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17.06.2025 11:54
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
MyaLink-Plattform verbessert die Versorgung von Myasthenie-Betroffenen
Myasthenia gravis ist eine seltene neurologische Autoimmunerkrankung, die zu einer fluktuierenden belastungsabhängigen Muskelschwäche führt. Betroffen sind etwa 17.000 Menschen in Deutschland. Sie finden häufig nur schwer Zugang zu einer passenden Versorgung, z.B. zu komplexen Immuntherapien. Die RareLink digital health GmbH möchte nun mit ihrer Plattform “MyaLink” Abhilfe schaffen, indem sie mithilfe des Monitorings aus der Ferne ein personalisiertes Therapiemanagement möglich macht. Sie ist eine Ausgründung des Berlin Institute of Health (BIH) und der Charité – Universitätsmedizin Berlin unter Beteiligung des telemedizinischen Anbieters Qurasoft GmbH.
Das Projekt wurde vom Charité Neuroscience Clinical Research Center, der BIH Biomedical Innovation Academy und von den Förderprogrammen BIH Digital Health Accelerator und SPARK-BIH NeuroCure des Charité BIH Innovation (CBI) unterstützt. Begleitet wurde die Ausgründung durch Charité BIH Innovation und den Verwertungspartner von Charité und BIH, der Ascenion GmbH.
Menschen, die an einer Myasthenie leiden, haben häufig keinen Zugang zu erfahrenen Neurolog*innen oder zu Spezialzentren. Oft müssen Betroffene weite Fahrtwege und lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Beides ist bei Muskelschwäche sehr kräftezehrend. Außerdem ist die Früherkennung von potenziell lebensbedrohlichen Krisen, bei denen es zu Atemschwierigkeiten kommen kann, erschwert. Deshalb entwickelte das Team um die Charité-Ärztinnen Dr. med. Sophie Lehnerer, Dr. med. Maike Stein und Dr. med. Lea Gerischer die MyaLink-Plattform, mit der Behandler*innen den Krankheitsverlauf aus der Ferne erfassen und bewerten können. Die Patient*innen installieren dafür eine App auf ihrem Smartphone, über die sie ihre Symptome mittels Fragebögen und Tagebüchern dokumentieren. Gleichzeitig können so genannte Wearables angebunden werden, z. B. Aktivitätstracker zur Puls- und Schrittzahlmessung oder ein digitales Spirometer zur Aufzeichnung der Lungenfunktion. Ein Medikationsplan und eine Erinnerungsfunktion helfen den Betroffenen mit ihrer Behandlung auf dem Laufenden zu bleiben.
Die Behandler*innen erhalten ein webbasiertes Portal, mit dem sie die Antworten aus den Fragebögen und die Messdaten abfragen oder Änderungen am Medikationsplan vornehmen können. Eine Chat-Funktion, ermöglicht es Patient*innen mit ihren Behandler*innen schnell in Kontakt zu treten, um individuelle Anliegen zu besprechen. Behandler*innen können basierend auf den gesammelten Informationen Therapieanpassungen vornehmen oder Empfehlungen geben. Diese bedarfsorientierte Kommunikation hilft nicht nur dabei, Verschlechterungen schneller zu erkennen und die Nebenwirkungen der immunsuppressiven Medikamente zu verringern, sondern auch langandauernde Klinikaufenthalte zu vermeiden. Die Plattform ist ein zertifiziertes Medizinprodukt sowie datenschutzkonform.
Eine im Dezember 2024 veröffentlichte Machbarkeitsstudie hat bereits gezeigt, dass MyaLink geeignet ist, die Versorgung von Myasthenie-Betroffenen zu verbessern. Ein Ziel des RareLink-Teams ist es nun, die Plattform auch für andere seltene und chronische Erkrankungen nutzbar zu machen.
„MyaLink ermöglicht Patient*innen ihre Behandler*innen rasch zu erreichen, die richtigen Entscheidungen zeitnah zu treffen und so auch die Ängste der Patient*innen zu vermindern”, sagt Dr. Lehnerer, Fachärztin für Neurologie an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité. „Wir sehen jetzt schon auf Grund der Erfahrungen in der Studie und im klinischen Alltag, dass der Bedarf bei Patient*innen riesig ist. Durch die engmaschige Betreuung können wir gute Therapieerfolge gewährleisten und auch Ressourcen an anderer Stelle einsparen. Dabei war es uns von Anfang an wichtig, die Patient*innen in der Entwicklung der Plattform mit einzubeziehen.“
Die Patientenorganisation Deutsche Myasthenie Gesellschaft e.V. stand von Beginn der Studienprojekte an unterstützend und beratend zur Seite, um stets die Patient*innenperspektive einzubringen.
MyaLink entstand außerdem mit Unterstützung des Neuroscience Clinical Research Centers (NCRC) aus der klinischen und wissenschaftlichen Arbeit des integrierten Myasthenie-Zentrums (iMZ) der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie an der Charité. Für die klinisch-wissenschaftliche Grundlagenarbeit und Begleitung ist Dr. Lehnerer seit Juli 2022 Fellow des Digital Clinician Scientist Programms der BIH Biomedical Innovation Academy. Das BIH Digital Health Accelerator-Programm förderte und unterstützte die Produktentwicklung und Ausgründungsvorbereitung des Projekts von 2020 bis 2021 mit rund 200.000 Euro. Außerdem erhielt das Projekt eine Förderung des NeuroCure SPARK-BIH Programms, das das Team bei der Durchführung der klinischen Machbarkeitsstudie, die darauffolgende Auswertung der Daten und die Integrierung der Myalink-Plattform in die Regelversorgung der Charité begleitete. Dr. Stein erhielt die Walter-Benjamin-Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), durch die ihr ein Postdoc-Aufenthalt an der Harvard Medical School (HMS) in Boston ermöglicht wurde. Damit konnte auch ein wissenschaftliches Projekt und Kooperationsvorhaben der Charité mit der HMS im Rahmen des MyaLink Projekts gefördert werden. Im Jahr 2021 erhielt MyaLink außerdem den vom Handelsblatt und der Techniker Krankenkasse verliehenen Health-i Award und im selben Jahr den Patient & Stakeholder Engagement Award des BIH QUEST Centers for Responsible Research.
„MyaLink zeigt, wie solche Kooperationen helfen, Erkenntnisse rasch in die Anwendungsreife zu überführen”, so Prof. Dr. Christopher Baum, Vorsitzender des Direktoriums des BIH in der Charité und Vorstand des Translationsforschungsbereiches der Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Wir hoffen, dass dieses neue digitale Werkzeug hilft, die Lebensqualität von Myasthenie-Betroffenen zu verbessern. Besonders wichtig ist, dass die Betroffenen frühzeitig in die Produktentwicklung eingebunden wurden.“
Weiterführende Links:
Krankheitslast bei Myathenia Gravis – die Patient*innenperspektive
Weitere Machbarkeitsstudie
Kontakt
Pressestelle
Berlin Institute of Health in der Charité (BIH)
Konstanze Pflüger
+49 (0)30 450 543 343
pressestelle-bih@bih-charite.de
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Über das Berlin Institute of Health in der Charité (BIH)
Das Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) widmet sich der medizinischen Translation: Erkenntnisse aus der Forschung werden in Ansätze zur personalisierten Prävention, Diagnostik und Therapie übertragen. Ziel ist es, einen relevanten medizinischen Nutzen für Patient*innen zu schaffen. Mit über 800 Mitarbeitenden und rund 65 Forschungsgruppen fokussiert sich das BIH auf translationale Methodenentwicklung, biomedizinische Datenwissenschaften sowie regenerative Therapien. Das BIH agiert in und jenseits des Berliner Ökosystems, bevorzugt in multiperspektivischen Netzwerken, als verantwortlicher Akteur und auch als Enabler. Als „dritte Säule“ der Charité wird das BIH überwiegend vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) gefördert.
Weitere Informationen:
https://www.bihealth.org/de/translation/innovationstreiber/quest-center/services… Krankheitslast bei Myathenia Gravis – die Patient*innenperspektive
https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/2214360224129631 Initiale Machbarkeitsstudie Dezember 2024
https://formative.jmir.org/2025/1/e58266 Weitere Machbarkeitsstudie April 2025
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
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überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
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