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11.06.2025 08:55
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Mit KI die Akutbehandlung des Schlaganfalls verbessern
Kooperationsprojekt der UKL-Neuromediziner:innen und KI-Expert:innen des ScaDS.AI Dresden/Leipzig der Uni Leipzig soll personalisierte Therapieplanung unterstützen/ Schnellere Entscheidungen im Akutfall und bessere Erfolgsaussichten / 250.000 Euro Förderung für klinische Umsetzung
Bei einem Schlaganfall läuft die Zeit – je schneller die erforderlichen Maßnahmen durchgeführt werden, desto größer ist die Chance, dass die Betroffenen ohne bleibende Schäden gesund werden können. Ein interdisziplinäres Team um UKL-Neurologin Prof. Dorothee Saur hat ein KI-Modell entwickelt, das im Akutfall bei der Entscheidung für oder gegen eine invasive Therapie die behandelnden Ärzt:innen unterstützt. Die Leipziger Eigenentwicklung wertet dazu Bilddaten und klinische Informationen aus und verknüpft diese zu einer patientenspezifischen Vorhersage. Das vielversprechende Projekt, dessen Ergebnisse gerade in der Zeitschrift Brain veröffentlicht wurden, erhält nun eine Förderung von 250.000 Euro, um in die klinische Anwendung überführt zu werden.
Wenn Patienten mit dem Verdacht auf einen Schlaganfall in eine Klinik kommen, beginnt ein Rennen gegen die Zeit. Innerhalb kurzer Zeit müssen die Diagnose gestellt und wichtige Entscheidungen gefällt werden: Liegt ein Gefäßverschluss im Gehirn vor? Welche Bereiche sind betroffen? Wie schwer ist die Schädigung und ist noch Hirngewebe zur retten? Und schließlich – welche Behandlung ist die beste? Für zentrale Therapiemaßnahmen wie die Thrombektomie, eine minimalinvasive Gefäßeröffnung durch Bergung eines Blutgerinnsels, ist eine Behandlung in einem Schlaganfallzentrum erforderlich. Nicht alle Krankenhäuser verfügen über diese hochspezialisierten Einheiten. Da stellt sich dann oft auch die Frage – ist eine Verlegung nötig? „Diese Entscheidungen werden oft unter Zeitdruck vor Ort getroffen, von Kolleg:innen, die nicht in jedem Fall Schlaganfallspezialisten sind“, beschreibt Junior-Professorin Cindy Richter aus dem Institut für Neuroradiologie am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) die Herausforderungen des klinischen Alltags. „Nicht jeder Schlaganfallpatient muss aber automatisch die Maximalbehandlung erhalten“, so die UKL-Neuroradiologin. Hier gelte es zu entscheiden, wer tatsächlich davon profitieren würde.
Um dafür eine verlässliche Basis zu schaffen, hat Professorin Dorothee Saur, stellvertretende Direktorin der Klinik für Neurologie am UKL, zusammen mit Partnern aus dem Institut für Neuroradiologie sowie dem Kompetenzzentrum für Künstliche Intelligenz ScaDS.AI Dresden/Leipzig an der Universität Leipzig ein sogenanntes Deep-Learning-Modell als klinische Entscheidungsunterstützung entwickelt.
Diese im Leipziger Team um die Informatikerin Marie-Sophie von Braun entwickelte künstliche Intelligenz kann sowohl das Ausmaß des zu erwartenden Gewebeschadens als auch den klinischen Behandlungserfolg einer Thrombektomie mit hoher Genauigkeit vorhersagen. Dazu wertet die KI die Computertomographie-Bilddaten aus der Diagnostik aus und verknüpft diese mit klinischen Informationen. „Auf diese Weise erhalten wir eine patientenspezifische Einschätzung, welche Schäden zu erwarten sind und ob diese mit einer Intervention verhindert werden können“, erklärt Prof. Saur. „Unser Ziel bei einem akuten ischämischen Schlaganfall ist es, wichtige Gehirnfunktionen so weit wie möglich zu erhalten. Das neue Modell hilft uns zu erkennen, wie dies im jeweils konkreten Fall am besten gelingen kann“. Das Modell wurde mit ca. 400 Fällen aus dem UKL trainiert und in zwei unabhängigen Datensätzen aus den Unikliniken Leipzig und Dresden getestet. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Brain veröffentlicht. Sie sind so überzeugend, dass das Projekt nun seitens der Sächsischen Aufbaubank 250.000 Euro für die Weiterentwicklung zur klinischen Umsetzung erhalten hat. „Als Informatikerin begeistert es mich, wenn aus technisch anspruchsvollen Algorithmen reale Lösungen entstehen. Gerade die enge Zusammenarbeit mit der Medizin zeigt, wie viel gesellschaftlicher Nutzen in interdisziplinärer Forschung steckt“, unterstreicht Marie-Sophie von Braun vom ScaDS.AI Dresden/Leipzig.
„Unsere nächsten Schritte werden eine Validierung unserer Ergebnisse anhand weiterer Daten sein, mit dem Ziel, die von uns entwickelte Anwendung zu lizensieren und anderen spezialisierten Teams für den klinischen Einsatz verfügbar zu machen“, erklärt Prof. Saur. Die Leipziger gehören zu den internationalen Vorreitern in diesem Feld. Am Ende des Projektes soll eine Software stehen, die auch auf mobilen Endgeräten allen Akteuren bei der Schlaganfallversorgung Hilfestellungen für eine schnelle und sichere Entscheidung liefert. „Unsere Hoffnung ist, dass wir mittels KI in der Schlaganfallmedizin die Prozesse beschleunigen und gleichzeitig eine personalisierte Medizin ermöglichen, indem individuelle Konstellationen und potentielle Behandlungsergebnisse genauer eingeschätzt werden können“, skizziert Dorothee Saur ihre Vision. In drei bis fünf Jahren könnte es soweit sein.
Zu den wichtigsten Partnern:
In dem Projekt arbeiten Neurologen und Neuroradiologen vom UKL mit Informatikern des ScaDS.AI Dresden/Leipzig, Center for Scalable Data Analytics and Artificial Intelligence Dresden/Leipzig (Universität Leipzig), zusammen.
Das ScaDS.AI Dresden/Leipzig ist ein Kompetenzzentrum für Data Science, Künstliche Intelligenz und Big Data mit Standorten in Dresden und Leipzig. Es ist eines der fünf neuen KI-Zentren in Deutschland, die im Rahmen der KI-Strategie der Bundesregierung vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt sowie vom Freistaat Sachsen gefördert werden. Das Zentrum ist als dauerhafte Forschungseinrichtung an beiden Standorten etabliert und eng mit den örtlichen Universitäten – der Technischen Universität Dresden (TUD) und der Universität Leipzig – verbunden.
Originalpublikation:
„Prediction of tissue and clinical thrombectomy outcome in acute ischaemic stroke using deep learning“ von Braun et al.
https://academic.oup.com/brain/advance-article/doi/10.1093/brain/awaf013/7961471
Bilder
Gemeinsam gegen den Schlaganfall: Marie-Sophie von Braun, Dr. Kristin Marie Starke, Prof. Dorothee S …
UKL/Rico Thumser
Wichtiger Partner der UKL-Medizinerinnen im Projekt ist das ScaDS.AI Dresden/Leipzig der Uni Leipzig …
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
