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28.05.2025 16:00
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Mindestmengen bei seltenen Erkrankungen: Erkenntnisse durch Evidenz-Übertragung
Mindestmengen bei seltenen Erkrankungen: Erkenntnisse durch Evidenz-Übertragung
Das IQWiG stellt ein Verfahren vor, wie man auch bei kleinen Fallzahlen und ohne aussagekräftige Studien beurteilen kann, ob die Leistungsmenge mit der Behandlungsqualität zusammenhängt.
Um die Behandlungsqualität bei komplexen, risikoreichen und planbaren Krankenhausbehandlungen zu verbessern, gelten in Deutschland für bestimmte Interventionen Mindestmengen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) legt fest, für welche Eingriffe diese Regelung greift. Grundlage sind Gutachten des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), die Studien auswerten, in denen untersucht wird, ob ein Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und der Behandlungsqualität wahrscheinlich ist. Hierbei wird die Menge der Eingriffe pro Krankenhaus und/oder pro Ärztin oder Arzt betrachtet.
Bisher wurde in Deutschland noch keine Mindestmengenregelung für risikobehaftete Krankenhausbehandlungen bei einer spezifischen seltenen Erkrankung festgelegt. Voraussetzung für die Festlegung einer Mindestmenge ist, dass es präzise und verlässliche Studien gibt, die auf einen wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen Menge und Qualität hinweisen. Für risikobehaftete Leistungen und Eingriffe bei seltenen Erkrankungen fehlen solche Studien häufig, weil die betreffenden Fallzahlen pro Krankenhaus gering sind. Aber auch für Menschen, die einen komplexen und risikobehafteten, jedoch seltenen Eingriffe benötigen, sollte die bestmögliche Versorgung gewährleistet sein.
Vor diesem Hintergrund hat das IQWiG nun im Auftrag des G-BA ein methodisches Vorgehen entwickelt, um den Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Behandlungsqualität auch für Eingriffe bei seltenen Erkrankungen mit entsprechend geringen Fallzahlen zu bewerten. „Wir schlagen vor, in diesen Fällen Evidenz aus hinreichend ähnlichen Anwendungsfeldern auf die zu untersuchende Indikation zu übertragen, wenn solche Evidenz vorhanden ist“, erklärt Claudia-Martina Messow aus dem IQWiG-Ressort Medizinische Biometrie. Dabei wird geprüft, ob Ergebnisse aus Studien zu ähnlichen Patientengruppen oder zu ähnlichen Eingriffen auf die seltene Erkrankung übertragen werden können. Externe Sachverständige sollen den nötigen klinischen und verfahrensbezogenen Sachverstand beisteuern.
Methodisches Neuland
Im Rahmen seiner internationalen Recherche hat das IQWiG keine Dokumente zu methodischen Herleitungen von Vorgaben zu Mindestmengen bei seltenen Erkrankungen oder zu Zertifizierungskriterien von Krankenhäusern für die Behandlung von spezifischen seltenen Erkrankungen identifiziert. Ebenso wurde keine übergeordnete methodische Literatur zu Mindestmengen bei seltenen Erkrankungen identifiziert.
Das IQWiG-Team entwickelte daher ein eigenes Vorgehen: Wenn es für eine Leistung keine oder keine verlässlichen Studien zum Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und der Qualität des Behandlungsergebnisses gibt, soll Evidenz aus anderen Populationen oder Interventionen auf den seltenen Eingriff übertragen werden. Entscheidend für die Übertragbarkeit sind klinische und verfahrensbezogene Überlegungen, die sich an der jeweiligen Fragestellung orientieren.
Das IQWiG hat dazu einen Kriterienkatalog erstellt, der Unterschiede zwischen Populationen und Interventionen abwägt und die Übertragbarkeit bewertet. Diese Prüfung soll in der Regel mit Unterstützung externer Sachverständiger erfolgen.
„Wenn eine Population bzw. Intervention für eine mögliche Evidenz-Übertragung identifiziert wurde, können bei fehlender direkter Evidenz zum Zusammenhang von Leistungsmenge und Behandlungsqualität möglicherweise durch die Übertragung von Evidenz Aussagen abgeleitet werden, die die Beratungen des G-BA zu Mindestmengenregelungen bei seltenen Eingriffen unterstützen“, so Claudia-Martina Messow.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Der G-BA beauftragte das IQWiG am 09.10.2024 mit der wissenschaftlichen Ausarbeitung zur Bewertung eines Zusammenhanges zwischen Leistungsmenge und Qualität des Behandlungsergebnisses bei seltenen Erkrankungen mit entsprechend geringen Fallzahlen ohne hinreichend aussagekräftige Studienlage. Laut Beauftragung sollte der Bericht in einem beschleunigten Verfahren als sogenannter Rapid Report erstellt werden, der am 30.04.2025 an den Auftraggeber versandt wurde.
Originalpublikation:
https://www.iqwig.de/projekte/v24-07.html
Weitere Informationen:
https://www.iqwig.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detailseite_14…
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
