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28.01.2025 15:28
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Gleich und doch verschieden: wie sich nahverwandte Bakterien unterscheiden
– Gemeinsame Pressemitteilung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie Plön –
Publikation unter Federführung der CAU und des MPI Plön zeigt, wie sich einzelne Bakterien des krankmachenden Bakteriums Pseudomonas aeruginosa in ihrem Typ VI Sekretionssystem unterscheiden
• Pseudomonas aeruginosa-Bakterien können lebensbedrohliche Infektionen verursachen,
sind aber nicht alle gleich,
• das Typ VI Sekretionssystem ermöglicht es Bakterien, sogenannte Effektorprotein aus der
Zelle zu schießen und damit ihre Umwelt zu verändern oder Nährstoffe aufzunehmen,
• die Forschenden zeigen, welche Gene des Typ VI Sekretionssystems gleich sind und
welche sich zwischen verschiedenen P. aeruginosa-Bakterien unterscheiden. Diese
Unterschiede könnten zu einem Wettkampf zwischen diesen Bakterien führen oder ihnen
Fitness-Vorteile in bestimmten Umgebungen verschaffen,
• die Erkenntnisse helfen zu verstehen, wie sich nahverwandte Bakterien
evolutionsbiologisch verändern und könnten Anwendung zur besseren Diagnose und
Behandlung von Infektionen finden.
Egal wo Bakterien leben, konkurrieren sie ständig mit anderen Bakterien um Platz und Nährstoffe – und das nicht immer friedlich. Eine Möglichkeit, mit der Bakterien sich einen Vorteil über andere Bakterien verschaffen können, ist mithilfe des Typ VI Sekretionssystems (T6SS). Das T6SS funktioniert ähnlich wie ein Bogen. Dr. Luke Allsopp, einer der Mitautoren der Studien, sagt: „Bakterien können das T6SS nutzen, um Proteine aus der bakteriellen Zelle zu schießen, ähnlich wie ein Bogen Pfeile abfeuert.” Diese sogenannten Effektorproteine kann man sich wie Giftpfeile vorstellen. Sie haben verschiede Funktionen und können zum Beispiel benachbarte Bakterien umbringen, eukaryotische Zelle manipulieren oder Nährstoffe aufnehmen. „Das T6SS ist also eine Art Superkraft für Bakterien. Es ermöglicht ihnen andere Bakterien zu bekämpfen und ihre Umgebung zu verändern“, sagt Dr. Daniel Unterweger, korrespondierender Autor der Publikation. Wie sich krankmachende Bakterien in ihrem T6SS unterscheiden ist noch nicht ganz verstanden.
Forschende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön (MPI-EB) und des National Heart and Lung Institute am Imperial College London haben nun herausgefunden, dass sich krankmachende Pseudomonas aeruginosa-Bakterien in der DNA ihrer T6SS Effektoren massiv unterscheiden. In einer Studie, die gerade in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Nature Communications erschienen ist, haben die Forschenden die DNA von circa 2000 verschiedenen P. aeruginosa-Bakterien verglichen und analysiert, welche der T6SS Effektoren in welchen Bakterien zu finden sind. Mithilfe dieses populationsgenetischen Ansatzes haben sie herausgefunden, dass manche T6SS Effektoren in allen P. aeruginosa-Bakterien vorkommen und andere Effektoren hingegen nicht. „Dieser Unterschied in der Verbreitung der Effektorproteine war für uns zunächst überraschend“, so Dr. Antonia Habich, Erstautorin der Publikation und Wissenschaftlerin in der BMBF-finanzierten Arbeitsgruppe Infektionsbiologie von Dr. Unterweger an CAU und MPI-EB, und fügt hinzu „Letztendlich konnten wir dies aber erklären. So sind zum Beispiel Effektoren für die Nähstoffaufnahme bei allen Stämmen vorhanden und Effektoren zum gegenseitigen Wettkampf mit Bakterien unterscheiden sich.“
Die Forschenden sind auch der Frage nachgegangen, wie es überhaupt zu so einer großen Diversität innerhalb der Spezies kommen konnte. Dazu haben sie weitere bioinformatische Analysen durchgeführt und Hinweise dafür gefunden, dass P. aeruginosa-Bakterien die Gene für diese Effektoren untereinander weitergeben können. Diesen Prozess nennt man auch horizontalen Gentransfer. Horizontaler Gentransfer ist bei Bakterien weit verbreitet und vor allem dadurch bekannt, dass Gene für Antibiotikaresistenzen darüber auch verbreitet werden können. Für die Forschenden sind die Erkenntnisse des horizontalen Gentransfers von Effektorgenen vor allem aus evolutionärer Sicht spannend, da es Einblicke in die Entstehung von Diversität innerhalb einer Spezies gibt. „Wir Menschen bekommen Merkmale wie Augenfarbe oder Körpergröße von unseren Eltern vererbt. Dies nennt man vertikalen Gentransfer. Bakterien können jedoch auch DNA von anderen Bakterien bekommen. Das ist horizontaler Gentransfer und kann dazu führen, dass Bakterien sich in einer bestimmten Umgebung besser behaupten können“, sagt Luca Robinson, Mitautor der Studie.
P. aeruginosa ist ein krankmachendes Bakterium. Es löst unter anderem Infektionen offener Wunden, der Harnwege oder der Atemwege bei uns Menschen aus. Jährlich sterben weltweit circa 600.000 Menschen an einer Infektion mit diesem Bakterium. Antibiotikaresistenzen erschweren das Behandeln von P. aeruginosa-Infektionen. Die Weltgesundheitsorganisation stuft Forschung und Entwicklung von neuen Behandlungsansätzen gegen P. aeruginosa-Infektionen als hohe Priorität ein. Die Publikation trägt mit ihren neuen Erkenntnissen über die Diversität von Genen des T6SS in P. aeruginosa-Bakterien zu diesen Bemühungen bei. Sie ermöglicht uns ein besseres Verständnis von pathogenen Bakterien und den Faktoren, die sie in ihrer Umgebung nutzen.
Fotos stehen zum Download bereit:
https://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2025/008-habich-natcom-plate.jpg
Bildunterschrift: Kolonien von Pseudomonas aeruginosa-Bakterien auf einer Agarplatte ausgestrichen.
© Dr. Antonia Habich
https://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2025/008-habich-natcom-fluo.jpg
Bildunterschrift: P. aeruginosa-Bakterien, die mit einem gelbem oder roten Fluoreszenzmarker markiert wurden, und hier auf einer Agarplatten gewachsen sind.
© Dr. Antonia Habich
https://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2025/008-habich-natcom-authors.jpg
Bildunterschrift: An der Studie waren an der Kieler Universität und am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie Antonia Habich, Daniel Unterweger und Verónica Chaves Vargas beteiligt (von links nach rechts).
© Ekaterina Ovchinnikova
https://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2025/008-habich-natcom-london.jpg
Luke Allsopp und Luca Robinson (links), die beiden Autoren vom National Heart and Lung Institute am Imperial College London.
© Harriet Ellis
Weitere Informationen:
Arbeitsgruppe Infektionsbiologie,
Institut für Experimentelle Medizin, CAU / MPI-EB:
https://www.uni-kiel.de/de/person/unterweger-daniel-49449
https://www.evolbio.mpg.de/infektionsbiologie
Dr Luke Allsopp, Senior Lecturer Molecular Bacteriology & Respiratory Infections,
National Heart and Lung Institute, Imperial College London
https://profiles.imperial.ac.uk/l.allsopp
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Daniel Unterweger
Arbeitsgruppe Infektionsbiologie,
Institut für Experimentelle Medizin, CAU / MPI-EB
Tel: 0431 500 30312
E-Mail: d.unterweger@iem.uni-kiel.de
Originalpublikation:
Antonia Habich, Verónica Chaves Vargas, Luca A. Robinson, Luke P. Allsopp, Daniel Unterweger (2025): Distribution of the four type VI secretion systems in Pseudomonas aeruginosa and classification of their core and accessory effectors. Nature communications. First published: 21 January 2025
https://doi.org/10.1038/s41467-024-54649-5
Weitere Informationen:
https://www.uni-kiel.de/de/person/unterweger-daniel-49449
https://www.evolbio.mpg.de/infektionsbiologie
https://profiles.imperial.ac.uk/l.allsopp
Bilder
An der Studie waren an der Kieler Universität und am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie Anto …
© Ekaterina Ovchinnikova
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch