Virtuelles Waldbaden hilft beim Stressabbau



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03.07.2025 09:44

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Virtuelles Waldbaden hilft beim Stressabbau

Ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (MPIB) und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) hat in einer aktuellen Pilotstudie nachgewiesen: Virtuelles Waldbaden kann das emotionale Wohlbefinden verbessern – besonders dann, wenn die virtuelle Naturumgebung mehrere Sinne wie Hören, Sehen und Riechen gleichzeitig anspricht. Die Ergebnisse wurden nun im Journal of Environmental Psychology veröffentlicht.

Waldbaden, in Japan als Shinrin Yoku bekannt, wird dort bereits therapeutisch eingesetzt – etwa zur Senkung von Blutdruck und Stress. Für ihre Studie wollten die Forschenden herausfinden, ob Waldbaden – das bewusste Eintauchen in die Natur – auch in virtueller Form wirksam sein kann. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob der positive Effekt stärker ausfällt, wenn mehrere Sinne gleichzeitig angesprochen werden.

Für das Projekt wurde im größten Douglasienwald Europas, dem Naturschutzgebiet Sonnenberg bei Parchim, ein hochwertiges 360°-VR-Video produziert – ergänzt durch Originalklänge und den Duft ätherischer Douglasienöle. Über eine VR-Brille erlebten die Teilnehmenden die virtuelle Waldszenerie entweder als vollständiges Sinneserlebnis (mit Bild, Ton und Duft) oder in reduzierter Form, in der nur ein einzelner Sinn – visuell, auditiv oder olfaktorisch – angesprochen wurde. In den Varianten, bei denen ausschließlich der Hör- oder Geruchssinn aktiviert wurde, befanden sich die Teilnehmenden in einer neutralen virtuellen Umgebung, um visuelle Eindrücke und den Einfluss der VR-Technologie konstant zu halten.

Bessere Wirkung durch Sinnes-Kombination
Mehr als 130 Teilnehmende wurden zunächst durch belastende Bilder in eine akute Stresssituation versetzt. Anschließend erlebten sie – ausgestattet mit VR-Brille – eine der vier Waldbaden-Varianten. Die Ergebnisse zeigen: Die Kombination aller drei Sinnesreize führte zu einer deutlich stärkeren Verbesserung der Stimmung sowie zu einem stärkeren Gefühl der Verbundenheit mit der Natur, verglichen mit der Ansprache jeweils einzelner Sinnesreize. Neben positiven Effekten auf die Stimmung zeigten sich in begrenztem Umfang auch Verbesserungen im Arbeitsgedächtnis – also jener kognitiven Funktion, mit der wir Informationen kurzfristig speichern, verarbeiten und abrufen.

Die Forschenden betonen jedoch, dass die Effekte bereichspezifisch seien und noch nicht als allgemeingültig gelten können. Weitere Studien mit größeren Stichproben sollen nun folgen, um die Ergebnisse zu bestätigen und die Mechanismen hinter der erholenden Wirkung virtueller Naturerfahrungen besser zu verstehen

„Wir können bereits sagen, dass digitale Naturerlebnisse durchaus emotionale Wirkung entfalten können – auch wenn sie reale Natur nicht ersetzen“, sagt Leonie Ascone, Erstautorin der Studie und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe Neuronale Plastizität am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).

Potenziale für Kliniken, Wartebereiche und urbane Räume
Simone Kühn, Leiterin der Studie und Direktorin des Forschungsbereichs Umweltneurowissenschaften am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung ergänzt: „Gerade an Orten mit begrenztem Zugang zu Natur – etwa in Kliniken, Wartebereichen oder urbanen Innenräumen – könnten multisensorische VR-Anwendungen oder gezielte Naturinszenierungen das mentale Wohlbefinden unterstützen. Bilder, Klänge und Düfte der Natur bieten ein bislang unterschätztes Potenzial für Stimmung und geistige Leistungsfähigkeit in Alltagssituationen.“ Kühn forscht intensiv zu den Auswirkungen der Umwelt auf das menschliche Gehirn und konnte kürzlich gemeinsam mit Kolleg*innen der Universitäten Wien, Exeter und Birmingham nachweisen, dass schon allein beim Betrachten von Naturvideos körperliche Schmerzen als weniger intensiv wahrgenommen werden (Steininger et al., 2025).

In Kürze

• Virtuelles Waldbaden in Virtual Reality verbessert das emotionale Wohlbefinden und steigert die Naturverbundenheit, besonders wenn mehrere Sinne (Sehen, Hören, Riechen) gleichzeitig angesprochen werden.
• In der Studie wurde ein 360°-VR-Waldvideo mit Originalklängen und Duft ätherischer Douglasienöle eingesetzt.
• Anwendungspotenzial besteht besonders in klinischen, urbanen und naturfernen Umgebungen.


Originalpublikation:

Ascone, L., Mostajeran, F., Mascherek, A., Tawil, N., Knaust, T., Samaan, L., & Kühn, S. (2025). Multi- vs. unimodal forest-bathing in VR to enhance affective and cognitive recovery after acute stress. Journal of Environmental Psychology, 105, Article 102637. https://doi.org/10.1016/j.jenvp.2025.102637

Steininger, M. O., White, M. P., Lengersdorff, L., Zhang, L., Smalley, A. J., Kühn, S., & Lamm, C. (2025). Nature exposure induces analgesic effects by acting on nociception-related neural processing. Nature Communications, 16, Article 2037. https://doi.org/10.1038/s41467-025-56870-2


Weitere Informationen:

https://www.mpib-berlin.mpg.de/pressemeldungen/virtuelles-waldbaden Die Pressemitteilung auf der MPIB Webseite


Bilder

Virtuelles Waldbaden

Virtuelles Waldbaden

Copyright: MPI für Bildungsforschung


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin, Psychologie, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW