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09.12.2024 11:01
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Naturstoff Hederagenin blockiert Rezeptor zur Schmerzregulation
Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um Prof. Dr. Annette Beck-Sickinger vom Institut für Biochemie der Universität Leipzig hat einen wichtigen Fortschritt bei der Forschung zur Schmerzlinderung erzielt. Sie entdeckten, dass der in der Heilpflanze Efeu vorkommende Naturstoff Hederagenin an den Rezeptor der Schmerzregulation bindet. Extrakte aus Efeu (Hedera helix) wirken in der Phytomedizin unter anderem krampflösend und schmerzstillend.
Bei der Suche nach ausgewählten Hemmstoffen des für die menschliche Schmerzregulation relevanten Proteins Neuropeptid FF-Rezeptor 1 fanden die Forschenden heraus, dass Hederagenin dafür gut geeignet ist. Sie haben ihre Erkenntnisse gerade im Fachjournal „Angewandte Chemie International Edition“ veröffentlicht.
Der Neuropeptid FF Rezeptor 1 (NPFFR1) gehört zur Klasse der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR) und ist an der Signalweiterleitung verschiedener physiologischer Prozesse im menschlichen Körper beteiligt. In den vergangenen Jahren stellte sich heraus, dass dieses Protein vor allem im Rückenmark und in Gehirnbereichen vorkommt, die für die Schmerzwahrnehmung relevant sind. Eine Blockierung des Rezeptors könnte bei der Behandlung chronischer Schmerzen helfen. Dies war bislang nicht möglich, da der NPFFR1 sehr viele ähnliche Verwandte hat.
Zwei Wissenschaftlerinnen der Arbeitsgruppe Beck-Sickinger testeten Tausende von Substanzen. Prof. Dr. Michael Schaefer, Professor für Pharmakologie an der Medizinischen Fakultät, stellte dafür eine Screening-Plattform zur Verfügung. Die Forschenden fanden dabei den Naturstoff Hederagenin. In ausführlichen In-vitro-Studien charakterisierten sie den Bindungsmodus des Hemmstoffs (Inhibitor). Mit Hilfe einer Modellierung des dreidimensionalen Komplexes aus Rezeptor und Inhibitor am Computer durch die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Jens Meiler vom Institut für Wirkstoffentwicklung konnte diese Entdeckung bestätigt werden.
„Diese Erkenntnisse tragen wesentlich zum Verständnis des Aktivierungsmechanismus des NPFFR1 bei und können das rationale Design zukünftiger Therapeutika für chronische Schmerzen erleichtern. Sie zeigen, wie essentiell Grundlagenforschung auch für die Anwendung sein kann“, sagt Prof. Dr. Annette Beck-Sickinger. Nur ein enger Austausch der verschiedenen Arbeitsgruppen an der Universität Leipzig, wie im Rahmen eines Sonderforschungsbereichs, habe diesen Forschungserfolg ermöglicht. Die Arbeiten entstanden im Sonderforschungsbereich 1423 „Structural dynamics of GPCR activation and signaling“.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Annette Beck-Sickinger
Institut für Biochemie der Universität Leipzig
Telefon: +49 341 97-36901
E-Mail: abeck-sickinger@uni-leipzig.de
Hannah Lentschat
Institut für Biochemie
Telefon: +49 341 97-36793
E-Mail: hannah.lentschat@uni-leipzig.de
Originalpublikation:
Originaltitel der Veröffentlichung in „Angewandte Chemie International Edition“:
“Hederagenin is a Highly Selective Antagonist of the Neuropeptide FF Receptor 1 that Reveals Mechanisms for Subtype Selectivity”, Doi: 10.1002/anie.202417786
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/anie.202417786
Weitere Informationen:
https://research.uni-leipzig.de/sfb1423/
Bilder
Hederagenin blockiert die Aktivierung des Neuropeptid FF Rezeptors 1. Dieses Protein kommt vor allem …
Grafik: Hannah Lentschat
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch