CAR-T-Zelltherapie: Nebenwirkungen im Fokus



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16.07.2025 11:38

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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CAR-T-Zelltherapie: Nebenwirkungen im Fokus

Die Immuntherapie mit CAR-T-Zellen findet immer neue Anwendungen und wird, neben dem Einsatz in der Behandlung von Blut- und Lymphdrüsenkrebs, inzwischen auch für solide Tumore und verschiedene Autoimmunerkrankungen untersucht. Mit den zunehmenden Indikationen und Patientenzahlen rückt das Thema der Nebenwirkungen dieser innovativen Therapie noch dringlicher in den Fokus. Ein Team um Privat-Dozent Dr. Kai Rejeski von der Medizinischen Klinik III des LMU Klinikums hat im renommierten Fachblatt „Nature Medicine“ eine neue Strategie vorgeschlagen, um auch neuartigen Nebenwirkungen systematisch und schneller als bisher zu begegnen. Sie heißt IAGO – wie der Bösewicht in Shakespeares Othello.

Weil mehr Patienten dank der CAR-T-Zelltherapie viele Jahre überleben, geraten zunehmend auch langfristige Nebenwirkungen in den Blick. Beispiele sind Entzündungen im Nervensystem, länger anhaltende Blutbildveränderungen und Zweittumore – vor allem aber im großen Stil Infektionen. „Das liegt daran, dass die im Körper verbleibenden CAR-T-Zellen andere Immunzellen, nämlich die B-Zellen, zerstören, was schlussendlich zu einem Antikörpermangel führt“, sagt Rejeski, „außerdem können anhaltende Zytopenien und langfristig erniedrigte körpereigene T-Zellen, etwa durch die initiale Lymphodepletion, das Immunsystem nachhaltig schwächen.“

„Deshalb“, so der Mediziner und Arbeitsgruppenleiter weiter, „dürfen Infektionen nicht bagatellisiert werden, denn sie können häufig auftreten und auch schwerwiegend verlaufen, das muss man im Hinterkopf behalten.“ Um sie bestmöglich systematisch zu erkennen und behandeln, braucht es Forschung an Universitätskliniken. Und für Forschung an Unikliniken braucht es eine strukturierte Erfassung von Daten, auch in enger Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten, die die Patienten langfristig betreuen.

Bessere Reporting Systeme für CAR-T assoziierte Infektionen erforderlich

In diesem Sinne „benötigen wir für CAR-T assoziierte Infektionen neue Reporting-Systeme mit definierten Standards“, sagt Rejeski. Standards, die Fragen beantworten wie: Wann ist die Infektion aufgetreten – in den ersten 30 Tagen oder danach? War es eine bakterielle oder virale Infektion oder eine Pilzinfektion? Wie schwerwiegend verlief sie? Ist sie aufgetreten, als der Patient im Krankenhaus war oder als der Patient zu Hause war? Hatte der Patient eine Antibiotika-Prophylaxe, während er diese Infektion entwickelt hatte?

„Das sind alles Informationen, die wir benötigen, um das Infektrisiko zwischen verschiedenen CAR-T Produkten nach den gleichen Maßstäben vergleichen zu können. “Hier”, so Rejeski weiter, “müssen wir uns dringend verbessern.”

Strukturierte Datenerfassung als Grundlage für bessere Behandlung

Dabei soll auch IAGO helfen. IAGO steht für die englischen Begriffe „Identification – Attribution – Grading – Optimization”. Diese Strategie soll jede neue Gruppe von Nebenwirkungen strukturiert angehen, die Infektionen genauso wie zum Beispiel jüngst aufgetretene neue neurologische Nebenwirkungen oder auch die Entstehung von Tumoren, die möglicherweise mit der CAR-T-Behandlung zusammenhängen.

Im ersten Schritt geht es um die Identifikation und Beschreibung von Nebenwirkungen nach ihrer Häufigkeit, Schwere und Beständigkeit. Im zweiten, der “Attribution”, darum, ob auftretende Nebenwirkungen wirklich kausal auf die Behandlung zurückzuführen sind. Der dritte Schritt, die Etablierung eines Grading-Systems, dreht sich um die klinische Bewertung der Nebenwirkung nach einem einheitlichen System. Einmal etabliert, sollten es alle Behandler verwenden.

Und abschließend: die „Optimization”, also die Optimierung des Managements der beschriebenen Nebenwirkung mittels neuer Therapieansätze. “Das alles”, sagt Rejeski, “ist der Rahmen, um dem Bösewicht der Nebenwirkung Herr zu werden.” Und eine zentrale Aufgabe der Ärzte und Forschenden, die die CAR-T-Zelltherapie in den kommenden Jahren nutzen.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

PD Dr. med. Kai Rejeski, MHBA
Medizinische Klinik und Poliklinik III
LMU Klinikum München
Campus Großhadern
Tel: +49 89 4400-72207
E-Mail: kai.rejeski@med.uni-muenchen.de


Originalpublikation:

Rejeski, K., Hill, J.A., Dahiya, S. et al. Noncanonical and mortality-defining toxicities of CAR T cell therapy. Nat Med (2025).
DOI: https://doi.org/10.1038/s41591-025-03813-5


Weitere Informationen:

https://www.lmu-klinikum.de/aktuelles/pressemitteilungen/car-t-zelltherapie-nebe…


Bilder

Neben seiner klinischen Tätigkeit leitet Dr. Rejeski die Arbeitsgruppe „Precision Immunotherapy“ an der Medizinischen Klinik III des LMU Klinikums.

Neben seiner klinischen Tätigkeit leitet Dr. Rejeski die Arbeitsgruppe „Precision Immunotherapy“ an
Quelle: Katrin Glückler
Copyright: LMU Klinikum


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW