02.03.2021 11:42
Umgebungsanalyse erweitert Corona-Apps
Neues Forschungsprojekt PRIVEE der Universität zu Lübeck erweitert Corona-Apps mithilfe einer datenschutzgerechten Situationsanalyse in der Kontaktverfolgung.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Corona-Apps helfen dabei, Infektionsketten nachzuvollziehen und damit die Anzahl an weiteren Infektionen einzudämmen. Bisher stellen diese Apps in Echtzeit engere Kontakte fest, die gewarnt werden können, wenn eine Erkrankung mit Covid-19 festgestellt und dieses in der App hinterlegt wird. Die Kontaktverfolgung basiert aktuell ausschließlich auf der Bluetooth-Technologie mittels derer versucht wird, den Abstand zwischen Smartphones zu ermitteln. Forscherinnen und Forscher der Universität zu Lübeck konnten diesen Mechanismus nun um einen weiteren Indikator erweitern, der nicht nur auf der Distanz beruht, sondern versucht, die unmittelbare Umgebung miteinzubeziehen. Diese Erweiterung soll die dafür erhobenen Daten auf eine besonders sichere Weise schützen, indem die Informationen das eigene Endgerät gar nicht erst verlassen.
Mithilfe von KI-Methoden (Künstlicher Intelligenz) wird eine Schnittstelle in die Corona-Warn-App eingearbeitet, die die Umgebung während eines Kontakts durch Audioauf-nahmen klassifizieren kann und einfache Aussagen wie “Waldspaziergang” oder “volles Zugabteil” trifft. Diese Aufnahmen werden nach der Klassifikation direkt und automatisiert gelöscht. Die erfolgten Klassifikationen können bei der Entscheidung, ob ein Kontakt als kritisch einzuordnen ist, unterstützend hinzugezogen werden und zugleich die Reka-pitulation vergangener Aufenthalte für die spezifische Nutzung erleichtern.
Jegliche personenbezogenen Daten werden ausschließlich lokal auf dem jeweiligen Smartphone der Nutzerin oder des Nutzers gespeichert. Es erfolgt keinerlei Kommunika-tion mit anderen Parteien und die Daten werden nur so lange gespeichert wie nötig, was bedeutet, dass nach Ablauf der 14-tägigen Frist der Corona-Apps eine sichere Löschung der Daten erfolgt.
Eine Situationsanalyse kann wertvolle Informationen für die infektiologische Einordnung eines Kontakts liefern, da je nach Umgebung die Ansteckungsgefahr variiert. Lübecker Forscherinnen und Forscher setzen genau hier an und wollen die Kontaktverfolgung un-ter Einbeziehung reichhaltiger Sensordaten des Smartphones mit einer KI-basierten Situa-tionsanalyse verfeinern, ohne dass diese sensiblen Sensordaten die jeweiligen Endgeräte verlassen. Auf Basis von Nutzerrückmeldungen soll die KI-basierte Situationsanalyse kon-tinuierlich verbessert werden. Diese lokalen Verbesserungen können auf sichere Weise deutschlandweit zusammengeführt werden (mittels Privacy-Preserving Federated Learn-ing), um beliebte Verbesserungen unter allen Nutzerinnen und Nutzern zu teilen. Statisti-ken über Situationsanalysen sollen in einem zweiten Schritt deutschlandweit sicher zu-sammengeführt und mit Störungen versehen werden. Auf diese Weise soll garantiert werden, dass die Privatsphäre geschützt bleibt und keine Information über einzelne End-nutzer oder –nutzerinnen extrahierbar ist.
Das Forschungsprojekt PRIVEE der Universität zu Lübeck wird mit 119.000 € von der Volkswagenstiftung finanziert. Involviert sind die Arbeitsgruppe Security & Privacy am Institut für IT-Sicherheit (Prof. Mohammadi), um sicherzustellen, dass nur privatsphäreer-haltende Maßnahmen umgesetzt werden, das Institut für Telematik (Prof. Fischer), mit der Expertise in dem Entwurf von Protokollen zum Austausch zwischen Smartphones und mit zentralen Stellen, und das Institut für Neuro- und Bioinformatik (Prof. Martinetz), mit der Expertise maschinell gelernte Modelle zur Situationsanalyse effektiv einzusetzen.
Die Forschenden sind in einem regelmäßigen Austausch mit der Klinik für Infektiologie am UKSH (Prof. Rupp), um sicherzustellen, wie die entwickelten Methoden eine medizinisch sinnvolle Erweiterung von Corona-Apps darstellen können.
Kontakte:
Prof. Dr. Esfandiar Mohammadi
Universität zu Lübeck
Institut für IT-Sicherheit
Ratzeburger Allee 160
23562 Lübeck
Homepage: https://www.its.uni-luebeck.de
Fachgebiet: Informatik
Spezialgebiet(e): Privacy-Preserving Technologies
Prof. Dr. Stefan Fischer
Universität zu Lübeck
Institute of Telematics
Ratzeburger Allee 160
23562 Lübeck
Homepage: https://www.itm.uni-luebeck.de
Fachgebiet: Informatik
Spezialgebiet(e): Computernetzwerke und verteilte Systeme
Prof. Dr. Thomas Martinetz
Universität zu Lübeck
Institut für Neuro- und Bioinformatik
Ratzeburger Allee 160
23562 Lübeck
Homepage: http://www.inb.uni-luebeck.de
Fachgebiet: Informatik
Spezialgebiet(e): Neuroinformatik
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Gesellschaft, Informationstechnik, Medizin, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
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