Selbstheilende Herzen – Wie Zebrafische Herzmuskelzellen regenerieren



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25.02.2025 12:27

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Selbstheilende Herzen – Wie Zebrafische Herzmuskelzellen regenerieren

Zebrafische können beschädigte Herzmuskelzellen vollständig ersetzen: Das betroffene Organ wird wieder voll funktionsfähig. Wie gelingt ihnen das? Forschende der Universität Ulm haben herausgefunden, dass ein bestimmtes Zell-Zell-Kommunikationssignal dabei hilft, Replikationsstress besser zu bewältigen. Dieser Stress tritt bei der Zellteilung auf und hemmt bei Menschen und Säugetieren im Alter die Geweberegeneration. Bei Zebrafischen hingegen sorgt ein Signalprotein dafür, dass sich die Zellen des beschädigten Organs unvermindert teilen und damit vermehren. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in der Fachzeitschrift Nature Communications.

Ein Herzinfarkt führt beim Menschen oft zu dauerhaften Schäden, weil sich das betroffene Gewebe nicht ausreichend regeneriert. Zebrafische hingegen können Verletzungen am Herzen kompensieren, die bis zu einem Drittel des Organs umfassen. „Entscheidend für die erfolgreiche Regeneration von verletztem Gewebe ist eine ausreichend erfolgreiche Teilungsaktivität der Herzmuskelzellen“, erklärt Professor Gilbert Weidinger vom Institut für Biochemie und Molekulare Biologie (iBMB) der Universität Ulm. Der Wissenschaftler hat eine Studie koordiniert, die aufdeckt, warum Zebrafischen die Behebung von Gewebeschäden am Herzen so viel besser gelingt als dem Menschen. Das Forschungsteam fand heraus: Entscheidend ist ein besonderes Zell-Zell-Kommunikationssignal. Dieses sogenannte BMP-Signalprotein hilft den Zebrafischen dabei, mit Replikationsstress umzugehen.

Replikationsstress behindert beim Menschen die Zellteilung, nicht beim Zebrafisch

Wenn bei der Zellteilung DNA repliziert wird, kann die Zelle unter Replikationsstress geraten: DNA-Läsionen, Strang-Brüche oder auch ein Mangel an Nukleotiden – den Bausteinen der DNA – führen zur Verlangsamung oder gar zum Stillstand der Replikation. Die Zellen können sich nicht mehr ausreichend teilen und vermehren, das Gewebe regeneriert sich nicht mehr. „Unsere Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass auch Zebrafischzellen bei der Reparatur von Gewebeschäden diesem Stress ausgesetzt sind, aber damit viel besser zurechtkommen“, erklärt Weidinger. Dabei hilft ihnen das BMP-Signalprotein. Die Abkürzung BMP steht für „Bone Morphogenetic Protein“. BMPs sind Bestandteil eines Signalsystems, das eine Schlüsselrolle in der Embryonalentwicklung und der Organentwicklung spielt. Diese Signalmoleküle, die lokal auf umliegende Zellen wirken, helfen den Zebrafischzellen dabei, ihr volles Regenerationspotential auszuschöpfen. „Selbst bei Verletzungen, die bis zu einem Drittel der Herzmuskelzellen betreffen, ist es den Zebrafischen möglich, innerhalb von 30 Tagen die ursprüngliche Anzahl an Kardiomyozyten wiederherzustellen“, so Denise Posadas Pena. Die Doktorandin am iBMB hat die in Nature Communications publizierte Untersuchung als Ko-Erstautorin mit verfasst.

Dem Forschungsteam gelang es außerdem experimentell, die Regenerationsfähigkeit von menschlichen Zellen deutlich zu verbessern. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler testeten dies an Hämatopoetischen Stamm- und Vorläuferzellen (HSPCs) sowie an Hautzellen. Wenn diese Zellen in Kultur unter Replikationsstress gesetzt werden, können BMP-Signale sie davor schützen. „Die Forschungsergebnisse helfen möglicherweise dabei, neue Therapieansätze für eine bessere Geweberegeneration zu entwickeln. Damit sich verletztes Gewebe selbst besser heilen kann“, glaubt Gilbert Weidinger.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass regenerierende Zebrafisch-Herzen als Modell für Anti-Aging-Prozesse dienen können. Es hilft uns, Faktoren zu identifizieren, die Alterungsprozesse lindern oder sogar aufheben könnten“, sagt der Stammzellexperte Professor Hartmut Geiger. Der Leiter des Ulmer Instituts für Molekulare Medizin war ebenfalls an der Studie beteiligt. Am Forschungsprojekt mitgewirkt haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Ulm, Bonn und Heidelberg sowie aus Bologna, Oxford und Zürich. Gefördert wurde die Studie im Rahmen des Ulmer Sonderforschungsbereiches SFB 1506 „Aging at Interfaces“.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Gilbert Weidinger, Institut für Biochemie und Molekulare Biologie (iBMB), Universität Ulm, E-Mail: gilbert.weidinger@uni-ulm.de


Originalpublikation:

Literaturhinweis:
Mohankrishna Dalvoy Vasudevarao, Denise Posadas Pena, Michaela Ihle, Chiara Bongiovanni, Pallab Maity, Dominik Geissler, Hossein Falah Mohammadi, Melanie Rall-Scharpf, Julian Niemann, Mathilda T.M. Mommersteeg, Simone Redaelli, Kathrin Happ, Chi-Chung Wu, Arica Beisaw, Karin Scharffetter-Kochanek, Gabriele D’Uva, Mona Malek Mohammadi, Lisa Wiesmüller, Hartmut Geiger and Gilbert Weidinger (2025). BMP signaling promotes zebrafish heart regeneration via alleviation of replication stress. Nat. Commun. 16, 1708. doi.org/10.1038/s41467-025-56993-6.


Bilder

Doktorandin Denise Posadas Pena mit Zebrafischen

Doktorandin Denise Posadas Pena mit Zebrafischen
Elvira Eberhardt
Uni Ulm

Zebrafische

Zebrafische
Elvira Eberhardt
Uni Ulm


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW