08.07.2022 12:57
IPK-Forschungsteam klassifiziert erstmals Schlüssel-Gen für die Zellteilung
Das Gen KINETOCHORE NULL2 (KNL2) spielt nicht nur für den Einbau des Histons CenH3 in das Zentromer von Chromosomen – und damit für die Zellteilung – eine wichtige Rolle, sondern auch für die Erzeugung von Doppelhaploiden, mit denen die Erzeugung homozygoter Linien für die Pflanzenzüchtung erheblich beschleunigt werden kann. Ein internationales Forscherteam unter Leitung des IPK Leibniz-Instituts hat die Evolutionsgeschichte des Gens rekonstruiert und es erstmals klassifiziert. Die Ergebnisse sind in der Zeitschrift „Molecular Biology and Evolution” veröffentlicht worden.
In lebenden Organismen teilen und vermehren sich die Zellen auf zwei Arten: Mitose und Meiose. Bei der Mitose entstehen zwei identische Tochterzellen, während bei der Meiose vier Geschlechtszellen entstehen.
Während der mitotischen und meiotischen Zellteilung binden die Spindelfasern die Chromosomen über eine spezielle Region, das sogenannte Zentromer, und ziehen die Schwesterchromatiden auseinander, damit jede Tochterzelle das gleiche Erbmaterial erhält. Das Zentromer besteht aus zentromerischer DNA und einem Multiproteinkomplex, dem Kinetochor.
Das Kinetochor sorgt für die korrekte Verteilung der Chromosomen zwischen den beiden Tochterzellen und damit für die Stabilität des Genoms in eukaryontischen Organismen. Bei Pflanzen führen Defekte in der Funktion der Zentromere (Kinetochore) häufig zur Bildung von Zellen mit einer anormalen Anzahl von Chromosomen (Poly- und/ oder Aneuploidie), was zu einer anormalen Pflanzenentwicklung führt. Bei Tieren und Menschen führen Defekte in der Funktion des Zentromers (Kinetochors) entweder zu Apoptose und Zelltod oder zur Auslösung und zum Fortschreiten von Krebs sowie zu verschiedenen genetischen Störungen.
Das Histon CenH3 ist wesentlich für die Bildung und Funktion des Kinetochors. Es wird in einem mehrstufigen Prozess in das Zentromer eingebaut, der neben mehreren anderen Faktoren weitgehend von einem spezifischen Protein, dem KINETOCHORE NULL2 (KNL2), bestimmt wird.
Durch Manipulation von KNL2 ist es bereits gelungen, in der Modellpflanze Arabidopsis thaliana Doppelhaploide zu erzeugen. Dies ist sehr wichtig, da es möglich ist, homozygote Linien in nur einer Generation zu erzeugen, anstatt fünf oder mehr, wie es normalerweise in der konventionellen Züchtung der Fall ist.
Um Einblicke in die Entstehung und Diversifizierung des KNL2-Gens zu gewinnen, hat ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter Leitung des IPK Leibniz-Instituts die Evolutionsgeschichte dieses Gens im Pflanzenreich rekonstruiert. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das KNL2-Gen in Pflanzen drei unabhängige alte Duplikationen in Farnen, Gräsern und Eudikotyledonen durchlaufen hat“, sagte Dr. Inna Lermontova, Leiterin der Arbeitsgruppe „Kinetochor-Biologie“ am IPK. „Darüber hinaus konnten wir zeigen, dass bisher nicht klassifizierte KNL2-Gene in zwei Gruppen eingeteilt werden können: αKNL2 und βKNL2 in Eudikotyledonen und γKNL2 und δKNL2 in Gräsern“, erklärte die Wissenschaftlerin.
„Wir haben auch bestätigt, dass die kürzlich identifizierte βKNL2-Variante von Arabidopsis ebenfalls eine Rolle bei der zentromerischen Lokalisierung von CenH3 und bei der Kontrolle der Zellteilung spielt, wie bereits für die αKNL2-Variante gezeigt wurde. Wir betrachten daher βKNL2 als einen neuen Kandidaten, dessen Mutanten für die Herstellung haploider Pflanzenlinien dienen könnten.“
Insgesamt liefert die Studie ein neues Verständnis der evolutionären Diversifizierung des KNL2-Gens und deutet darauf hin, dass pflanzenspezifische duplizierte KNL2-Gene einen bedeutenden Einfluss auf das Zentromer und das Kinetochor haben und somit auch an der Aufrechterhaltung der Genomstabilität beteiligt sind.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Inna Lermontova
Tel.: +49 39482 5570
lermonto@ipk-gatersleben.de
Originalpublikation:
Zuo et al.: Recurrent Plant-Specific Duplications of KNL2 and Its Conserved Function as a Kinetochore Assembly Factor. Molecular Biology and Evolution.
DOI: 10.1093/molbev/msac123
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
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