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01.12.2025 16:51
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
MHH-Studie untersucht Therapiesicherheit bei später HIV-Diagnose
Ein klinische Studie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in sieben europäischen Ländern vergleicht erstmals die Wirksamkeit von zwei HIV-Medikamenten bei Menschen mit fortgeschrittener Erkrankung.
Rund 40 Millionen Menschen weltweit leben mit einer HIV-Infektion. In Deutschland sind es etwa 100.000 Betroffene. Wird die Infektion nicht behandelt, kann sich der Körper irgendwann nicht mehr gegen Krankheitserreger oder Tumorzellen wehren. Dann kommt es zum erworbenen Abwehrschwäche-Syndrom, das mehrere teilweise lebensbedrohliche Krankheiten nach sich zieht. Inzwischen lässt sich eine HIV-Infektion gut behandeln. Setzt die Therapie früh genug ein, haben Betroffene eine ganz normale Lebenserwartung. Wie Medikamente bei Menschen mit fortgeschrittener HIV-Erkrankung wirken, ist dagegen bislang nicht wissenschaftlich belegt – bis jetzt. In einer umfassenden klinischen Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Georg Behrens, Oberarzt an der Klinik für Rheumatologie und Immunologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), haben sich Forschende aus 56 medizinischen Zentren in Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien und Spanien genau dieser Patientengruppe angenommen und untersucht, welche Medikamente bei den schwer Erkrankten am besten wirken. Die Ergebnisse sind am 1. Dezember, dem Welt-Aids-Tag, in der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet Infection Diseases“ veröffentlicht worden.
„Late presenter“ haben weniger Immunzellen
Das HI-Virus gehört zur Gruppe der Retroviren, die ihr Erbgut mit einem eigenen Enzym in DNA umschreiben und diese in das Genom der Wirtszelle einbauen. HI-Viren befallen vor allem CD4-Zellen des Immunsystems. Diese auch als T-Helferzellen bezeichneten weißen Blutkörperchen aktivieren Abwehrzellen und steuern so das Immunsystem bei Infektionen. Anhand der Zahl der CD4-Zellen lässt sich daher feststellen, wie stark HIV das Immunsystem bereits geschädigt hat. Bei gesunden Menschen liegt die Zahl zwischen 500 und 1500 T-Helferzellen pro Mikroliter Blut. Bei Menschen mit später HIV-Diagnose – auch als „Late Presenter“ bezeichnet – liegt sie dagegen bei weniger als 350 CD4-Zellen pro Mikroliter. Das geschwächte Immunsystem führt für die Betroffenen zu einer fortschreitenden Erkrankung mit schlechter Langzeitprognose und erhöht das Risiko, an AIDS zu versterben.
Virusvermehrung verhindert
Die klinische Studie LAPTOP (Late Presenter Treatment Optimization) beschäftigt sich mit ebendieser Gruppe, die immerhin etwa 50 Prozent der HIV-Infizierten ausmacht. Die Forschenden haben zwei antiretrovirale Medikamente der Erstlinientherapie verglichen – also zwei Anti-HIV-Mittel, die als beste Erstbehandlung dieser Erkrankung zumindest bei HIV-Infizierten im Anfangsstadium anerkannt und nachgewiesen sind. „Wir wollten die Wirksamkeit und Sicherheit der Therapie eines Integrasehemmers und der Therapie mit einem verstärkten Proteasehemmer jetzt erstmals auch bei den spät diagnostizierten HIV-Infizierten wissenschaftlich untersuchen“, sagt Professor Behrens, Immunologe und Leiter der Arbeitsgruppe „Adaptive Immunität bei Infektionen und Autoimmunerkrankungen“. Integrasehemmer blockieren das Enzym, mit dem das Virus sein Erbgut in die DNA der menschlichen Wirtszelle einschleust. Proteasehemmer verhindern die Bildung wichtiger Virusproteine und unterbrechen so den Lebenszyklus des Krankheitserregers. Beide Medikamente sorgen also auf unterschiedliche Weise dafür, dass sich das Virus nicht vermehren und weitere Zellen infizieren kann.
Integrasehemmer als Erstlinientherapie empfohlen
Rund 450 neu diagnostizierte Erwachsene mit fortgeschrittener HIV-Erkrankung wurden in die Studie eingeschlossen. Die Teilnehmenden erhielten bei der Behandlung nach dem Zufallsprinzip entweder den Integrasehemmer oder den Proteasehemmer. „Unsere Untersuchung ist die erste große randomisierte kontrollierte Studie, welche die antivirale Wirksamkeit, die Erholung des angegriffenen Immunsystems oder die möglichen Nebenwirkungen von antiretroviralen Erstlinientherapien speziell bei Menschen mit fortgeschrittener HIV-Erkrankung vergleicht“, betont Professor Behrens. Der Integrasehemmer war in der Studie nicht unterlegen, unterdrückte die Virusvermehrung sogar wirksamer und hatte dabei weniger Nebenwirkungen. „Damit ist erstmals wissenschaftlich erwiesen, dass das Medikament selbst bei fortgeschrittener HIV-Erkrankung mit CD4 Zellen unter 50 pro Mikroliter gut funktioniert und wir daher für diese Patientinnen und Patienten den Integrasehemmer als bevorzugte Erstlinientherapie empfehlen.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Weitere Informationen erhalten Sie bei Professor Georg Behrens, behrens.georg@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-5713.
Originalpublikation:
Zur Originalarbeit „Integrase versus protease inhibitor therapy in advanced HIV disease (LAPTOP): a multicountry randomized, open-label, non-inferiority trial”: https://doi.org/10.1016/S1473-3099(25)00681-4
Bilder
Wirksam und sicher, auch bei später Diagnose: MHH-Studie überprüft zwei antiretrovirale Medikamente …
Quelle: Karin Kaiser
Copyright: Karin Kaiser/MHH
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch





































































































