Dezentrales Monitoring der Atmung von Covid-19- Patienten



Teilen: 

03.02.2022 08:10

Dezentrales Monitoring der Atmung von Covid-19- Patienten

Ziel des von der Fraunhofer-Gesellschaft initiierten Clusterporjekts M3Infekt
war die Entwicklung technischer Grundlagen für eine umfassendere
Vitalüberwachung und Betreuung von Covid-19-Patienten auch außerhalb von
Intensivstationen. Nach Abschluss des Projekts stellten nun die beteiligten Institute ihre Ergebnisse vor. Das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS lieferte mithilfe seiner fortschrittlichen CMUT-Ultraschallsensorik einen wichtigen
Beitrag zur Entwicklung eines mobilen und leistungsfähigen Spirometers. Das
Gerät zur Analyse der Lungenfunktion ist Teil einer KI-gesteuerten, dezentralen
Patientenüberwachung und wird in zukünftigen Projekten weiterentwickelt.

Der SARS-CoV-2-Virus stellt hohe Anforderungen an die medizinische Diagnostik. Denn
selbst milde Verläufe können sich akut verschlechtern und schwerwiegende Symptome
verursachen. So werden plötzliche Gesundheitsverschlechterungen oft erst
zeitverzögert erkannt und Betroffene zu spät in ein Krankenhaus gebracht. Deswegen
ist vor allem für gefährdete Bevölkerungsgruppen eine durchgängige
Patientenüberwachung angeraten. Jedoch ist ein solches Monitoring bisher nur auf
Intensivstationen mit den entsprechenden medizinischen Geräten und Fachpersonal
möglich.

Eine KI-gesteuerte, dezentrale Patientenüberwachung auf Normalstationen sowie in
außerklinischen Umgebungen könnte die Krankenhäuser stark entlasten. Das im Jahr
2020 von der Fraunhofer-Gesellschaft initiierte Clusterprojekt M3Infekt sollte die
technischen Grundlagen für eine mobile Erfassung, Analyse und Fusion relevanter
medizinischer Daten schaffen. Damit werden valide Diagnosen über Zustand und
Krankheitsverlauf auch aus der Ferne möglich und Intensivstationen nur um Notfall
nötig.

Ein wichtiger Teil dieses Remote-Monitorings ist die spirometrische Atemluftanalyse
mithilfe eines MEMS-basierten Ultraschallsensors, welcher vom Fraunhofer IPMS in
Dresden entwickelt wird. Die Spirometrie dient der Kontrolle des Luftflusses der
Patienten und damit generell der Atmungsüberwachung. Neben anderen Parametern
des Herz-Kreislaufsystems, wie Herzrate, EKG oder Sauerstoffsättigung, erlaubt dies
Asthma und COPD.

»Das übergeordnete Ziel bestand in der kontinuierlichen und mobilen
Zustandsüberwachung von Patienten mit Atemwegserkrankungen im (prä-)klinischen
und pflegerischen Umfeld durch die Erfassung von physikalischen Atmungsparametern
mittels eines transportablen Sensorsystems«, erklärt Dr. Sandro Koch, Wissenschaftler
am Fraunhofer IPMS. Hierfür wurde ein Konzept für ein Ultraschallspirometer
bestehend aus einem portablen System für Elektronik und Datenverarbeitung sowie ein
Einwegmodul für die Sensorik entwickelt. »Der Einsatz eines Wegwerf-Analysemoduls
ist ein wichtiges Kriterium, um eine Kreuzkontamination zwischen Patienten zu
verhindern«, so Dr. Sandro Koch weiter.

Zu Testzwecken entwickelte das Fraunhofer IPMS das Spirometersystem M3Spiro Rev03
für Atemluft. Dabei wurde ein 3D-gedrucktes Einweg-Mundstück sowie ein Mehrweg-
Strömungsrohr aus Polyactic (PLA) mit eingebetteten piezo-basierten
Ultraschallsensoren verwendet. »Im Rahmen einer klinischen Studie am
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden (UKDD) wurde dieser Atemmesser
erfolgreich an 33 Probanden erprobt«, sagt Koch, der mit seinem Team bereits an der
nächsten Generation des Spirometersystems arbeitet.

Eine besondere Rolle spielt dabei die Nutzung kapazitiver mikromechanischer
Ultraschallwandler (CMUTs), welche eine weitere Verkleinerung des Spirometers bei
geringerer Störanfälligkeit und höherer Genauigkeit verwirklichen. »Diese
miniaturisierten Sensorstrukturen, deren elektrostatisches Wirkprinzip das Senden und
die Detektion von Ultraschallwellen ermöglicht, sind eine neue Generation von
Ultraschallwandlern«, so Koch. Sie werden mit Verfahren der Halbleitertechnologie
gefertigt und ermöglichen dadurch eine große Flexibilität im Sensordesign bei einer
hohen Präzision und Reproduzierbarkeit im Fertigungsprozess für ein- und
mehrkanalige Systeme. »Darüber hinaus beinhalten der Herstellungsprozess und die
CMUT-Elemente keine toxischen Stoffe wie etwa Blei. Die kapazitiven Wandler des
Fraunhofer IPMS sind daher RoHS konform und bieten eine Alternative zu bisherigen
piezoelektrischen Sensoren«, erklärt Koch weiter.

Während in den durchgeführten Versuchen erfolgreich die Realisierbarkeit
nachgewiesen wurde, besteht noch weiterer F&E-Bedarf in der Sensoroptimierung, der
Systemgröße und der KI-Algorithmik. »Die identifizierten Herausforderungen im
Spirometersystem werden in einem weiteren Entwicklungszyklus adressiert, um den
nächsten Schritt in Richtung einer wirtschaftlichen Verwertung zu gehen.«, erklärt
Sandro Koch abschließend.

_____

Über das Fraunhofer IPMS

Das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS steht für angewandte
Forschung und Entwicklung in den Bereichen industrielle Fertigung, Medizintechnik
und verbesserte Lebensqualität. Unsere Forschungsschwerpunkte sind miniaturisierte
Sensoren und Aktoren, integrierte Schaltungen, drahtlose und drahtgebundene
Datenkommunikation sowie kundenspezifische MEMS-Systeme.

Über das Projekt M3Infekt

Das M3Infekt-Konsortium unter Leitung des Fraunhofer IIS besteht aus zehn
Fraunhofer-Instituten und vier medizinischen Partnern, deren verschiedene fachliche
Kompetenzen sich interdisziplinär ergänzen. Die Arbeiten wurden im Rahmen der
Internen Programme der Fraunhofer-Gesellschaft, Fördernummer Anti-Corona 840259,
gefördert.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Sandro Koch – sandro.koch@ipms.fraunhofer.de


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Elektrotechnik, Medizin, Physik / Astronomie
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW