Ausgrenzende Rhetorik gleich welcher politischen Partei erhöht die Stimmen für rechtsextreme Parteien



Teilen: 

09.11.2023 08:35

Ausgrenzende Rhetorik gleich welcher politischen Partei erhöht die Stimmen für rechtsextreme Parteien

Durch den Gebrauch nationalistischer, einwanderungsfeindlicher Rhetorik erhöhen die etablierten Parteien unbeabsichtigt die Wahlchancen rechtsextremer Parteien, so das Ergebnis neuer Untersuchungen.

Der Aufstieg rechtspopulistischer Parteien in Europa veranlasst einige etablierte Parteien dazu, die Unterstützung der Wähler*innen durch rechtsextreme, pro-nationalistische und einwanderungsfeindliche Positionen zurückgewinnen zu wollen. Neue Forschungsergebnisse aus Deutschland und Israel deuten jedoch darauf hin, dass diese Strategie in erster Linie den rechtsextremen Parteien nützt, nicht aber der politischen Mitte.

Antonia C. May vom GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften und Dr. Christian S. Czymara von der Universität Tel Aviv und der Goethe-Universität in Frankfurt haben Umfragedaten von im Land geborenen Einwohner*innen in 26 europäischen Ländern zwischen 1995 und 2017 mit Daten aus Parteiprogrammen kombiniert. Ihre Analyse zeigt, dass, obwohl 53 % der europäischen Befragten im untersuchten Zeitraum enge Vorstellungen von nationaler Identität hatten, nur 7 % von ihnen angaben, eine rechtsextreme Partei zu bevorzugen. Wenn jedoch politisch Verantwortliche in allen Parteien eine ausgrenzende Rhetorik verwendeten, stieg die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Wähler*innen rechtsextremen Parteien zuwandten, signifikant an, insbesondere bei denjenigen, die eine enge Vorstellung von nationaler Identität vertraten. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass derart ausgrenzende Diskurse der politischen Eliten Personen mit nationalistischen Konzepten zum Handeln bewegen.

May und Czymara testeten ihre Hypothese, indem sie den Anteil der pro-nationalen und anti-migrantischen Positionen in den Wahlprogrammen aller großen Parteien bei jeder Wahl, die im Untersuchungszeitraum stattgefunden hat, berechneten. Unter Berücksichtigung weiterer relevanter Aspekte, wie z. B. der nationalen Einwanderungsrate oder der Arbeitslosenquote in den jeweiligen Ländern, kommen die Autor*innen zu dem Ergebnis, dass Wähler*innen, die eine ausgrenzende Linie der europäischen politischen Eliten – gleich welcher Partei – befürworten, eine deutlich stärkere Präferenz für eine rechtsextreme Partei zum Ausdruck bringen, als wenn eine solche Rhetorik nicht verbreitet ist. Ihre Analysen zeigen, dass sowohl die Vorstellungen der Wähler*innen darüber, wer als Landsmann bzw. -frau zählt, als auch die Rhetorik der politischen Eliten, rechtsextremen Wahlpräferenzen in Europa Vorschub leisten, insbesondere dann, wenn beide Aspekte zusammenwirken.

Ansprechpartnerin bei GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften:

Dr. Sophie Zervos
Pressesprecherin
sophie.zervos@gesis.org

Unter Sachsenhausen 6-8
D-50667 Köln
Tel.: +49(0)221 / 47694 – 136

www.gesis.org
www.facebook.com/gesis.org
www.twitter.com/gesis_org

Als eine der weltweit führenden Infrastruktureinrichtungen für die Sozialwissenschaften steht das GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften Forscher*innen auf allen Ebenen ihrer Forschungsvorhaben mit seiner Expertise und seinen Dienstleistungen beratend zur Seite, so dass gesellschaftlich relevante Fragen auf der Basis neuester wissenschaftlicher Methoden, qualitativ hochwertiger Daten und Forschungsinformationen beantwortet werden können. Um diesen Service heute und in Zukunft sicherzustellen, verknüpft GESIS seine integrierte Erhebungs- und Dateninfrastruktur mit Methoden, Modellen und Algorithmen der Informatik im Anwendungsfeld Sozialwissenschaften und erweitert kontinuierlich sein Angebotsportfolio im Bereich digitaler Verhaltensdaten. GESIS ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, Konsortialführerin von KonsortSWD in der NFDI und unterhält institutionelle und projektbezogene Kooperationen mit vielen Universitäten und Forschungseinrichtungen im In- und Ausland. GESIS ist an wichtigen europäischen Projekten wie u.a. dem European Social Survey (ESS), der European Value Study (EVS), dem europäischen Archivverbund CESSDA oder dem OECD-Projekt Programme for the International Assessment of Adult Competencies (PIAAC) beteiligt. Außerdem arbeitet das Institut kontinuierlich daran, das junge Forschungsfeld der Computational Social Science durch internationale Konferenzen, Symposien und Workshops in Deutschland und Europa zu stärken und eine weltweite Vernetzung voranzutreiben.


Originalpublikation:

May, A. C., & Czymara, C. S. (2023). Careless whisper: Political elite discourses activate national identities for far-right voting preferences. Nations and Nationalism, 1–20. https://doi.org/10.1111/nana.12985


Bilder


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Politik, Psychologie
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW