PM des MCC: Wie Experten mit Werturteilen umgehen sollten



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18.09.2019 15:44

PM des MCC: Wie Experten mit Werturteilen umgehen sollten

Eine hochkarätig besetzte MCC-Konferenz ging jetzt dem Problem von Moralkonflikten in wissenschaftlichen Assessmentprozessen auf den Grund. Wenn die Wissenschaft die Politik zu Nachhaltigkeitsthemen berät, etwa zu Maßnahmen gegen die Klimakrise oder das Artensterben, dann gerät sie bislang leicht in eine Sackgasse: Ihre Expertisen werden oft durch unterschwellige, umstrittene Werturteile beeinflusst – und es gibt noch kein methodisch sauberes Konzept, diese ethische Dimension in Gutachten anzugehen.

„Es geht darum, die verschiedenen Wertvorstellungen der Gesellschaft expliziter als bisher in alternative Politikoptionen zu übersetzen – denn über deren konkrete Auswirkungen lässt sich viel konstruktiver streiten als über abstrakte Moralstandpunkte“, erklärt Martin Kowarsch, Leiter der Arbeitsgruppe Wissenschaftliche Assessments, Ethik und Politik am Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change). Die von Kowarsch initiierte dreitägige MCC-Konferenz „Ethics & Values in Assessments“ ging dem Problem der Werte-Konflikte in wissenschaftlichen Assessment-Prozessen nun auf den Grund. Sie war die erste ihrer Art und hochkarätig besetzt, mit rund 50 Fachleuten aus einem Dutzend Ländern.

Den inhaltlichen Kern der Konferenz bildeten vier Keynote Speeches. Thomas Dietz, Professor an der Michigan State University in East Lansing in den USA, benannte sechs für die Umweltpolitik relevante Werte-Cluster: Altruismus gegenüber anderen Menschen, gegenüber der Biosphäre, Eigeninteresse, Traditionalismus, Offenheit für Veränderungen und Hedonismus. Wie bei einer konkreten Politik-Entscheidung diese sechs Werte bei den relevanten Personengruppen gelagert sind, müsse die Wissenschaft bei ihrer Beratungstätigkeit ebenso in den Blick nehmen wie zum Beispiel physikalische oder ökonomische Zusammenhänge: Es gehe auch darum, solche ethischen Differenzen zu verstehen und nach Möglichkeit einigermaßen in Einklang zu bringen.

Henry Shue, Professor an der Universität Oxford in England, bemängelte in seiner Keynote, dass bislang jede Fachrichtung tendenziell immer nur einen Aspekt in den Mittelpunkt stelle: die Philosophen die saubere moralische Lösung, die Ökonomen die Effizienz, die Juristen das Vermeiden von rechtlichen Grauzonen. Doch die Politik müsse das gewichten und allem gerecht werden. Shue machte konkrete Vorschläge, wie die philosophischen Ethik-Spezialisten durch eine bessere Bindung an die unterschiedlichen Fachdisziplinen ihren politischen Handlungsempfehlungen zu mehr Praktikabilität und Realitätsnähe verhelfen könnten.

Wie man Ethik in ökonomische Modelle integrieren kann, beschrieb Matthew Adler, Professor an der Duke University in Durham in den USA. Die „Social-Welfare-Funktion“, die in manchen wissenschaftlichen Arbeiten bereits benutzt wird, hat drei Komponenten: ein Wohlfahrtsmaß, eine Regel zur Gewichtung der individuellen Wohlfahrtsergebnisse und ein Verfahren zum Umgang mit Unsicherheiten. Dieser Ansatz, so betonte Adler, biete breiten methodischen Raum dafür, unterschiedliche in der philosophischen Literatur entwickelte Vorstellungen von Wohlfahrt abzubilden, etwa gemäß dem präferenzbasierten, dem hedonistischen oder dem objektiven Ansatz.

Wie sich schließlich unterschiedliche politische Ansichten der Gesellschaft in einem strukturierten Prozess miteinander zum Ausgleich bringen lassen können, beschrieb in der vierten und letzten Keynote Simon Niemeyer, Professor an der Universität Canberra in Australien. Mit empirischen Daten aus sogenannten Mini-Öffentlichkeiten belegt Niemeyer: Ein solcher Ausgleich ist wesentlich leichter zu erreichen, wenn über konkrete Auswirkungen von Politik-Maßnahmen diskutiert wird, als wenn es abstrakt um unterschiedliche politische Präferenzen geht. Entscheidend sei am Ende ein deliberativer Prozess des Lernens, in dem die ursprünglichen oberflächlichen Gegensätze zum Treiber für höherwertige Lösungsvorschläge werden.

Die Konferenzteilnehmer erarbeiteten die Grundzüge eines methodischen Konzepts, wie sich das Problem der Wertekonflikte in Assessments konstruktiv lösen lässt. Dieses Konzept soll in den kommenden Monaten weiterentwickelt und in einem wissenschaftlichen Journal präsentiert werden.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

https://www.mcc-berlin.net/de/ueber-uns/team/kowarsch-martin.html


Weitere Informationen:

http://www.mcc-berlin.net


Anhang

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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Energie, Meer / Klima, Politik, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch


Quelle: IDW