Forschung an neuen Therapien: Wie Natürliche Killerzellen Leukämie bekämpfen könnten



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18.12.2024 16:00

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Forschung an neuen Therapien: Wie Natürliche Killerzellen Leukämie bekämpfen könnten

Jedes Jahr erkranken in Deutschland rund 13.000 Menschen an Leukämien. Trotz intensiver Chemotherapien stirbt etwa jeder Zweite davon. Hinzu kommt, dass derzeitige Therapien starke Nebenwirkungen haben und insbesondere die Neubildung gesunder Blutzellen hemmen. Eine Alternative sind Therapiekonzepte, die die natürliche Schlagkraft des Immunsystems nutzen. Allerdings verfügen Tumorzellen über Mechanismen, um den Angriff der Immunzellen auszubremsen. Dem Team um Prof. Evelyn Ullrich an der Universitätsmedizin Frankfurt ist es nun gelungen, leukämie-spezifische Immunzellen gegen den Einfluss der Tumorzellen weniger empfindlich zu machen und damit ihre Wirksamkeit deutlich zu erhöhen.

FRANKFURT. Es sind verschiedene Formen von Blutkrebs, die unter dem Begriff Leukämie zusammengefasst werden. Eine häufige Form der Leukämie ist die Akute Myeloische Leukämie (AML), bei der frühe Vorstufen der Blutzellen entarten – die Stammzellen und die daraus hervorgegangenen Vorläuferzellen. Trotz Behandlung mit intensiver Chemotherapie überleben nur zwischen 20 Prozent und der Hälfte der Erkrankten die ersten fünf Jahre nach Diagnose und Behandlung. Hinzu kommt, dass die intensiven Therapien insbesondere die blutbildenden Stammzellen schädigen und somit sehr starke Nebenwirkungen haben und. Neue Therapieansätze werden deshalb dringend gesucht.

Dazu gehören Immuntherapien, wie sie Evelyn Ullrich mit ihrem Team an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Frankfurt erforscht. „Immuntherapien nutzen die natürliche Schlagkraft des Immunsystems gegen bösartig veränderte Leukämiezellen“, erklärt die Professorin für Zelluläre Immunologie. Die Krebszellen werden dabei zum Beispiel von Killerzellen des Immunsystems erkannt. Eine T-Killerzelle besitzt dazu auf ihrer Oberfläche eine Struktur, die wie eine Art Schloss geformt ist, in die eine entsprechende Struktur auf der Krebszelloberfläche wie ein Schlüssel hineinpasst. Fachsprachlich nennt man das Schloss der T-Killerzelle „Antigenrezeptor“ und den Schlüssel „Antigen“. Steckt der „Schlüssel“ im „Schloss“, kommt es also zur Bindung von Antigen und Rezeptor, tötet die T-Killerzelle die Krebszelle ab. „Den Antigenrezeptor können wir heute so maßschneidern, dass er auf ein bestimmtes Merkmal eines Tumors aufmerksam gemacht wird“, führt die Medizinerin aus. Dazu werden T-Killerzellen aus dem Patientenblut aufgereinigt. Anschließend wird mit gentechnischen Verfahren ein sogenannter chimärer Antigenrezeptor (CAR) eingefügt, der die Eigenschaften mehrerer Proteine so vereint, dass der Angriff auf diesen speziellen Tumor optimiert wird.

T-Killerzellen mit chimärem Antigenrezeptor (CAR-T-Zellen) werden bereits erfolgreich in der Behandlung von Leukämien eingesetzt. Alternativ kommt inzwischen auch eine andere Art von Killerzellen zum Einsatz, sogenannte Natürliche Killerzellen (NK). Sie erkennen entartete Zellen nicht an bestimmten Antigenen, sondern über andere Anomalien an deren Oberfläche. Stattet man sie zusätzlich mit einem chimären Antigenrezeptor aus, können sie Krebszellen auf zwei Wegen bekämpfen. Ein weiterer Vorteil ist, dass CAR-NK-Zellen in bisherigen klinischen Studien kaum Nebenwirkungen verursachen.

Allerdings verfügen Krebszellen über verschiedene Tricks, um sich dem Angriff der Immunzellen zu entziehen. So können sie unter anderem Immunzellen vor dem Beginn eines Angriffs einfach abzuschalten. Dazu dient eine Kontrollstelle in Form eines Eiweißes auf der Oberfläche der Immunzelle. Dieser „Immuncheckpoint“ überprüft jede einzelne Zelle, die an den Antigenrezeptor gebunden hat, noch einmal explizit darauf, ob es sich nicht doch um eine körpereigene Zelle handelt. Letztere geben dem Kontrollpunkt eine entsprechende Rückmeldung, woraufhin der Immunangriff unterbleibt. Im gesunden Körper sorgt dies dafür, dass Immunzellen nicht versehentlich normale Körperzellen angreifen und großen Schaden anrichten.

Da Krebszellen im Ursprung auch körpereigene Zellen sind, können manche von ihnen ebenfalls mit dem Checkpoint kommunizieren und den Angriff von Immunzellen stoppen. Das kann auch die CAR-Immunzellen betreffen und ist bei derzeitigen Immuntherapien ist daher ein großes Problem. Immuntherapien werden deshalb häufig mit Medikamenten kombiniert, die die Immuncheckpoints auf den Immunzellen abschirmen, so dass Krebszellen nicht mehr darauf zugreifen können.

Ullrichs Team hat aber einen weiteren Weg gefunden, um die Abschaltung der maßgeschneiderten Immunzellen zu verhindern. In Laborexperimenten gelang es den beiden Doktoranden Tobias Bexte und Nawid Albinger, in NK-Zellen, die sich spezifisch gegen AML-Zellen richteten, einen wichtigen Immuncheckpoint komplett ausschalten. Dazu zerschnitten sie das entsprechende Gen mithilfe der „Genschere“ CRISPR/Cas, sodass der Kontrollpunkt nicht mehr gebildet wurde. Auf diese Weise verhinderten die Forscher erfolgreich, dass die Krebszellen – in Versuchen mit Zellen aus Patient*innen – eine Immuntoleranz erzwingen konnten.

Die CAR-NK-Zellen ohne Immuncheckpoint konnten Krebszellen aus AML-Patient*innen deutlich besser töten als NK-Zellen, die entweder nur den CAR-Rezeptor trugen oder denen ausschließlich der Immuncheckpoint fehlte. „Besonders vielversprechend ist, dass unsere doppelt modifizierten NK-Zellen selbst gegen Krebszellen wirkten, deren molekulares Profil oft mit erhöhter Therapieresistenz einhergeht”, erläutert Tobias Bexte, Clinician Scientist an der Goethe-Universität. Mäuse, denen die Forschenden menschliche AML-Zellen übertrugen, überlebten deutlich länger, wenn sie diese doppelt modifizierten NK-Zellen erhielten – selbst bei deutlich reduzierten Wirkstoffdosen. „Zukünftige Studien müssen nun klären, ob die maßgeschneiderten Immunzellen auch im Menschen wirken“, fasst Ullrich die nächsten Schritte und Ziele ihrer Forschung zusammen.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Evlyn Ullrich
Arbeitsgruppe Experimentelle Immunologie und Zelltherapie
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsmedizin Frankfurt
Tel. +49 (0)69 6301 83000
evelyn@ullrichlab.de
https://www.ullrichlab.de/


Originalpublikation:

Tobias Bexte, Nawid Albinger, Ahmad Al Ajami, Philipp Wendel, Leon Buchinger, Alec Gessner, Jamal Alzubi, Vinzenz Särchen, Meike Vogler, Hadeer Mohamed Rasheed, Beate Anahita Jung, Sebastian Wolf, Raj Bhayadia, Thomas Oellerich, Jan-Henning Klusmann, Olaf Penack, Nina Möker, Toni Cathomen, Michael A. Rieger, Katharina Imkeller, Evelyn Ullrich: CRISPR/Cas9 editing of NKG2A improves the efficacy of primary CD33-directed chimeric antigen receptor natural killer cells. Nature Communication 15, 8439 (2024) https://doi.org/10.1038/s41467-024-52388-1


Bilder

Zellanalyse: Die genetischen Veränderungen in den CAR-NK-Zellen können in einem so genannten Durchflusszytometer (FACS) überprüft werden. Prof. Evelyn Ullrich, Tobias Bexte (v.l.).

Zellanalyse: Die genetischen Veränderungen in den CAR-NK-Zellen können in einem so genannten Durchfl
Peter Kiefer
Goethe-Universität Frankfurt

Prof. Dr. Evelyn Ullrich, Universitätsmedizin Frankfurt.

Prof. Dr. Evelyn Ullrich, Universitätsmedizin Frankfurt.
Peter Kiefer
Goethe-Universität Frankfurt


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW