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26.02.2025 10:11
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Darmkrebsmonat März: Vorsorge-Darmspiegelung hat Effekte auf Früherkennung und Prävention
Zur Wirksamkeit von Vorsorge-Darmspiegelungen wurde bislang eine einzige randomisierte Studie publiziert. Diese Untersuchung berichtete eine vergleichsweise bescheidene Reduktion der Darmkrebsfälle von nur 18 Prozent. Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) legen nun eine Berechnung vor, die den präventiven Effekt und den Früherkennungseffekt des Screenings voneinander trennt. Damit zeigen sie auf Basis der NordICC-Daten, dass durch eine einmalige Darmspiegelung drei von vier der innerhalb von zehn Jahren zu erwartenden Darmkrebsfälle entweder früh erkannt oder gar gänzlich verhütet werden können.
Die Vorsorge-Darmspiegelung gilt seit ihrer Einführung als Erfolgsgeschichte: In den USA sank die Krebsneuerkrankungsrate der älteren Bevölkerung nach flächendeckender Einführung der Darmspiegelung etwa um die Hälfte – obwohl Darmkrebs-Risikofaktoren wie etwa Fettleibigkeit im gleichen Zeitraum eher zunahmen.
Um den Erfolg klinischer Maßnahmen wie z.B. solcher Screening-Untersuchungen zu messen, gelten prospektive randomisierte kontrollierte Studien („RCTs“) als der Goldstandard. Zur Wirksamkeit von Vorsorge-Darmspiegelungen wurde bislang nur eine einzige solche Studie publiziert, die NordICC-Studie. Doch deren Langzeit-Ergebnisse deuteten auf eine mit 18 Prozent eher bescheidene Reduktion des Darmkrebsrisikos hin.
Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im DKFZ hat eine neue Analyse der Ergebnisse der NordICC-Studie durchgeführt, die die Wirkung der Darmspiegelung auf die Prävention und Früherkennung von Darmkrebs untersucht. Die Ergebnisse dieser Analyse zeigen, dass der Nutzen der Koloskopie deutlich größer ist, als die ursprüngliche Auswertung von NordICC vermuten ließ.
In der ursprünglichen Analyse wurde unter allen Teilnehmern, die zum Screening eingeladen waren, eine Reduktion des Darmkrebsrisikos von 18 Prozent festgestellt. Um 33 Prozent ging nach dieser Analyse das Risiko bei denjenigen zurück, die die Untersuchung tatsächlich wahrgenommen hatten. Diese Zahlen sorgten für Diskussionen über die Wirksamkeit und Kosteneffizienz der Darmspiegelung.
Die neue Analyse von Brenner und Kollegen unterscheidet erstmals zwischen Tumoren, die bereits zu Studieneintritt vorhanden, aber noch nicht diagnostiziert waren, und die durch die Vorsorge-Koloskopie frühzeitig erkannt wurden – und Fällen, die durch die Entfernung von Vorstufen des Krebses verhindert wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass von denjenigen Personen, die tatsächlich an der Koloskopie teilgenommen hatten, 40 Prozent der innerhalb von zehn Jahren auftretenden Darmkrebsfälle frühzeitig erkannt und 34 Prozent durch Prävention verhindert wurden. Insgesamt konnten also Dreiviertel der ohne Screening zu erwartenden Fälle entweder frühzeitig erkannt oder verhindert werden.
Die neue Analyse verdeutlicht, dass die ursprüngliche Bewertung die präventiven Effekte der Koloskopie unterschätzt hat. „Es ist wichtig zu verstehen, dass die Früherkennung von Tumoren durch Screening ein erwünschter Effekt ist und nicht als Versagen der Prävention gewertet werden sollte“, erläutert Michael Hoffmeister, Koautor der Studie.
Die Forscher betonen, dass andere Faktoren, wie z.B. die Durchführung diagnostischer Koloskopien außerhalb des Screenings („graues Screening“) und Verzögerungen bei der Registrierung von Krebsfällen, zu einer zusätzlichen Unterschätzung der Effekte geführt haben. Der tatsächliche präventive Effekt der Koloskopie dürfte daher sogar noch deutlich größer sein.
Die Ergebnisse der neuen Berechnung stehen im Einklang mit früheren Beobachtungsstudien, die eine starke Risikoreduktion durch die Koloskopie belegen, sowie mit Daten aus Ländern wie den USA, in denen das Screening weit verbreitet ist. „Wir hoffen sehr, dass unsere Analyse dazu beiträgt, die durch die ursprüngliche Publikation der NordICC-Studie entstandenen Unsicherheiten zu klären und die Bemühungen zur Darmkrebsvorsorge zu stärken. Die Methode, die wir hier vorstellen, könnte auch als Vorbild für zukünftige Analysen von Screening-Studien dienen, die sowohl Prävention als auch Früherkennung kombinieren“, erklärt Hermann Brenner.
Hermann Brenner, Tim Holland-Letz, Annette Kopp-Schneider, Thomas Heisser, Michael Hoffmeister: Unraveling the effects of screening colonoscopy on colorectal cancer early detection and prevention: the NordICC trial revisited
Cancer Communication 2024, https://doi.org/10.1002/cac2.12642
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
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