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15.05.2025 11:39
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Nervenfasern für Sprache beim Schimpansen entdeckt
Die Sprachverarbeitung beim Menschen basiert auf der neuronalen Verbindung zwischen Spracharealen im Gehirn. Dieses Sprachnetzwerk, das den Informationsaustausch zwischen Nervenzellen ermöglicht, galt bisher als einzigartig für den Menschen. Nun haben Forschende eine wichtige Entdeckung zur evolutionären Entwicklung unserer Sprache gemacht: Unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften und in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie und dem Alfred-Wegener-Institut haben sie erstmals eine solche Verbindung im Gehirn von Schimpansen nachgewiesen und in der Zeitschrift „Nature Communications“ vorgestellt.
Dieses direkte Nervenfaserbündel, genannt fasciculus arcuatus (AF), das beim Menschen die Sprachareale verbindet, weist nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Schimpansen eine Verbindung zum mittleren Schläfenlappen (MTG) auf, was bisher nicht bekannt war. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die für Sprache entscheidende neuronale Architektur beim Menschen nicht völlig neu entstanden ist“ erklärt Erstautor Yannick Becker. „Sie hat sich wahrscheinlich aus einer evolutionär älteren, bereits vorhandenen Struktur weiterentwickelt. Die Verbindung ist bei Schimpansen viel schwächer ausgeprägt als beim Menschen und erlaubt möglicherweise deshalb nicht die komplexe menschliche Sprache.“
Für ihre Studie konnten die Forschenden auch Gehirne von wildlebenden Schimpansen aus dem Urwald, die auf natürliche Weise gestorben waren, mit hochauflösender Magnetresonanztomographie untersuchen. „Mit bisher unerreichter Präzision konnten wir so den detaillierten Verlauf der Nervenfasern zwischen den verschiedenen Hirnarealen sichtbar machen.“, beschreibt Alfred Anwander, Letztautor der Studie, die Methode. Dabei zeigte sich, dass in allen der zwanzig untersuchten Schimpansen-Gehirnen eine solche Nervenfaserbündel-Verbindung zum mittleren Schläfenlappen nachweisbar war – ein Merkmal, das bislang als ausschließlich menschlich galt.
Wie die Autor*innen der Studie schreiben, ist es wahrscheinlich, dass diese neuronale Architektur, die eine komplexe Kommunikation unterstützt, bereits beim letzten gemeinsamen Vorfahren der Menschen und der Schimpansen vor sieben Millionen Jahren vorhanden war und die Evolution der Sprache beim Menschen erst ermöglichte. Da das Gehirn des gemeinsamen Vorfahren von Menschen und Schimpansen aber nicht erhalten ist, kann die evolutionäre Entwicklung der Grundlage unserer Sprache also nur im Vergleich mit unseren nächsten Verwandten, den Schimpansen, aufgeklärt werden.
„Bisher ging man davon aus, dass die anatomischen Strukturen der Sprache erst beim Menschen entstanden sind. Unsere Ergebnisse verändern nun das Verständnis der evolutionären Entwicklung von Sprache und Kognition insgesamt“, erklärt Angela D. Friederici, Mitautorin der Studie und Direktorin der Abteilung Neuropsychologie am MPI CBS.
„In unserem internationalen Konsortium mit Partnern aus afrikanischen Wildreservaten und Auffangstationen sowie europäischen Zoos können wir künftig die zur Lebenszeit erhobenen Verhaltensdaten von Menschenaffen mit den von uns gesammelten Gehirndaten verknüpfen.“ betont Yannick Becker. Auf diese Weise können die neuronalen Grundlagen der kognitiven Fähigkeiten von Menschenaffen genauer erforscht werden.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Yannick Becker
Postdoc
beckery@cbs.mpg.de
Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig
Dr. Alfred Anwander
Gruppenleiter
anwander@cbs.mpg.de
Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig
Originalpublikation:
Yannick Becker, Cornelius Eichner, Michael Paquette, Christian Bock, Cédric Girard-Buttoz, Carsten Jäger, Tobias Gräßle, Tobias Deschner, EBC Consortium, Philipp Gunz, Roman M. Wittig, Catherine Crockford, Angela D. Friederici, Alfred Anwander:
„Long arcuate fascicle in wild and captive chimpanzees as a potential structural precursor of the language network“
In: Nature Communicationshttps://www.nature.com/articles/s41467-025-59254-8
Weitere Informationen:
https://www.cbs.mpg.de/2357959/20250515?c=7505
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
