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28.10.2024 13:25
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Möglicher Ansatz zur Behandlung von neurologischen und neuropsychiatrischen Erkrankungen entdeckt
Einem Forscherteam der Universitätsmedizin Mainz ist es in Zusammenarbeit mit dem King’s College London gelungen, nicht-neuronale Zellen direkt im Gehirn in Nervenzellen mit spezifischen funktionellen Eigenschaften umzuwandeln. Die im Tiermodell gewonnenen Erkenntnisse zur zellulären Umprogrammierung im Gehirn könnten eine wichtige Rolle für die Entwicklung neuer Behandlungsansätze bei neurologischen und neuropsychiatrischen Erkrankungen einnehmen. Die Ergebnisse der Studie „Reprogramming astroglia into neurons with hallmarks of fast-spiking parvalbumin-positive interneurons by phospho-site-deficient Ascl1″ wurden in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Science Advances veröffentlicht.
Im Gehirn befinden sich unterschiedliche Zellpopulationen, die jeweils spezifische Funktionen erfüllen. Die zwei wichtigsten Zelltypen sind die nicht-neuronalen Gliazellen, auch Stützzellen oder Neuroglia genannt, und die als Neuronen bezeichneten Nervenzellen. Die häufigste Art von Gliazellen im Gehirn sind Astrozyten (Astroglia). Sie bieten strukturellen Halt für die Neuronen, versorgen sie mit Nährstoffen und tragen zur Bildung und Aufrechterhaltung der Blut-Hirn-Schranke bei, die das Gehirn vor schädlichen Stoffen schützt.
Bei den Neuronen handelt es sich um die Hauptzellen des Gehirns. Sie sind für die Informationsverarbeitung und -übertragung verantwortlich und kommunizieren über elektrische und chemische Signale. Die neuronalen Zellen sind an der Entstehung und dem Fortschreiten einer Vielzahl von Krankheiten beteiligt. Wenn ihre Funktion beeinträchtigt ist oder verloren geht, kann dies beispielsweise zu neurologischen Störungen wie der Epilepsie oder neuropsychiatrischen Erkrankungen wie der Schizophrenie führen.
Unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Benedikt Berninger haben Wissenschaftler:innen des Instituts für Physiologische Chemie der Universitätsmedizin Mainz gemeinsam mit Forschenden des King’s College London einen neuartigen Ansatz untersucht, um abgestorbene Nervenzellen zu ersetzen: die sogenannte direkte neuronale Reprogrammierung. „Ziel unserer Arbeit war es, eine Methode zu entwickeln, mit der im erkrankten Gewebe vorkommende Astroglia direkt im Gehirn in Nervenzellen mit spezifischen Eigenschaften umgewandelt werden können“, erläutert Professor Berninger, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Physiologische Chemie der Universitätsmedizin Mainz.
Im Tiermodell schleusten die Wissenschaftler:innen zu diesem Zweck in die Astroglia Gene ein, die den Bauplan für die Bildung von bestimmten Eiweißen enthalten. Bei diesen Eiweißen handelt es sich um Transkriptionsfaktoren, die bestimmen, welche Abschnitte des Erbmaterials im Zellkern abgelesen werden und damit auch, welche Form und Funktion eine Zelle hat. Das Forscherteam konnte zeigen, dass das gezielte Einschleusen der Gene die Umwandlung der Gliazellen in Nervenzellen bewirkt. Bei ihren Untersuchungen gelang es den Forschenden, die Astrozyten so umzuprogrammieren, dass sie die Funktionen eines im Zusammenhang mit neurologischen und neuropsychiatrischen Erkrankungen besonders wichtigen Subtyps von Neuronen, den sogenannten hochfrequent-feuernden (Fast-spiking) hemmenden Parvalbumin-positiven Interneuronen, annahmen.
„Die Neubildung dieser spezifischen Neurone mit Hilfe der direkten neuronalen Reprogrammierung von Gliazellen könnte es eines Tages ermöglichen, erkrankte Nervennetzwerke im menschlichen Gehirn zu reparieren. Unsere im Tiermodell gewonnenen Erkenntnisse haben damit das Potenzial, einen entscheidenden Beitrag für die Entwicklung von neuen Ansätzen zur Behandlung von neurologischen und neuropsychiatrischen Erkrankungen zu leisten“, betont Professor Berninger.
Originalpublikation:
Marichal N, Péron S, Beltrán Arranz A, Galante C, Franco Scarante F, Wiffen R, Schuurmans C, Karow M, Gascón S, Berninger B. Reprogramming astroglia into neurons with hallmarks of fast-spiking parvalbumin-positive interneurons by phospho-site-deficient Ascl1. Sci Adv. 2024 Oct 25;10(43):eadl5935.
DOI: https://doi.org/10.1126/sciadv.adl5935
Bildunterschrift: Abbildung einer reprogrammierten Gliazelle.
Bildquelle: Universitätsmedizin Mainz / Dr. Ana Beltrán Arranz
Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Benedikt Berninger, Institut für Physiologische Chemie,
Universitätsmedizin Mainz, Telefon 06131 39-21334, E-Mail berningb@uni-mainz.de
Pressekontakt:
Veronika Wagner M. A., Stabsstelle Unternehmenskommunikation, Universitätsmedizin Mainz, Telefon 06131 17-8391, E-Mail pr@unimedizin-mainz.de
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Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Univ.-Prof. Dr. Benedikt Berninger, Institut für Physiologische Chemie,
Universitätsmedizin Mainz, Telefon 06131 39-21334, E-Mail berningb@uni-mainz.de
Originalpublikation:
Marichal N, Péron S, Beltrán Arranz A, Galante C, Franco Scarante F, Wiffen R, Schuurmans C, Karow M, Gascón S, Berninger B. Reprogramming astroglia into neurons with hallmarks of fast-spiking parvalbumin-positive interneurons by phospho-site-deficient Ascl1. Sci Adv. 2024 Oct 25;10(43):eadl5935.
DOI: https://doi.org/10.1126/sciadv.adl5935
Bilder
Abbildung einer reprogrammierten Gliazelle.
Dr. Ana Beltrán Arranz
Universitätsmedizin Mainz / Dr. Ana Beltrán Arranz
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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