Polio-Impfung bleibt unverzichtbar



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21.10.2025 09:48

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Polio-Impfung bleibt unverzichtbar

Am 24. Oktober ist Welt-Polio-Tag. Die Impfung gegen Kinderlähmung gilt als eine der größten Errungenschaften der Prävention. Sie hat Millionen von Lähmungen verhindert und Hunderttausende Leben gerettet. Sie hat eine Krankheit zurückgedrängt, die in den 1950er Jahren selbst in Deutschland noch tausende Kinder lähmte und viele Todesfälle verursachte. Eine aktuelle Studie unter Beteiligung von Wissenschaftler*innen der Universität Bielefeld, die im Deutschen Ärzteblatt erschienen ist, zeigt nun: Trotz dieser beispiellosen Erfolge darf die Impfbereitschaft nicht nachlassen.

„Die Eindämmung von Polio gehört zu den größten Erfolgen der Public Health, also der Gesundheitsvorsorge für die gesamte Bevölkerung“, sagt Professor Dr. Oliver Razum von der Universität Bielefeld, Letztautor des Artikels. „Aber auch in Deutschland müssen wir weiter gegen Polio impfen. Eine vollständige Ausrottung der Krankheit wird in absehbarer Zeit nicht gelingen.“

Die Studie trägt den Titel „Erfolge und Hindernisse in der Spätphase der Globalen Polio-Ausrottungsinitiative“, beteiligt waren unter anderem Forschende aus Bielefeld und Heidelberg. Sie fasst die Geschichte und den aktuellen Stand des weltweiten Programms zusammen, das die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits 1988 ins Leben gerufen hat. Seitdem konnte die Zahl der Fälle um 99,99 Prozent gesenkt werden. Dennoch bleibt die Krankheit ein globales Risiko.

Warum Polio nicht verschwindet

Poliomyelitis, kurz Polio oder Kinderlähmung, wird durch hochinfektiöse Viren verursacht, die vor allem Kinder treffen. In 90 bis 95 Prozent der Fälle verläuft die Infektion ohne Symptome. Bei einem kleinen Teil der Erkrankten jedoch kommt es zu bleibenden Lähmungen, besonders an den Beinen. In schweren Fällen endet die Krankheit tödlich, weil die Atemmuskulatur versagt.

Zwar gelten große Teile der Welt mittlerweile als poliofrei. Doch in Pakistan und Afghanistan kursieren weiterhin sogenannte Wildviren. Hinzu kommt ein weiteres Problem: Mutationen von Impfviren, die in Ländern mit niedrigen Impfraten neue Ausbrüche auslösen. Durch internationale Mobilität gelangen solche Viren auch in Industrieländer. Zuletzt tauchten sie in Abwasserproben in mehreren europäischen Städten auf, darunter auch in Deutschland.

Finanzierungslücken und Impfmüdigkeit

Die Autoren der Studie warnen zudem vor neuen Risiken. Internationale Geldgeber wie die US-Entwicklungsagentur USAID kürzen ihre Mittel. Dadurch schrumpfen die Ressourcen für Impfkampagnen, während gleichzeitig Konflikte, schwache Gesundheitssysteme und wachsende Impfskepsis das Problem verschärfen.

Razum sieht deshalb eine klare Konsequenz: „Wir dürfen uns nicht allein auf das Ziel der Ausrottung verlassen. Entscheidend ist, dass wir überall auf der Welt dauerhaft hohe Impfquoten erreichen.“ Auch Ärzt*innen in Deutschland spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie sollen routinemäßig den Impfstatus prüfen und fehlende Impfungen nachholen.

Die Studie kommt damit zu einem ernüchternden, aber klaren Befund: Polio wird die Weltgemeinschaft wohl noch lange beschäftigen. Doch durch konsequente Impfungen lässt sich verhindern, dass die Krankheit erneut zur Bedrohung wird.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Oliver Razum, Universität Bielefeld
Fakultät für Gesundheitswissenschaften
Telefon 0521 106-3838 (Sekretariat)
E-Mail: oliver.razum@uni-bielefeld.de


Originalpublikation:

Olaf Müller, Guangyu Lu, Peter Meissner, Lorenz von Seidlein, Albrecht Jahn, Oliver Razum: Erfolge und Hindernisse in der Spätphase der Globalen Polio-Ausrottungsinitiative. Deutsches Ärzteblatt. DOI: 10.3238/arztebl.m2025.0079. Veröffentlicht am 11.07.2025.


Weitere Informationen:

https://www.uni-bielefeld.de/fakultaeten/gesundheitswissenschaften/ag/ag3/index…. Website der Arbeitsgruppe Epidemiologie & International Public Health


Bilder

Professor Dr. Oliver Razum von der Universität Bielefeld ist Letztautor des Artikels.

Professor Dr. Oliver Razum von der Universität Bielefeld ist Letztautor des Artikels.
Quelle: Universität Bielefeld
Copyright: Universität Bielefeld


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW