Gestörte Protein-Balance verursacht grauen Star



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16.02.2021 10:16

Gestörte Protein-Balance verursacht grauen Star

Der graue Star ist die häufigste Augenerkrankung beim Menschen. Die genauen Prozesse bei der Entstehung der Krankheit sind allerdings noch nicht vollständig aufgeklärt. Ein Forschungsteam unter der Leitung der Technischen Universität München (TUM) hat nun herausgefunden, dass die Zusammensetzung der Proteinlösung eine entscheidende Rolle spielt. Die Erkenntnisse widersprechen der bisherigen Lehrmeinung.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Die Zellen der Augenlinse bestehen aus einer hoch konzentrierten Proteinlösung. Diese Lösung ist normalerweise klar. „Wenn das Gleichgewicht der Proteine in der Linse gestört ist, verklumpen diese miteinander und die Augenlinse trübt sich“, erklärt Prof. Johannes Buchner vom Lehrstuhl für Biotechnologie der TUM. Dann entsteht der graue Star, in Fachkreisen als Katarakt bekannt.

Die Trübung kann verschiedene Ursachen haben. Da die Proteine der Augenlinse bereits im Embryo gebildet und nicht ersetzt werden, können sich Schädigungen an den Proteinen im Laufe der Jahre anhäufen und schließlich zur Trübung führen. Daher tritt der graue Star vor allem im Alter auf. Aber es existiert auch eine genetische Disposition für die Augenkrankheit, bei der Proteine der Augenlinse mutiert sind – in diesen Fällen ist der graue Star bereits angeboren oder tritt in der Kindheit auf.

Instabile Proteine werden sofort abgebaut

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten Mäusestämme, die an erblich bedingten grauen Star litten. Sie arbeiteten dabei mit der Forschungsgruppe um Jochen Graw zusammen, bis 2019 am Institut für Entwicklungsgenetik des Helmholtz Zentrums München und Experte für Augenlinsen.

Die gängige Lehrmeinung war bisher, dass nur die defekten Proteine im Auge miteinander reagieren und verklumpen. Doch das Team um Buchner konnte nun an den Mäusen mit „genetischen Katarakten“ zeigen, dass dies nicht der Fall ist. „Wir haben herausgefunden, dass die mutierten, instabilen Proteine in der Augenlinse gar nicht vorhanden sind“, erklärt Buchner. „Sie werden sofort abgebaut.“ Stattdessen verklumpen die restlichen Proteine miteinander. „Unser aus den neuen Erkenntnissen entwickeltes Modell ist, dass die Balance der verschiedenen Proteine, also ihr Verhältnis zueinander wichtig ist. Wenn eins dieser Bestandteile fehlt, interagiert der Rest und verklumpt.“

Wichtiger Schritt für die Behandlung des grauen Stars

Zwar wurden schon viele Studien durchgeführt, um die Entstehung des grauen Stars zu verstehen. „Eine so umfassende Untersuchung der Augenlinsen von Mäusen im Vergleich von Wildtyp und Mutanten ist aber bisher noch nicht gemacht worden“, sagt Buchner. Die neuen Erkenntnisse sind ein wichtiger Schritt bei der Suche nach neuen Behandlungsmethoden der Augenkrankheit. Die gängige Methode ist eine Operation, bei der künstliche Linsen ins Auge eingesetzt werden.

„Wenn man versteht, was genau passiert, kann man auch überlegen, wie man die falschen Interaktionen vielleicht mit Medikamenten stören kann“, sagt Buchner. „Das ist allerdings noch ein weiter Weg – und zunächst muss gezeigt werden, dass das vorgeschlagene Modell auch für menschliche Augenlinsen zutrifft.“


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Johannes Buchner
Technische Universität München
Fakultät für Chemie
Tel. +49 89 289 13340
johannes.buchner(at)tum.de


Originalpublikation:

Schmid, P.W.N., Lim, N.C.H., Peters, C. et al.: Imbalances in the eye lens proteome are linked to cataract formation. Nat Struct Mol Biol 28, 143–151 (2021).
https://doi.org/10.1038/s41594-020-00543-9


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW