 diabetes: a longitudinal cohort study of Swedish nationwide register data. Lancet Diabetes Endocrinol. 2025 Oct;13(10):848-862. doi: 10.1016/S2213-8587(25)00165-2. Epub 2025 Aug 25. PMID: 40876474
Bilder
Besonders anfällig bei Diabetes ist das Herz. Es unterscheidet nicht nach Erkrankungstyp.
Quelle: Stefanie Sudek-Mensch
Copyright: Sudek-Mensch/Stiftung DHG
Diabetologe Prof. Dr. med. Dr. h.c. Diethelm Tschöpe und Kardiologe Dr. med. Rolf Dörr von der Stift …
Quelle: Peter Hübbe und privat
Copyright: Archiv Herz- und Diabeteszentrum NRW und Praxisklinik Herz und Gefäße
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
Deutsch





































































































